Frank Wormuth ist jemand, dem viele Fußballtrainer dankbar sind. Denn durch die Schule des Mannes, der zwischen 2008 und 2018 Leiter der Fußballlehrer-Ausbildung beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) war, ging so mancher Coach, der jetzt Rang und Namen hat. Bei ihm drückte sogar der aktuelle Bundestrainer die Schulbank: Julian Nagelsmann. 2016 schloss er den 62. Fußballlehrer-Lehrgang an der Hennes-Weisweiler-Akademie ab.
Nun steht Nagelsmann vor der größten Aufgabe seiner Karriere. Er soll der deutschen Nationalelf zu einer erfolgreichen Heim-Europameisterschaft (14. Juni bis 14. Juli 2024) verhelfen. Rund um die Testspiele gegen Frankreich und die Niederlande gab er sich aber gelassen: "Ich mag nicht dieses: 'Was passiert, wenn...?' Das bringt uns nichts. Da ist das Leben, das ist groß. Und da ist der Fußball, und der macht immer Spaß. Wenn es uns erdrückt, dann hören wir auf mit Fußball. Wir hatten viel Zeit zu diskutieren, was ist vonnöten. Man bekommt nicht sofort ein Feedback, ob es funktioniert."
Im Deutschlandfunk-Gespräch erklärte Nagelsmanns Ausbilder Wormuth dessen Kommunikation so: "Intern wird er sicherlich den Spielern andere Dinge erzählen, wie der Matchplan aussehen wird. Nach außen hin versucht er, den Menschen Vertrauen zu geben durch seine Lockerheit: Macht euch keine Sorgen, wir sind auf einem guten Weg."
Wormuth: Nagelsmann folgt einer "gewissen Logik"
Der langjährige Trainerausbilder des DFB lernte Nagelsmann über zehn Monate während des Lehrgangs kennen. Und bei Wormuth hinterließ der heutige Bundestrainer besonderen Eindruck durch seine Vielseitigkeit und Ausgeglichenheit unter Druck: "Das hat Julian immer wieder beherrscht – diese Balance zwischen Emotion zeigen und Ruhe bewahren. Seine Lockerheit, ab und zu mal ein Spruch und dann wieder die Ernsthaftigkeit, das hat er von Anfang an gehabt."
Nagelsmann scheut sich als Bundestrainer auch nicht, mutige und für manche überraschende Entscheidungen zu treffen. So krempelte er die DFB-Elf personell ordentlich um, nominierte für die letzten Testspiele gleich vier Akteure des VfB Stuttgart (Waldemar Anton, Deniz Undav und Maximilian Mittelstädt als Debütanten sowie Chris Führich) und nur einen Spieler von Borussia Dortmund (Niclas Füllkrug).
Für Wormuth, der zwischen 2010 und 2016 als deutscher U20-Nationaltrainer arbeitete, ist das nachvollziehbar: "Ich glaube, das ist auch eine gewisse Logik dahinter, nicht nur Mut. Wenn eine Leistung einer Mannschaft nicht stimmt, kommt irgendwann der Punkt, an dem ein Trainer Veränderungen schaffen muss. Als Nationaltrainer hast du natürlich große Möglichkeiten an Spielern, die du zum Lehrgang einladen kannst."
Auch Völler spielt eine Rolle für Nagelsmann
Dementsprechend folge die Nominierung von Überraschungskandidaten auch der Strategie, mit frischem Wind der Nationalelf nun den entscheidenden Schub zu geben, um auch wieder "das Volk hinter sich zu bekommen".
Außerdem fragte Wormuth rhetorisch: "Wovor soll er Angst haben? Vor der Öffentlichkeit? Da sichert er sich natürlich auch ab durch Gespräche, vor allem mit Rudi Völler, der ein fantastisches Standing in der Öffentlichkeit hat. Wenn Rudi Völler sagt, das ist super, das machen wir, verkauft Völler das auch in positivem Sinne – und er [Nagelsmann, d. Red.] hat hinter seinem Rücken Stärke und kann so auftreten."
Nagelsmann-Verlängerung vor der EM steht im Raum
Die Beziehung zwischen den Top-Funktionären und dem Bundestrainer stimmt offenbar. Kommt es deshalb sogar schon vor der EM zur Verlängerung des Nagelsmann-Vertrags, der eigentlich nach der WM ausläuft? DFB-Präsident Bernd Neuendorf sagte jüngst: "Julian hat gesagt, dass er vor dem EM-Turnier gerne Klarheit über seine Zukunft möchte. Einem solchen Wunsch werden wir uns sicher nicht verschließen."
Man habe "den Trainer und Menschen Julian Nagelsmann in relativ kurzer Zeit kennen- und schätzen gelernt", erklärte Neuendorf: "Er identifiziert sich voll mit seiner Aufgabe und mit dem Verband und legt eine große Leidenschaft an den Tag."
Frank Wormuth kann sich eine Verlängerung Nagelsmanns vorstellen. Der 63-Jährige sagte im Dlf-Interview: "Jetzt vor der EM einen Vertrag zu verlängern, klingt für mich auch logisch, wenn man überzeugt ist vom Trainer." Dabei machte Wormuth allerdings auch darauf aufmerksam, dass nicht alleine Nagelsmann für den sportlichen Erfolg bei der EM verantwortlich sei: "Auf dem Platz stehen die Spieler. Die sind erwachsen und erfahren genug, auch ein Spiel selbst lesen und Entscheidungen treffen zu können."
Aufgabe des Bundestrainers sei es, die Spieler zusammenzubringen: "Die Stärken eines Spielers müssen immer die Schwächen eines anderen Spielers kompensieren."
jti