Erwärmung der Meere
Rekordhitze in den Ozeanen – Forschende rätseln über die Ursachen

Die Weltmeere haben 2023 und 2024 Rekordtemperaturen erreicht. Welche Rolle spielt der Klimawandel? Worüber rätseln Forschende noch? Und was bedeuten die warmen Meere für Mensch und Natur? Ein Überblick.

    Zu sehen ist ein farbenprächtiges Korallenriff im Vatu-I-Ra Conservation Park vor der Insel Viti Levu in Fidschi, im Südpazifik. Das Riff besteht aus einer Vielzahl harter und weicher Korallenarten in unterschiedlichen Formen und Farben.
    Korallenriffe zählen zu den artenreichsten Lebensräumen der Meere und reagieren empfindlich auf die Erwärmung der Ozeane. Schon geringe Temperaturanstiege können großflächige Korallenbleichen auslösen (picture alliance / robertharding / Michael Nolan)
    Die Temperaturen der Weltmeere erreichten 2023 und 2024 ein historisch hohes Niveau. Weltweit wurden Temperaturrekorde gebrochen, etwa rund um das berühmte Great Barrier Reef in Australien, wo die höchsten Wassertemperaturen seit 400 Jahren gemessen wurden. Auch im Mittelmeer erreichten die Temperaturen 2024 neue Rekordwerte. Zwar sind die Wassertemperaturen zwischenzeitlich etwas gesunken, doch auch 2025 liegen sie weiterhin deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.
    Und die nächsten Hitzemeldungen lassen nicht auf sich warten: Die Nordsee war im Frühjahr 2025 so warm wie noch nie zuvor. Auch in der deutschen Ostsee wurden neue Höchstwerte gemessen. Forschende sind angesichts der ungewöhnlich hohen Meereshitze besorgt und rätseln: Wie kommt es zu diesen Rekordtemperaturen? Und welchen Anteil hat der Klimawandel?

    Inhalt

    Wie ist die aktuelle Situation in den Ozeanen?

    Erste Hinweise aus dem Jahr 2025 deuten in keine gute Richtung. Die Meerestemperaturen sind Ende Mai fast genauso hoch wie im Jahr 2023, als die Ozeane so warm waren wie nie zuvor in den vergangenen 65 Jahren. Das zeigt der Klimastatusbericht der Weltwetterorganisation WMO. In 90 Prozent der Ozeanregionen kam es demnach zu einer Hitzewelle – also einem starken Temperaturanstieg über einen kurzen Zeitraum. Bereits 2020, 2021 und 2022 lagen die Ozeantemperaturen deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.
    Im März 2023 wurde ein neuer Rekordwert erreicht: durchschnittlich 20,98 Grad Celsius, mehr als ein halbes Grad über dem üblichen Niveau für diese Jahreszeit. Im August stieg die Temperatur sogar auf 21,09 Grad. Zwar kühlten sich die Meere 2024 vorübergehend etwas ab, doch die Temperaturen lagen weiterhin deutlich über dem bisherigen Höchstwert aus dem Jahr 2016.

    Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf die Rekordtemperaturen?

    2024 war das weltweit wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Der menschengemachte Klimawandel ist der Hauptgrund für diese Entwicklung, auch für die Rekordtemperaturen in den Meeren, erklärt Klimaforscher Dirk Notz von der Universität Hamburg.
    Seit Jahrzehnten steigen die Temperaturen in der Atmosphäre durch Treibhausgase wie CO₂. Die Ozeane wirken dabei wie ein gigantischer Wärmepuffer: Rund 90 Prozent der überschüssigen Wärmeenergie gelangt ins Meer. Allein die oberen zehn Meter speichern laut Notz so viel Wärme wie die gesamte Atmosphäre.
    Durch Wind, Meeresströmungen und Gezeiten werden die Wassermassen gemischt und ständig in Bewegung gehalten. Dadurch wird die Wärme sowohl in größere Tiefen als auch von den wärmeren Regionen in Richtung der Pole transportiert. Je mehr Wärme das Meer aufnimmt, desto stärker steigen die Wassertemperaturen, zuerst an der Meeresoberfläche und dann in zunehmender Tiefe. „Die Meere nehmen im Moment in sechs Stunden so viel Wärme auf, wie ganz Deutschland an Energie in einem Jahr verbraucht“, sagt Notz.

    Was sind weitere Ursachen, die zur Erwärmung der Meere beitragen?

    Neben diesem langfristigen Erwärmungstrend treten immer wieder kleinere und größere Extremereignisse auf, erklärt Dirk Notz. Zu den Ursachen, die das Jahr 2023 zusätzlich aufgeheizt haben, zählen zum Beispiel das Klimaphänomen El Niño und eine Phase erhöhter Sonnenaktivität. Solche Einflüsse treten in regelmäßigen Abständen auf und können neue Temperaturrekorde begünstigen.

