Montag, 29. April 2024

Neue Maßstäbe im Frauensport
Kansas City Current spielen im ersten reinen Frauenfußball-Stadion weltweit

Die National Women's Soccer League in den den USA setzt wieder neue Maßstäbe. Denn die Kansas City Current spielen zur neuen Saison in ihrem neuen Stadion – in dem weltweit ersten, das exklusiv für ein professionelles Frauensport-Team gebaut wurde.

Von Raphael Späth | 23.03.2024
Die Portland Thorns FC gastieren bei den Kansas City Current im neuen CPKC Stadium.
Die Kansas City Current spielen seit der neuen Saison im ersten Stadion, das nur für den Frauenfußball erbaut wurde: Das CPKC Stadium. (IMAGO / USA TODAY Network / IMAGO / Jay Biggerstaff)
Gerade einmal 22 Minuten dauert es, bis die Fans der Kansas City Current zum ersten Mal jubeln dürfen: der 1:0-Führungstreffer gegen die Portland Thorn. Es ist das erste offizielle Tor im neuen Stadion in Kansas City, das zur Eröffnung natürlich ausverkauft ist. Gut 11.500 Fans passen in das CPCK Stadium. Es ist die weltweit erste Arena, die exklusiv für ein professionelles Frauensport-Team gebaut wurde – in gut eineinhalb Jahren und für rund 120 Millionen Dollar.
„Das war für den Frauenfußball ein riesiger Schritt nach vorne“, erzählt Rachel Allison. Die Soziologin beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der professionellen Frauen-Liga in den USA, der National Women's Soccer League (NWSL).
Allison unterstreicht: „Das war eine Investition, die im Männerfußball ja eigentlich Routine ist – neue Anlagen zu bauen oder zu renovieren. Und das jetzt auch im Frauensport zu sehen, ist unfassbar wichtig. Es ist ein großes Indiz dafür, wie weit die Liga gekommen ist, aber auch, wie viel Vertrauen dieser Liga und ihrer Zukunft entgegengebracht wird. Dass wir über viele Jahre hinweg hier Spiele austragen und dieses Stadion auch für viele Jahre füllen können.“

Volle Auslastung im neuen Fußballstadion

Das Stadion in Kansas City wird über die gesamte Saison hinweg ausverkauft sein, das steht jetzt schon fest – und trotzdem am Ende im Zuschauer-Ranking der Liga nur im Mittelfeld landen. Die NWSL erlebt in den USA gerade einen Ansturm, den es in dieser Form in einer professionellen Frauen-Liga noch nie gegeben hat. Über 10.000 Fans kamen in der vergangenen Saison pro Spiel in die Stadien – fast fünf Mal so viel wie in der deutschen Bundesliga.
Allison betont: „Wir sehen Rekordbesucherzahlen und gleichzeitig auch neue TV-Deals und Medien-Investitionen in die Liga. Das sorgt dafür, dass neue Zielgruppen erreicht werden können. Das ist echt bemerkenswert. Aber es hat auch elf Jahre gedauert, um an diesen Punkt zu kommen. Das Wachstum des Frauenfußballs ist also ein langwieriger Prozess gewesen.“
Die Fanbasis der NWSL wächst von Jahr zu Jahr, die Liga selbst professionalisiert sich in einer Art und Weise, die so im europäischen Fußball mit limitierten finanziellen Mitteln schwer zu erreichen ist.
Das weiß auch Frauenfußball-Expertin und Journalistin Annika Becker: „Es war lange so, dass viele Vereine nicht so richtig ein festes Stadion hatten, sondern auch viel gewechselt sind. Dann haben sie mal im Vorort gespielt, dann wieder im Stadtkern und so. Und das gibt es aber der neuen Saison 2024 wirklich gar nicht mehr und das verbessert dann natürlich auch die Erreichbarkeit und sorgt dafür, dass man sich ein Publikum aufbaut, was wirklich auch regelmäßig kommt.“

