Sonntag, 28. April 2024

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Globale Verteilung von Corona-Impfstoff
Impfgerechtigkeit bleibt eine Illusion

Der Plan der Weltgesundheitsorganisation für eine faire globale Verteilung von Corona-Impfungen gilt schon als gescheitert. Die Industriestaaten beanspruchen einen Großteil der Impfdosen für sich, zu Lasten der ärmeren Länder in Afrika oder Lateinamerika, die beim Impfschutz weit hinterherhinken.

Von Anne Demmer, Marc Engelhardt und Dunja Sadaqi | 02.02.2021
Eine ältere Marokkanerin erhält eine Impfung gegen Covid-19 in einem Impfzentrum in Sale in der Nähe von Rabat
Eine ältere Marokkanerin erhält eine Impfung gegen Covid-19 in einem Impfzentrum im marokkanischen Sale (FADEL SENNA / AFP)
Nachdem sie seit November vergangenen Jahres immer wieder angekündigt und verschoben worden war, startete die Impfkampagne im marokkanischen Königreich nun offiziell Ende Januar. Als Erster wurde medienwirksam Marokkos König, Mohammed VI., geimpft.
"Ich schütze mich, ich schütze mein Land" lautet das Motto. Die Impfungen sind kostenlos. Die ersten Dosen sollen Angestellte über 40 Jahre im Gesundheitswesen erhalten sowie Beamte, Militärpersonal und Lehrkräfte über 45 Jahre. Außerdem Menschen über 75, die in Corona-Hotspots leben. Über eine staatliche Website können sie jetzt Impftermine vereinbaren und im Nachhinein mögliche Nebenwirkungen melden. Auch der 51-jährige Familienvater Abdelouahed Derouich aus Rabat wartet sehnsüchtig auf die Impfung.
"Sicher will ich mich impfen lassen und möchte auch, dass alle in meiner Familie das tun. Die letzten Monate waren ziemlich schwierig für uns. Mehrere Freunde und Familienmitglieder waren betroffen. Einige Seelen haben wir leider auch an das Virus verloren. Das Sozialleben ist sehr schwierig geworden, auch bei der Arbeit - nichts ist wie vorher."
Marokko hatte zum Ausbruch der Pandemie im März die Schotten dichtgemacht. Grenzen, Schulen, Geschäfte - ganze Städte abgeriegelt - mit Panzern, Checkpoints und Sicherheitskräften auf den Straßen. Allgemeine Maskenpflicht. Nur mit behördlicher Genehmigung konnten die Menschen das Haus verlassen. Marokko gehörte im weltweiten Vergleich zu den Ländern, die eine besonders harte Ausgangssperre verhängten.

Marokko von zweiter Welle hart getroffen

Laut offiziellen Zahlen haben sich dort rund eine halbe Million Menschen mit dem Coronavirus angesteckt, mehr als 8000 sind gestorben. Die Zahlen wirken im Vergleich zu weltweiten Corona-Hotspots überschaubar. Die zweite Welle trifft das marokkanische Königreich trotzdem härter: Es fehlt Personal, die marokkanische Ärztevereinigung spricht von 32.000 fehlenden Ärzten. Die jetzt lancierte Impfkampagne macht vielen Hoffnung auf ein normales Leben. Virologe Moustafa Ennaji ist optimistisch.
"Wir wissen, dass die Impfkampagne drei Monate, also zwölf Wochen in vier Etappen, andauern soll. Es soll mindestens 200.000 Impfungen pro Tag geben - das ist gigantisch. Mit der Verspätung der Impfdosen glaube ich, dass das normale Leben allmählich ab dem 01. Juni beginnen könnte."