    Das Klimaphänomen El Niño

    El Niño entwickelte sich im Jahr 2023 und erreichte im September 2023 seinen Höhepunkt. Dieses natürliche Klimamuster tritt alle zwei bis sieben Jahre auf, dauert etwa zwölf Monate und führt zu einer Erwärmung im östlichen Pazifik. Es kann die Auswirkungen des Klimawandels verstärken. Doch El Niño allein könne nicht die Erklärung für die Rekordtemperaturen der Meere sein, erklärt Andreas Becker, Leiter der Klimaüberwachung beim Deutschen Wetterdienst DWD. Wäre das der Fall, hätte die Temperaturkurve später wieder deutlich nach unten gehen müssen. „Aber das hat sie nicht getan“, so Becker. „Gemeinsam waren 2024 und 2023 einfach komplett abgehobene Jahre.“

    Ausbruch eines Unterwasservulkans

    Auch der Ausbruch eines Unterwasservulkans im Jahr 2023 hatte einen Einfluss auf die Rekordtemperaturen. Doch selbst unter Berücksichtigung all dieser Faktoren lässt sich das extreme Ausmaß der Erwärmung nicht vollständig erklären. „Selbst wenn man das berücksichtigt, dann waren die Temperaturen ungefähr 0,2 Grad über dem, was wir zumindest im Mittel aus den Klimamodellen und aus anderen Erkenntnissen über den langfristigen Erwärmungszustand der Erde zu wissen glauben“, sagt Helge Gößling, Modellierer am Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung in Bremerhaven
    Ein ungeklärtes Plus von rund 0,2 Grad klingt zwar wenig, bedeutet aber bei der globalen Durchschnittstemperatur eine gewaltige zusätzliche Energiemenge. Die zentrale Frage lautet also: Woher kommt diese Wärme?

    Das Verschwinden der Wolken

    Ein möglicher Erklärungsansatz gewinnt zunehmend an Gewicht. Die Vermutung: In bestimmten Regionen, etwa über tropischen Ozeanen, nimmt die Wolkenbedeckung in niedriger Höhe ab, was zu mehr direkter Sonneneinstrahlung führt und damit zu einer zusätzlichen Erwärmung der Meeresoberfläche. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Luft über den Meeren plötzlich sauber war. Im Jahr 2020 senkte die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) der Vereinten Nationen den Schwefelgehalt im Treibstoff von Schiffen, wodurch die weltweiten Schwefelemissionen reduziert wurden.
    Die Maßnahme reduzierte zwar die Luftverschmutzung durch Schwefel, beseitigte aber auch den kühlenden Effekt der Schwefel-Aerosole. Diese fördern laut Klimaforscher Zeke Hausfather die Wolkenbildung und reflektieren Sonnenlicht. Durch den Rückgang dieser Partikel wurde ein Teil der zuvor verdeckten Erwärmung sichtbar.
    Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimaforschung kommt allerdings zu dem Schluss, dass die Erwärmung über dem Atlantik eher durch schwache Winde und eine schlechte Durchmischung der oberen Wasserschichten ausgelöst wurde. Auch Becker, Gößling und Hausfather sagen, dass weniger Schmutzteilchen in der Luft zwar etwas zur Erwärmung beigetragen haben, aber nicht der Hauptgrund für die zusätzlichen 0,2 Grad sind.

    Mehr Wärme führt zu weniger Wolken

    Ein zweiter möglicher Grund für weniger Wolken ist ein Rückkopplungseffekt: Mehr Wärme führt zu weniger Wolken und das wiederum zu mehr Wärme. Klimaforscher Zeke Hausfather erklärt, dass Klimamodelle meist zeigen, dass mit der Erderwärmung auch die Wolkenbedeckung und -reflexion abnehmen. Die Beobachtungen der letzten Jahre könnten ihm zufolge darauf hinweisen, dass das Klima empfindlicher auf CO₂ reagiert als bisher gedacht.
    Ein dritter möglicher Grund sind natürliche Schwankungen. Der Schweizer Klimaphysiker Jens Terha hat gezeigt, dass heutige Klimamodelle die extremen Temperaturen der Jahre 2023 und 2024 zwar nachbilden können, solche Ereignisse wären aber selbst im aktuellen Klima nur etwa alle 500 Jahre zu erwarten. Auch Klimaforscher Helge Gößling hält es für unwahrscheinlich, dass allein natürliche Schwankungen die Ursache sind. Er betont aber, dass noch unklar sei, welcher der drei Faktoren – Rückkopplung mit Wolken, weniger Aerosole oder natürliche Schwankungen – wie stark zur Erwärmung beigetragen hat. „Also was die Balance dieser drei Faktoren ist, das ist nach wie vor eine offene Frage und wirklich sehr wichtig zu beantworten in den nächsten Jahren“, so Gößling.

    Welche Auswirkungen hat die Erwärmung der Meere auf die Natur?

