Die „Enhanced Games“ – eine bessere Version der Olympischen Spiele. So preisen die Organisatoren das neue Projekt auf der eigenen Webseite an. Mithilfe von milliardenschweren Investoren soll jährlich ein Wettbewerb in sechs Sportarten auf die Beine gestellt werden, bei dem Dopingtests tabu sind.
Der selbst ernannte Präsident der "Enhanced Games", der Australier Aron D’Souza, erklärt im TV-Interview mit dem US-Sender "NewsNation" die Idee dahinter: „Wenn einer eigenen Olympia-Studie zufolge 44 Prozent der olympischen Athleten schon jetzt verbotene Substanzen zu sich nehmen, dann wird es Zeit, dass auch ganz offen zu tun, ehrlich zu sein – und die Welt dazu zu inspirieren, wieder an die Wissenschaft zu glauben.“
Leichtathletik-Präsident Coe bezeichnet Idee als "Quatsch"
Die Studie, auf die D’Souza sich bezieht und die auf der Webseite auch oft zitiert wird, basiert auf einer anonymen Umfrage im Rahmen der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2011. Mehr als 40 Prozent der Athletinnen und Athleten haben dabei angegeben, im Vorfeld der WM mit leistungssteigernden Substanzen gearbeitet zu haben, die auf der Anti-Doping-Liste stehen. Für Aron D’Souza ist das ein eindeutiger Beweis dafür, dass im Sport ohnehin schon der Großteil der Athletinnen und Athleten dopt.
Die großen Sportverbände sehen das anders: "Das ist totaler Quatsch", entgegnet Sebastian Coe, der Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes, auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Hallen-WM in Glasgow. "Also dafür kann ich mich wirklich nicht begeistern."
Nicht nur Sebastian Coe kann der Idee wenig abgewinnen, auch das IOC betont in einem Statement: Wenn das Konzept der Fairness und des fairen Wettbewerbs zerstört werden soll, dann wären solche Spiele ein geeigneter Weg dafür. Ähnlich sieht das auch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), die das Konzept der Spiele als „gefährlich und unverantwortlich“ bezeichnet.
Leichtathletik-Präsident Sebastian Coe hat für die "Enhanced Games" deshalb nur ein müdes Lächeln übrig: "Es gibt nur eine Message: Falls irgendjemand tatsächlich so schwachsinnig sein sollte, um da mitzumachen – und die Person aus der traditionellen, philosophischen Sportwelt kommt, dann wird diese Person gesperrt. Und zwar für eine lange Zeit. Also: Darüber verliere ich jetzt wirklich keinen Schlaf, das wird keine Revolution auslösen."
"Enhanced Games"-Chef spricht von Fortschritt
Der Präsident der "Enhanced Games", Aron D’Souza, sieht das anders: "Ich habe mehrere tausend Athleten in meinem Postfach, die bereit sind, bei den "Enhanced Games" mitzumachen. Das ist also eine Realität, das IOC kann tun, was es will, um es zu stoppen. Aber: Die Zukunft ist hier und Fortschritt kann man nicht stoppen."
Wer diese Athleten genau sind, das führt Aron D’Souza im TV-Interview nicht aus. Und obwohl auf der Webseite steht, D’Souza sei jederzeit für ein Interview bereit, heißt es auf Deutschlandfunk-Anfrage, der Präsident der "Enhanced Games" stehe aktuell nicht für ein Interview zur Verfügung.
Für Schwimmer Magnussen geht es vor allem um Geld
Ein erster Athlet hat sich aber schon öffentlich zu dem Projekt bekannt: Der australische Schwimmer James Magnussen, der bei vergangenen Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen insgesamt acht Medaillen gewonnen hat. "Ich bin ganz ehrlich: Das ist natürlich eine große Chance", erzählt Magnussen im Podcast "Backstage" Anfang März.
Für den Australier geht es vor allem um eins: Geld. Die Macher der "Enhanced Games" versprechen eine Million Dollar, wenn Magnussen mithilfe leistungssteigernder Mittel den Weltrekord über die 50-Meter-Distanz einstellt. Ein lukratives Angebot für den 32-Jährigen, der vor ein paar Jahren seine aktive Leistungskarriere beendet hat. Er betont:
"Es gibt Chancen, die sich im Leben auftun, die lebensverändernd sein können. Nicht nur für dich, sondern auch für deine Familie. Ich bin jetzt in dem Alter, in dem ich eine Familie gründen möchte in naher Zukunft. Und das könnte natürlich für meine Kinder wegweisend sein auf lange Sicht."
