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Sturm auf Regierungsgebäude in Brasilien
„Drehbuch, das wir aus den USA kennen"

Beim Sturm auf Regierungsgebäude in Brasilien haben Soziale Medien nach Einschätzung der Medienwissenschaftlerin Caja Thimm eine große Rolle gespielt - insbesondere Telegram. Sie beobachtet eine globale Vernetzung rechter Netzwerke über Plattformen.

Text: Isabelle Klein | Caja Thimm im Gespräch mit Mirjam Kid |
Ein Mann schlägt dabei einen Polizisten mit einer Stange. Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro haben den Kongress in der Hauptstadt Brasilia gestürmt.
Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro gerieten beim Sturm auf Regierungsgebäude in der Hauptstadt Brasilia mit Polizisten aneinander (picture alliance / dpa / Matheus Alves.)
"Brasilien erlebt seinen Trump-Moment", schreibt das ZDF, denn was sich gerade in der Hauptstadt Brasilia ereignet hat, erinnert doch stark an die Vorfälle in Washington vor zwei Jahren, als Trump-Anhänger das Kapitol erstürmten.
Am 08.01.2023, eine Woche nach dem Amtsantritt des neuen brasilianischen Präsidenten, dem Linkspolitiker Luiz Inácio Lula da Silva, stürmten Tausende radikale Anhänger des rechtsextremen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro Kongress, den Obersten Gerichtshof und den Regierungssitz Palácio do Planalto in Brasilia und brachten nach Einschätzung der dpa kurzzeitig die Schaltzentralen der wichtigsten Staatsgewalten des Landes unter ihre Kontrolle und zerstörten Fester, Inventar und Kunstwerke.

Die Rolle von "Trumpismus" und Telegram

Erst Stunden später konnten die Sicherheitskräfte die Lage wieder unter Kontrolle bringen. Die Verantwortlichen stehen dafür nun in der Kritik.

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Kam die Aktion völlig aus dem Nichts oder hatte sie sich, ähnlich wie in Washington 2021, schon länger angebahnt? Und welche Rolle spielt die globale Vernetzung der Rechtsextremen via Social Media? Der Politikberater Johannes Hillje etwa warnt angesichts der Ereignisse in Brasilia vor einem "Trumpismus", der "in Stil und Ideologie eine Blaupause für eine globale anti-demokratische Bewegung" sei.

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Laut Recherchen der "Washington Post" soll insbesondere Telegram eine große Rolle bei der Organisation gespielt haben. Diese Einschätzung teilt auch die Medienwissenschaftlerin Caja Thimm, Professorin an der Universität Bonn und Sprecherin des Graduiertenkollegs "Digitale Gesellschaft". „Ganz offensichtlich gab es Vorbereitung“, die aber von den Behörden nicht ernst genommen oder nicht gesehen worden sei, sagte Thimm im Gespräch mit @mediasres.
Konkret sollen sich die Angreifer bei Telegram unter dem Titel „Free food and busses“ organisiert haben. Hier sei auch ein Video mit dem Titel „Tomorrow is the day“ gepostet worden, das Thimm an den Sturm auf das Kapitol in den USA erinnert.

Aufstachelung durch Ex-Präsidenten?

Klar ist, dass Bolsonaro-Anhänger nach übereinstimmenden Medienangaben schon seit Tagen vor dem Hauptquartier der Streitkräfte kampierten. Präsident Lula warf Bolsonaro vor, seine Anhänger aufgestachelt zu haben - ähnlich wie es 2021 Trump vorgeworfen worden war. Bolsonaro wies die Vorwürfe auf Twitter zurück.

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Der rechtsextreme Politiker war im Oktober 2022 in der Stichwahl unterlegen und zum Jahreswechsel aus dem Amt geschieden, hatte zuvor aber immer wieder Zweifel am Wahlsystem gestreut. Nach der Abstimmung erkannte er seine Niederlage nie ausdrücklich an. Er hält sich derzeit in den USA auf. Seiner Anhänger posten bis heute unter dem Hashtag #BrasilianSpring von einem Wahlbetrug.

Globale Vernetzung rechter Netzwerke

Dieser Hashtag folgt nach Einschätzung von Medienwissenschaftlerin Thimm dem „Drehbuch, das wir aus den USA kennen, nämlich das der gestohlenen Wahl“. Nach einem Treffen des früheren Trump-Beraters Steve Bannon mit Bolsonaro im November 2022 habe man eine höhere Frequenz dieses Hashtags beobachten können. Das spreche dafür, dass es „einen sehr engen Kontakt“ zwischen den amerikanischen Demagogen und den brasilianischen Inszenierungen gegeben habe, so Thimm.
Sie schreibt einer globalen Vernetzung rechter Netzwerke eine große Rolle zu. Plattformen wie Twitter und Tiktok sind hier ihrer Einschätzung nach besonders wichtig. Für Brasilien sei auch der Messengerdienst Whatsapp bedeutsam, über den Boslonaro Wahlkampf gemacht habe.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters ordnete der Richter des Obersten Gerichtshofs in Brasilien, Alexandre de Moraes, nach den Angriffen am Samstag die Social-Media-Plattformen Twitter, Tiktok und Facebook an, Putschpropaganda zu blockieren.

Thimm: Es braucht mehr Forschung und Aufmerksamkeit

Mit Blick auf die Plattformen spricht Medienwissenschaftlerin Thimm global gesehen von einem zunehmenden „Loslassen“ rechter Aktivitäten.
„Wir haben das in einer Studie beispielsweise schon vor Jahren für die Vernetzung von AfD und damals auch noch Pegida mit den französischen Rechtspopulisten gesehen. Das heißt, wir können eigentlich schon davon ausgehen, dass gerade über die Internet-Kontakte viele Verbindungen und Austausch entstehen, den wir teilweise ja gar nicht mitbekommen“, meint Thimm. Hier brauche es mehr Forschung und Aufmerksamkeit seitens der Politik.
Was nun in Brasilien passiert sei, dürfe man aber auch nicht überschätzen, dafür sei der Rückhalt in der Bevölkerung für die Positionen der Angreifer zu gering. Selbst Bolsonaro hatte die Krawalle verurteilt: Öffentliche Gebäude zu plündern und zu stürmen, verstoße gegen die "Regel" für "friedliche Demonstrationen“.