Geoengineering
Können wir nicht einfach die Sonne verdunkeln?

Der Menschheit gelingt es nicht, die CO2-Emissionen in ausreichendem Maße zu reduzieren. Könnte man also stattdessen das Klima mit Geoengineering technisch manipulieren? Wissenschaftler warnen eindringlich davor.

    Ein Sonnenuntergang in tiefem Rot
    Dunkler, glühender Sonnenuntergang. Könnte eine dunklere Sonne das Klima positiv beeinflussen? Die Wissenschaft ist sich uneins - und warnt vor Risiken. (imago / Chromorange / Besa Art)
    Spiegel im All, künstliche Wolken am Himmel oder kleine Partikel in der Stratosphäre könnten die Wärme der Sonne teilweise abfangen, riesige Plastikplanen könnten die Meeresströmungen manipulieren und dadurch Gletscher schützen: Es gibt viele Ideen, wie mittels Geoengineering das Klima manipuliert werden könnte. Sie alle haben eines gemeinsam: Die Forschung dazu steckt in den Kinderschuhen und die Risiken sind noch kaum abzuschätzen.
    Aber das Interesse an Geoengineering steigt – auch weil der konventionelle Klimaschutz nicht ausreichend vorankommt. Viele Wissenschaftler meinen inzwischen, dass die Menschheit das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr erreichen kann.

    Was ist Geoengineering?

    Wenn Menschen in großem Maßstab gezielt in die Kreisläufe der Erde eingreifen, dann spricht man von Geoengineering. Meist ist das Ziel dabei, das Klima zu beeinflussen. Wie das gehen könnte, dazu gibt es viele unterschiedliche Ideen, eines haben sie alle gemein: Die Forschung weiß noch ziemlich wenig darüber, ob sie wirken – und insbesondere auch kaum etwas über mögliche Nebenwirkungen. Die Ideen sind also mit großer Vorsicht zu betrachten.
    Könnte ein riesiger Plastikvorhang Gletscher in Grönland schützen? Das prüfen Forscher der Universität in Lappland. Die Idee dahinter: das immer wärmer werdende Wasser des Ozeans von den Gletschern fern zu halten. Das soll mit etwa 20 Meter breiten Plastikplanen geschehen, die sie dazu am Meeresboden befestigen wollen. Das soll die Gletscher schützen und dafür sorgen, dass der Meeresspiegel nicht weiter ansteigt. Kritiker zweifeln jedoch, ob dies wirklich wirksam ist.
    Die Vorschläge zum Geoengineering reichen bis zu gentechnisch veränderten Pflanzen, die so modifiziert werden sollen, dass sie mehr Sonnenlicht ins All reflektieren. Die meisten Vorschläge fallen allerdings in zwei Gruppen:
    Negative CO2-Emissionen: Über Jahrzehnte haben die Menschen die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre erhöht und damit – anfangs ohne das zu wissen – eine Klimakrise verursacht. Nun soll das Kohlendioxid, das in großen Mengen aus fossilen Quellen freigesetzt wurde, wieder entfernt werden.
    Strahlungsmanagement: Viele Ideen zur Manipulation des Klimas setzen an der Sonne an, denn die Sonnenstrahlung ist für die Temperaturen auf der Erde natürlich ein zentraler Faktor.

    Wie könnte die Sonne verdunkelt werden?

    Eine Idee ist, Partikel in die Stratosphäre zu bringen, die dort dann Teile der Sonnenstrahlung abfangen. Dafür kommen einige Stoffe in Frage, beispielsweise Schwefel, Calciumcarbonat oder auch Aluminium. Die Stoffe könnten über Ballons in die Stratosphäre gebracht werden.
    Dass dies zumindest theoretisch die globale Durchschnittstemperatur senken kann, ist bekannt. Denn die Methode ahmt einen natürlichen Vorgang nach: Man simuliert damit im Grunde einen Vulkanausbruch. Dabei schleudern Vulkane ihre Partikel in die Stratosphäre. Die Folge: Die Temperaturen sinken tatsächlich. Als 1991 der Pinatubo ausgebrochen ist, sackte im Jahr danach die globale Durchschnittstemperatur am Boden um ein halbes Grad ab. Der Effekt hielt etwa zwei Jahre an.
    Als im Jahr 1815 der Vulkan Tambora auf der Insel Sumbawa im heutigen Indonesien ausgebrochen ist, fiel die globale Durchschnittstemperatur nach Schätzungen sogar um bis zu 0,8 Grad Celsius. Die Folgen waren damals allerdings katastrophal: Sommerfröste, Dürren und Sturzregen sorgten über lange Zeit für heftige Ernteeinbußen und Hungersnöte. Das veränderte Klima brachte zudem unter anderem auch die Ökologie im Ganges-Brahmaputra-Delta durcheinander. Dies begünstigte die Entstehung eines neuen Cholera-Stamms - weltweit starben Millionen Menschen.
    Die ersten Partikel wurden schon freigelassen
    Im April 2022 hat ein Start-up-Gründer aus den USA erstmals gezielt Partikel in die Stratosphäre gebracht. Luke Iseman ließ zwei Wetterballons aufsteigen, die in einer Höhe von etwa 30 Kilometern platzten und die Schwefelpartikel in ihrem Inneren in die Stratosphäre entließen. Die Ballons selbst fielen als leere Hülle zu Boden. Die freigesetzte Menge war allerdings verschwindend gering und wird keinen nachweisbaren Effekt haben.
    Iseman hat damit allerdings eine Grenze überschritten, an der Wissenschaftler bisher gescheitert waren: Er hat gezielt Partikel ausgebracht. Ein Forscherteam der Universität Harvard hatte für den Sommer 2021 den Start eines Ballons mit Partikeln an Bord geplant – das Projekt war aber an Widerstand aus der Zivilgesellschaft gescheitert.