Bangen um genügend Impfdosen

Allerdings: Nur dann, wenn mit den Impflieferungen alles klappt. Der Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca und der chinesische Impfstoff Sinopharm sollen in Marokko zum Einsatz kommen. Mit Chinas Hilfe sollte Marokko sogar für den afrikanischen Kontinent produzieren. Doch dazu ist das Land derzeit nicht in der Lage. Marokko kämpft wie viele afrikanische Staaten um Impfdosen. Ein Trauerspiel, sagt Azeddine Ibrahimi. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Covid-19 Komitees in Marokko.
"Alle Impfdosen, die derzeit produziert werden, sind bereits verkauft - denn die Amerikaner, die Europäer haben mehr gekauft, als sie brauchen. Der Großteil der Impfstoffe ist von den reichen Ländern gekauft worden."
Gut 200.000 von 35 Millionen Menschen in Marokko sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums inzwischen geimpft. Insgesamt zwei Millionen Dosen stehen in dem Land aktuell bereit. Zum Vergleich: In Deutschland sind schon jetzt gut zwei Millionen Menschen mit der ersten Dosis geimpft worden. So wie jetzt, mussten sich viele afrikanische Staaten schon einmal hinten anstellen. Beim Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 waren viele Hygieneprodukte und Medikamente zum Kampf gegen das Virus schwer oder gar nicht mehr erhältlich. Je länger die rund 1,3 Milliarden Menschen auf dem afrikanischen Kontinent auf einen Impfstoff warten müssen, desto gefährlicher, sagt Azeddine Ibrahimi.
"Je mehr sich das Virus in Afrika ausbreiten kann, desto größer ist die Gefahr, dass sich neue Virusvarianten entwickeln, gegen die die heutigen Impfungen nicht wirken."

Politische Konflikte als weitere Impfbremse

Die Impfkampagnen auf dem Kontinent sind eine Herausforderung. Und das, obwohl viele Staaten Erfahrungen mit flächendeckenden Impfkampagnen haben - gegen Polio und Masern zum Beispiel, erklärt der Arzt Muktar Muhammad, der in Nigeria in der nationalen Covid-19-Task Force für den ländlichen Raum zuständig ist. Zu der Schwierigkeit, große Teile der Bevölkerung möglichst schnell mit neuen Vakzinen zu impfen, kommt in Ländern wie Nigeria die schwierige Sicherheitslage hinzu.
"Die Herausforderung ist, Impfungen zu lagern und es logistisch zu schaffen, sie in schwierige Regionen zu transportieren. Im Norden des Landes gibt es Dörfer, die wir wegen Konflikten nicht so einfach erreichen können und wir können nur in Gegenden impfen, wo das Leben des medizinischen Personals nicht in Gefahr gerät."
Die Konflikte, von denen Muhammad spricht, spitzen sich zu. Terrormilizen wie Boko Haram in Nigeria haben Millionen Menschen zu Vertriebenen im eigenen Land gemacht, viele leben in überfüllten Flüchtlingscamps. Bislang hat das Impfen in Afrika auch deshalb nur in wenigen Staaten überhaupt begonnen. Die Afrikanische Union hat für ihr Impfprogramm Avatt 270 Millionen Dosen für den Kontinent bestellt. Zum Vergleich: Die EU hat mehr als eine Milliarde bestellt.
Zwar haben sich die Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation WHO grundsätzlich dazu bekannt, den raren Impfstoff global gerecht zu verteilen. Doch das alleine sichert noch keinen Zugang, wie WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus vor zwei Wochen in Genf erklärte.
"Während sie vom gerechten Zugang sprechen, ziehen manche Staaten doch bilaterale Absprachen mit Impfstoffherstellern vor. Sie versuchen sich vorzudrängeln und treiben so die Preise in die Höhe."