Hinter den Klubs stehen Stars wie Natalie Portman oder Lindsey Vonn

In den nächsten Jahren werden in der NWSL weitere Teams zu den bisher 14 Mannschaften stoßen – in den größten Sportstädten der USA. Hinter den Franchises stehen dabei oft milliardenschwere Investoren, Promis wie Schauspielerin Natalie Portman in Los Angeles oder ehemalige Leistungssportlerinnen wie Ski-Olympiasiegerin Lindsey Vonn in Utah. Diese sagte vor Saisonstart auf einer Pressekonferenz über ihr Investment:

Ich wollte Frauen im Sport schon immer unterstützen, egal wie. Und einfach diese Community zusammenzubringen und Frauen zu unterstützen, das ist meine Hauptmission im Leben als ehemalige Leistungssportlerin. Und jetzt auch diesen von Frauen geführten Staff hier zu sehen, das ist definitiv ein Gamechanger.

Lindsey Vonn, ehemalige Top-Skifahrerin
Lindsey Vonns Team, die Utah Royals, haben am ersten Spieltag der neuen Saison ebenfalls einen neuen Rekord aufgestellt: Über 20.000 Fans waren bei der Niederlage gegen Chicago im Stadion – so viele wie noch nie zuvor bei einem Frauensport-Event in Utah.
Vonn bewertete die Lage so: „Ich glaube, das ist eine Fortführung der Entwicklung, die wir im Frauensport seit Billie Jean King gesehen haben, die im Tennis für gleiche Bezahlung gekämpft hat. Es hat lange gedauert, um diesen Punkt hier zu erreichen. Aber ich habe das Gefühl, dass wir jetzt an einem Wendepunkt angekommen sind. Das hier ist keine Momentaufnahme, es ist eine Bewegung.“

Soziologin über die Entwicklung: "Haben vieles richtig gemacht"

Eine Bewegung, die trotz eines großen Missbrauchs-Skandal in den letzten Jahren weiter anhält. Im Jahr 2021 kommen an mehreren Standorten Gerüchte von sexuellem Missbrauch auf, gleich fünf der damals zehn Teams wechseln daraufhin ihren Trainerstab. Auch die Präsidentin der NWSL, Laisa Baird, tritt im Zuge dessen zurück.
„Ich glaube, der Grund, weshalb dieser Skandal keine langfristigen Auswirkungen auf die Liga hatte, ist die aktuelle Führungsriege der NWSL“, erklärt Soziologin Rachel Allison.
„Sie haben vieles richtig gemacht, das richtige Team zur richtigen Zeit installiert, um das Vertrauen zur Fanbase wiederherzustellen – und auch zu den Spielerinnen. Es ist kein Zufall, dass genau in der Zeit nach dem Skandal die Liga den ersten großen Deal mit der Spielerinnen-Gewerkschaft unterschrieben hat", unterstreicht Allison.
Die Soziologin fährt fort: "Seitdem arbeiten Liga und Gewerkschaft eng zusammen, die Sicherheit und Gesundheit der Fußballerinnen steht an erster Stelle. Die Stimme der Spielerinnen hat Gewicht. Das hat dazu geführt, dass es inzwischen höhere Gesundheitsstandards gibt, mehr Verhandlungsspielraum bei Gehältern und so weiter. Wir haben also gesehen, wie Spielerinnen immer mehr Kontrolle haben. Und das hat sich ausgezahlt.“

Immer mehr Investoren steigen ein

Die NWSL ist seit einigen Jahren auch Heimat für viele internationale Top-Stars. Nichelle Prince von den Kansas City Current erzählt in einem Interview mit dem lokalen TV-Sender in Kansas:
„Es ist cool, dass dieses Team nicht wie eine kleine Schwester behandelt wird. Wir stehen im Fokus, all die Energie und die Ressourcen gelten uns. Ich glaube, wir alle waren schon einmal in einem Umfeld, in dem wir stiefmütterlich behandelt wurden. Und es ist so cool, dass wir jetzt endlich mal von Menschen umgeben sind, die uns versichern: Wir investieren in Euch, ihr steht im Fokus. Es macht einfach Spaß, ein Teil davon zu sein.“
Inzwischen investieren auch immer mehr Medienunternehmen in die NWSL. Mit "Amazon Prime" überträgt in dieser Saison ein weiterer reichweitenstarker Streamingdienst Spiele der Frauen-Liga. Die NWSL-Führung erhofft sich dementsprechend auch weitere Einschaltquoten-Rekorde.