    Die Rekordtemperaturen haben vielfältige Auswirkungen auf die marine Lebenswelt. Durch die erhöhten Temperaturen sind beispielsweise die Seegraswiesen im Mittelmeer zunehmend gefährdet. Seegraswiesen bieten eine ökologische Nische für eine Vielzahl mariner Tierarten.
    Auch Korallen sind durch die Erwärmung stark bedroht. Im August 2024 stellten Forschende fest, dass die Wassertemperaturen am Great Barrier Reef in Australien auf einem Höchststand seit über 400 Jahren sind. Und es kommt immer öfter zu Massenbleichen.  
    „Das Ausmaß ist riesig“, sagt der Biologe Christian Wild. Das Phänomen an sich sei nichts Ungewöhnliches, aber die Häufigkeit und das Ausmaß hätten zugenommen – sodass die Nesseltiere wenig Zeit hätten, sich zu erholen. Bei dieser Geschwindigkeit könnten sie sich auch nicht den neuen Umweltbedingungen anpassen.
    Wenn die Ozeantemperaturen zu lange zu hoch bleiben, können die Korallen sterben. Die Riffe haben eine große Artenvielfalt. Sie beherbergen und ernähren rund ein Viertel des marinen Lebens, obwohl sie weniger als ein Prozent der Meeresböden bedecken. Christian Wild fordert, nicht nur den Klimawandel zu bekämpfen, sondern auch den Schutz der Riffe vor Überdüngung und Überfischung zu verbessern. Wissenschaftliche Ansätze könnten Korallen dabei helfen, sich besser an veränderte Bedingungen anzupassen.

    Sauerstoffmangel in den Tiefen der Meere

    Durch die geringere Dichte des warmen Oberflächenwassers wird die Durchmischung mit kälteren, tieferliegenden Wasserschichten erschwert. Gleichzeitig sinkt mit steigenden Temperaturen die Löslichkeit von Sauerstoff. Die Folge: Sauerstoffarme Zonen breiten sich aus, erklärt Geomar-Forscher Sunke Schmidtko. Diese Entwicklung verringere die Lebensräume vieler Arten.
    Besonders empfindlich seien Tiefseebewohner, die an stabile Bedingungen angepasst sind. „Wenn sich deren Lebensraum nur um ein halbes Grad Celsius verändert, kann das für gewisse Arten zu Konsequenzen führen und das dynamische und biologische System Ozean durcheinanderbringen“, sagt Schmidtko.

    Welche Folgen haben die warmen Meere auf uns Menschen?

    Die negativen Folgen für das marine Leben wirken sich auch direkt auf uns Menschen aus, etwa durch das Sterben der Korallenriffe. Als natürlicher Küstenschutz mildern sie die Wucht von Sturmfluten. Ihr Verlust würde die Folgen des steigenden Meeresspiegels deutlich verschärfen. Nach Schätzungen des Alfred-Wegener-Instituts sind weltweit rund 400 Millionen Menschen direkt oder indirekt auf Korallenriffe angewiesen, vor allem in Ländern des globalen Südens. Viele leben dort von Fischerei und Tourismus.
    Hinzu kommt der globale Meeresspiegelanstieg: Laut WMO-Bericht erreichte er 2023 den höchsten Stand seit Beginn der Satellitenmessungen im Jahr 1993. Verantwortlich dafür sind die Eisschmelze und die thermische Ausdehnung des wärmer werdenden Wassers. Warme Meere liefern außerdem zusätzliche Energie für Stürme und begünstigen Wetterextreme wie Hurrikans.

    Was erwartet uns in den kommenden Monaten?

    „Dadurch, dass wir es bislang nicht geschafft haben, die Treibhausgase zu reduzieren, werden sich die Ozeane weiter erwärmen“, sagt Sunke Schmidtko. Prognosen zeigen, dass die zunehmende Erwärmung der Meere auch bei uns in Europa zu verstärkten Extremwetterereignissen führen kann. Gerade das Mittelmeer und der Atlantik haben einen starken Einfluss auf das Wetter hierzulande. Je mehr sich die Meere aufheizen, desto höher ist die Verdunstung, was wiederum zu heftigeren Wetterphänomenen wie verstärkten Regenfällen, extremen Gewittern und Überschwemmungen führt.
    Erst kürzlich wurden Daten veröffentlicht, die unter der Trump-Regierung zurückgehalten worden waren. Sie zeigen: 2024 ist der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre deutlich stärker gestiegen als in den Jahren zuvor, obwohl die vom Menschen verursachten Emissionen nicht zugenommen haben. Viele Forschende vermuten, dass Wälder und Feuchtgebiete durch die Erderwärmung weniger CO₂ aufnehmen können als früher. Im schlimmsten Fall bedeutet das: CO₂ wirkt stärker als bisher angenommen und bleibt länger in der Atmosphäre. Der Kampf gegen die Erderwärmung wird dadurch noch schwieriger.
    „Selbst wenn wir jetzt aufhören würden zu emittieren, das 1,5-Grad-Limit ist gerissen, ist nicht mehr zu halten“, sagt Andreas Becker vom Deutschen Wetterdienst. Laut Becker könnte die 1,5-Grad-Grenze bereits zwischen 2028 und 2036 überschritten werden – „wenn es schlecht läuft, in drei Jahren. Und es läuft schlecht gerade.“

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