Düstere Impfprognose für ärmere Länder

Als Tedros diese Worte sprach, waren weltweit 39 Millionen Menschen gegen Covid-19 geimpft - in 49 Ländern, die fast alle zu den reichsten der Welt gehören. Weit vorne: Israel und Großbritannien, die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate, dahinter viele Länder der Europäischen Union. In Afrika dagegen waren es an diesem Tag 25 - nicht Millionen oder Tausend, wie Tedros versicherte, sondern genau 25.
"Um es ganz klar zu sagen: Die Welt steht vor einem moralischen Versagen katastrophalen Ausmaßes, und der Preis dafür werden Menschenleben und Existenzen in den ärmsten Ländern der Welt sein."
Eine düstere Prognose, die der britische Thinktank Economist Intelligence Unit stützt. Der Thinktank sagt voraus, dass Impfungen für die breite Bevölkerung in den meisten Ländern Afrikas, aber auch in armen Staaten Zentral- und Südostasiens frühestens im April 2022 beginnen werden, wenn nicht erst 2023.

Reiche Staaten umgehen Covax-Fonds

Dabei hatte die WHO schon seit dem Sommer 2020 alles für eine gerechte Impfstoffverteilung vorbereitet. Die Idee war bestechend einfach: Alle Staaten der Welt sollten in einen gemeinsamen Fonds einzahlen, der Covax genannt wurde. Mit diesem Geld sollte dann gebündelt Impfstoff für alle eingekauft werden. Dieser Plan aber ging nicht auf, weil reiche Staaten lieber bilaterale Verträge schlossen. Der Chef der Globalen Impfallianz GAVI, Seth Berkley:
"Wir sind nicht glücklich. Wir hätten uns gewünscht, dass die Impfungen auf der Nord- und der Südhalbkugel parallel beginnen, aber das ist uns nicht gelungen. Unsere größte Herausforderung ist die, genügend Impfdosen zusammenzubekommen, um möglichst bald nachzulegen."
Bewaffnete Sicherheitskräfte vor einem Kühlcontainer mit zehn Millionen Dosen des Covid-19-Impfstoffes Sinovac bei der Ankunft in der Fabrik von Bio Farma in Bandung, Indonesien on February 2, 2021.
Begehrte Ware in ärmeren Ländern - Sicherheitskräfte vor einem Kühlcontainer mit Covid-19-Impfstoff in Bandung, Indonesien (Timur Matahari / AFP)
Berkley will vor allem erreichen, dass 92 Staaten, unter ihnen die ärmsten der Welt, die Impfung bekommen - bezahlt aus dem Covax-Fonds. Sein Plan sieht vor, in diesem Jahr 1,8 Milliarden Dosen für bedürftige Länder zu sichern. Das würde für mehr als ein Viertel der dortigen Bevölkerung reichen. Allerdings ist das nötige Geld noch nicht zusammengekommen. Und zugesagt sind bislang erst 150 Millionen Dosen von AstraZeneca sowie weitere 40 Millionen von Pfizer-BioNTech. Zu wenig, erklärt Elisabeth Massute von Ärzte ohne Grenzen.
"Das sind zwei Prozent der Produktion, die die Firmen leisten können, 2021 und '22. Das heißt, der Großteil der Weltbevölkerung kriegt den kleinsten Teil von dem, was eigentlich produziert werden könnte. Und das ist aus unserer Sicht nicht der Weg für eine effektive Eindämmung der Pandemie."
Viele arme Länder setzen deshalb jetzt so wie Marokko auf Impfstoffe, deren Zulassung durch die WHO noch aussteht – etwa Sinopharm aus China oder Sputnik V aus Russland.
Ein Fläschchen mit dem russischen Impfstoff Gam-COVID-Vak (Sputnik V) gegen COVID-19 steht im Krankenhaus Nr. 4 in Sotschi
Fachpublikation bescheinigt russischem Impfstoff Sputnik V hohe Wirksamkeit
Dass in Russland mit Sputnik V geimpft wurde, noch bevor die klinische Studie abgeschlossen war, stieß auf viel Kritik. Ein Zwischenbericht in der renommierten Fachzeitschrift "The Lancet" nährt aber die Hoffnung, dass ein neues, wirksames Vakzin im Kampf gegen Covid-19 zur Verfügung steht.
