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Essstörungen im Sport
Ex-Radprofi Nerz: "Gewicht war wichtiger als Leistung"

Ex-Radprofi Dominik Nerz hat, um bessere sportliche Leistung zu bringen, sein Gewicht dermaßen kontrolliert, dass sein Körper nachhaltig geschädigt ist. Vor allem in ästhetischen Sportarten ist das Risiko groß.

Dominik Nerz und Petra Dallmann im Gespräch mit Marina Schweizer |
Dominik Nerz bei der Oman-Rundfahrt 2015.
Dominik Nerz bei der Oman-Rundfahrt 2015. (dpa / picture alliance / Kim Ludbrook)
Triggerwarnung:
Im folgenden Beitrag geht es um Esstörungen und um deren Folgen für die Betroffenen. Die Schilderung dieser Störungen kann belastend und retraumatisierend für Betroffene sein.
Begonnen hatten die Probleme als Dominik Nerz 2011 beim Team Liquigas-Cannondale unter Vertrag genommen wurde: "Ich war damals in einem italienischen Radteam und da kam der Mannschaftsarzt auf mich zu und meinte, wenn ich noch ein bisschen Gewicht verlieren könnte, wäre das schon gut", berichte der ehemalige Radrennfahrer im Deutschlandfunk. Vorher hatte sein Körpergewicht für ihn überhaupt keine Rolle gespielt.
Daraufhin habe ein schleichender Prozess stattgefunden, der Schritt für Schritt abgelaufen sei. Auf einmal habe das Gewicht eine enorme Bedeutung in seinem Leben erhalten. Und er habe gar nichts mehr gegessen. Er sei fixiert darauf gewesen, durch weniger Gewicht seine Leistung zu steigern und mit weniger Kilos im Sattel über die Berge zu fahren. "Ohne Nahrungsaufnahme ist der Leistungssport dann echt schwierig."

Viel Zuspruch für die Gewichtsabnahme

Im ersten Moment habe er einen kleinen Leistungssprung gemacht, dieser habe sich aber sehr schnell ins Gegenteil umgekehrt. "Das hat meinen Körper wirklich nachhaltig beschädigt", sagte Nerz, der in seiner Biografie "Gestürzt" über seine Magersucht, seine psychischen Probleme und in der Folge auch über sein Karriereende berichtet hat.
Tragisch sei auch gewesen, dass er viel Zuspruch von Betreuern und Kollegen bekommen habe. Diese hätten seine Disziplin, seine Konsequenz und seine Härte gegen sich selbst gelobt, erzählte er.
Für ihn sei es am Ende auch "eine Challenge" gewesen. "Ab einem gewissen Zeitpunkt war das Gewicht dann wichtiger als die Leistung für mich persönlich", sagte der 33-Jährige im Dlf.

Schlank und durchtrainiert als Voraussetzung

Petra Dallmann ist ehemalige Profischwimmerin und arbeitet mittlerweile als Psychiaterin, insbesondere für Sportler. Es sei problematisch, wenn man sich als Sportler den ganzen Tag über im knappen Schwimmanzug bewege. Dabei gebe es aber noch viel gefährdetere Sportarten, wie Eiskunstlauf oder die Rhythmische Sportgymnastik, wo das Schlanksein "absolut dazugehöre", sagte Dallmann im Dlf. "Die Kampfrichter setzen voraus, dass die Athletinnen alle schlank und durchtrainiert aussehen, auch völlig unabhängig von der Leistung."
Gerade bei Sportarten, wo es um die Einteilung von Gewichtsklasse gehe, sei das Gewicht für Athleten und Athletinnen von enormer Bedeutung. "Man schätzt, dass ungefähr 30 Prozent ein auffälliges Essverhalten haben. Bei ästhetischen Sportarten könnten bis zu 15 Prozent an einer Magersucht leiden, bei anderen Sportarten sind es nur zwei Prozent", sagte Dallmann.

Mit 27 Jahren kam das Karriereende

Bei Dominik Nerz überwogen am Ende seiner Karriere Schwindel und Orientierungsstörungen, auch hervorgerufen durch einige Stürze und Rennunfälle, so dass er seine Karriere als Radrennfahrer aus gesundheitlichen Gründen bereits im Alter von 27 Jahren beenden musste.
Trotz intensiver medizinischer Untersuchung habe Nerz die Abwärtsspirale nicht mehr stoppen können. "Das einzige was mir damals wirklich geholfen hätte, wäre eine psychologische Unterstützung gewesen", sagte er im Dlf.
Ärztin Dallmann riet Außenstehenden dazu, die Betroffenen bewusst anzusprechen und auf die Veränderung beim Gewicht hinzuweisen. "Das muss vom Umfeld angesprochen werden, wenn da eine deutliche Gewichtsabnahme vorliegt", sagte sie. Sie habe auch Trainer oder Sportmediziner erlebt, die ein Trainingsverbot für essgestörte Sportler ausgesprochen haben.
Wichtig sei bei der Thematik, auch in der Öffentlichkeit darzustellen, dass man als Athlet nicht alleine sei und es mehrere Sportler mit ähnlichen Problemen gebe.
Anbei finden Sie weitere Kontakmöglichkeiten für Betroffene BZGA Essstörungen und die Anlaufstelle für Leistungssportler Athletes in Mind von Petra Dallmann.