Dopingforscher und Sportmediziner Bloch warnt vor Risiken
„Also aus der Sicht der Medizin, aus Sicht der Sportmedizin, halte ich davon nichts“, sagt Wilhelm Bloch von der Sporthochschule Köln, der seit Jahrzehnten im Bereich Doping forscht. Er kann den ökonomischen Druck auf Athleten nachvollziehen. Aber: Für eine Million Dollar müsse Magnussen unter Umständen einen hohen Preis zahlen.
Das Problem dabei ist ja: Wir setzen Substanzen ein, von denen wir gar nicht wissen, was für eine Nebenwirkung sie haben. Also: Natürlich steigern sie auch die Leistung, deshalb werden sie ja auch angewendet. Aber was in der Folge ist, und was Langzeit passiert oder auch was kurzfristig für Nebenwirkungen auftreten, das können wir nur bedingt abschätzen.
Dopingforscher Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln
James Magnussen ist sich den Risiken, die er in den nächsten Monaten unter Umständen eingehen wird, durchaus bewusst: "Das war der erste Gedanke: Wie sicher ist das Ganze? Darüber haben wir auch mit den Organisatoren und deren Mediziner gesprochen: Kann das wirklich ohne gesundheitliche Risiken erreicht werden oder ist das alles nur Schall und Rauch? Und alle sind davon überzeugt, dass das gelingen kann."
"Was möglich ist und was nicht, wird man danach sehen", entgegnet Sportmediziner Bloch. Und fügt an: "Das ist ja alles ein offenes Feldexperiment. Also das, was wir hier machen, ist ein Experiment letztendlich am Menschen. Und mit dem Ziel, klar, Leistungssteigerung: Das wird auch funktionieren. Bleiben wir beim klassischen Beispiel: Steroide steigern natürlich die Muskelmasse und können auch die Leistung steigern. Aber: Wir wissen, dass Steroide Langzeitwirkungen haben."
D'Souza stützt sich auf einzelne Studie von 2010
Der Präsident der "Enhanced Games", Aron D’Souza, sieht solche Experimente aber als Chance. Er sagt: "Wenn man sich das Gesundheitsrisiko insgesamt anschaut von anabolen Steroiden, dann ist dieses Risiko signifikant niedriger als bei Alkohol oder Cannabis oder andere Substanzen, die legal sind."
Als Beweis für seine These zieht er eine Studie des britischen Wissenschaftlers David Nutt heran, der im Jahr 2010 ein Ranking der gefährlichsten Drogen aufgestellt hat. Alkohol oder Cannabis stehen dabei weit über anabolen Steroiden. "Das so im Ranking darzustellen und das nur auf eine einzige Studie zu beziehen, das kann ich nicht machen", erwidert Sportmediziner Bloch.
Er unterstreicht: "In kleiner Dosierung, im Alter oder sowas, kann man schon darüber sprechen, das so was medizinisch adäquat ist. Aber in der Dosierung, wie Sportler das dann nehmen für Leistungssteigerung im Hauptwettkampfalter – das sind ja ganz andere Dosierungen, und da kann man sagen: Da sind Nebenwirkungen zu erwarten."
"Experimentierfeld am Menschen" ethisch-rechtlich bedenklich
Wilhelm Bloch sieht in den "Enhanced Games" ein hohes Gefährdungspotenzial für Athletinnen und Athleten. Aus medizinischen und ethisch-rechtlichen Gründen sei es Ärzten auch gar nicht erlaubt, einen solchen Prozess zu begleiten oder zu unterstützen: "Ich halte es aus der medizinischen Sicht nicht für vertretbar, das kann man ganz klar sagen. Wir sollten im Prinzip nicht ein Versuchsfeld im Sport aufmachen für neue Substanzen. Und dann ein Experimentierfeld – und zwar ein Experimentierfeld am Menschen."
Trotzdem will James Magnussen den Versuch wagen. Da solche Experimente in Australien illegal sind, wird er dafür in die USA reisen. Wann und wie genau der Weltrekordversuch stattfinden wird, steht aber noch nicht fest.