    Warum sehen viele Wissenschaftler Geoengineering skeptisch?

    Der Weltklimarat hat in seinen Publikationen jedoch schon mehrfach betont, dass Methoden zur Abwehr der Sonnenstrahlen beim Klimaschutz nicht die zentrale Strategie sein könnten. Sie sollten diese höchstens ergänzen. Auch seien sie noch zu wenig erforscht und sehr riskant.
    Unsicher sei sich die Wissenschaft auch noch, wie sich eine geringere Sonnenstrahlung auf die Landwirtschaft und die Ökosysteme verschiedener Regionen auswirken würde. Auch die Folgen für die Gesundheit der Menschen sei unklar. Manche Partikel könnten die Ozonschicht angreifen. Damit stiege das Risiko von Hautkrebs.
    Immerhin ist wissenschaftlich inzwischen gut abgesichert, dass solche künstlichen Vulkanausbrüche manche Effekte des Klimawandels einhegen könnten – aber längst nicht alle. Man könne die globale Durchschnittstemperatur vermutlich senken, doch saisonale oder lokale Klimafolgen seien nicht abfangbar und die Folgen auf der regionalen Ebene ohnehin bisher kaum abzuschätzen, schreibt der Weltklimarat.
    Dieser nennt auch ein weiteres Problem: Die Partikel müssten regelmäßig neu in die Stratosphäre gebracht werden, weil sie aus dieser entweichen. Nur etwa ein bis drei Jahre bleiben sie dort erhalten. Danach schwindet auch der Effekt.
    Auch soziale und politische Risiken
    Der Ökonom Gernot Wagner von der Columbia Business School (USA) weist auf ein weiteres Risiko von Geoengineering hin. Geoengineering könne dazu verlocken, dass die Gesellschaft ihr Verhalten doch nicht ändere, dass es eigentlich keine Klimapolitik, sondern nur Geoengineering brauche. Wagner warnt vor dieser falschen Hoffnung auf eine einfache Lösung der Klimakrise. Wichtige und zeitkritische Maßnahmen zum Schutz des Klimas würden nicht rechtzeitig ergriffen: „Diese moralische Gefahr ist tatsächlich die größte“, sagte Wagner im Deutschlandfunk.
    Auch politisch birgt Geoengineering ein großes Risiko: Das Klima manipulieren zu können, wäre ein mächtiges Werkzeug. Im schlimmsten Fall ließen sich das auch als Waffe einsetzen. Darauf weist auch der Weltklimarat hin. Verschiedene Länder hätten teilweise ganz unterschiedliche nationale Präferenzen für klimaverändernde Maßnahmen. Wenn ein Land nun im Alleingang die Temperatur über Partikel in der Stratosphäre stärker senkt als es für andere Länder optimal ist, könnten diese gezielt Stoffe freisetzen, die die Erde im Gegenzug wieder aufheizen. Ein regelrechter Krieg ums Klima wäre die Folge.

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    Um Geoengineering sinnvoll anwenden zu können, müsste es gelingen, dass nationale Interessen zurückstecken, sagte Wagner. Die Kontrolle über die Maßnahmen müsse auf globaler Ebene also beispielsweise bei den Vereinten Nationen ansiedeln. Das sei allerdings schwer umzusetzen. Realistischer seien wohl nationale Alleingänge.

    Wird Geoengineering bereits genutzt?

    Tatsächlich gibt es eine Methode des Geoengineerings, die ziemlich unumstritten ist: Kohlendioxid aus der Atmosphäre filtern. Damit sollen die Ausstöße der vergangenen Jahrzehnte sozusagen rückgängig gemacht werden, man spricht daher auch von negativen Emissionen. Der Weltklimarat geht schon länger davon aus, dass das 1,5-Grad Ziel ohne negative Emissionen nicht mehr zu erreichen ist.
    Noch steht man allerdings ganz am Anfang was technische negative Emissionen betrifft. Die wenigen bestehenden Anlagen arbeiten noch in relativ kleinem Maßstab. Sie müssen weiterentwickelt, wesentlich effizienter gemacht und für einen großflächigen Einsatz aufgebaut werden. Die derzeit größte betriebene Anlage in Island soll 4.000 Tonnen CO2 pro Jahr abscheiden und in Speicher in die Erde pressen können. Der Betreiber Climeworks geht davon aus, diese Menge jährlich verzehnfachen zu können.
    (Quellen: Weltklimarat (IPCC), Tomma Schröder, Manuel Waltz, Dagmar Röhrlich, Volker Mrasek, pto)