Massute fordert von der EU, Teile des von ihnen reservierten Impfkontingents zugunsten armer Länder abzutreten. Mit den bestellten Impfungen könne die EU derzeit jeden Bürger, jede Bürgerin vier Mal impfen, während andere zu kurz kämen. Für die Zeit der Pandemie will Massute zudem die geistigen Eigentumsrechte auf Covid-Impfungen, Medikamente und Masken aussetzen – ein Vorstoß der Regierungen Südafrikas und Indiens. Mit Enteignung habe das nichts zu tun, erklärt Massute.
"Wir haben im vergangenen Jahr gesehen, dass allein in die Impfstoffentwicklung 86,5 Milliarden Euro investiert wurden. Das ist richtig, das ist wichtig. Aber aus unserer Sicht ist es dann natürlich auch richtig und wichtig zu sagen: Die öffentliche Hand knüpft Bedingungen an diese öffentlichen Gelder, Steuergelder, die investiert werden, um zu sagen, das Produkt, das am Ende rauskommt, ist bezahlbar und zugänglich."
Es scheint so, als seien viele Industrieländer derzeit bereit, sich gegenseitig zu überbieten, um möglichst schnell an die begehrten Impfstoffdosen zu kommen. Zur Freude der Hersteller, wie WHO-Chef Tedros durchblicken lässt.
"Die Situation wird dadurch erschwert, dass die meisten Hersteller die Impfzulassungen zunächst in den Ländern beantragt haben, wo sie die größten Profite erwarten können, und nicht global bei der WHO. Das verzögert die Covax-Lieferungen und schafft genau die Lage, die Covax eigentlich verhindern sollte: einen chaotischen Markt, ein unkoordiniertes Vorgehen gegen das Virus und eine anhaltende soziale und wirtschaftliche Zerreißprobe."
Eine Einwegspritze und Impfdosen mit Impfstoff zur Injektion mit einer Kanüle.
Covax soll weltweiten Zugang zu Corona-Impfstoffen sichern
Viele reiche Länder sichern sich seit Monaten Hunderte Millionen Dosen potenzieller Impfstoffe von verschiedenen Herstellern. Entwicklungsländern droht das Nachsehen. Die neu errichtete Impfstoffplattform Covax soll Abhilfe schaffen, doch von einer weltweiten Teilhabe ist man noch weit entfernt.
Dessen ungeachtet kommt die Entwicklungshilfeorganisation ONE in einer Untersuchung der Impfverträge zu dem Schluss, dass derzeit kein einziges Land und kein einziger Hersteller eine global gerechte Verteilung von Impfstoffen priorisiert.
Das könne den Westen auch wirtschaftlich noch teuer zu stehen kommen. Denn die global vernetzte Wirtschaft der Industrieländer ist für die Auswirkungen der Pandemie im Rest der Welt besonders anfällig. Die 280 Millionen Dosen etwa, die über Covax in diesem Jahr nach Lateinamerika gehen sollten, würden sich also auch volkswirtschaftlich rechnen - vor allem aber eine Not lindern, die die Menschen auf die Straße treibt.

Hohe Infektionszahlen in Mexiko

Rund 50 Ärzte und Krankenschwestern haben sich vor einem Krankenhaus im Süden von Mexiko-Stadt versammelt, sie blockieren die Straße, tragen Plakate vor sich her. "Wir wollen geimpft werden", skandieren sie. Ihre Wut richtet sich gegen den Krankenhausdirektor, er soll ihnen Rede und Antwort stehen. Auch Uriel Ribas ist unter den Demonstranten.
"Wir protestieren hier, weil es jetzt schon keine Impfungen mehr für uns gibt, obwohl wir unmittelbar mit COVID-Patienten zu tun haben. Einige von uns haben die erste Impfung schon bekommen, aber wir brauchen eine weitere, damit der Schutz seine volle Wirkung entfaltet. Wir brauchen die Impfung, damit wir weiterarbeiten können."
Mitarbeiter des Gesundheitswesens in einer Schlange vor einer Covid-19-Impfstation in einem Militärkrankenhaus in Mexiko-Stadt
Dramatische Lage in Mexiko-Stadt - Mitarbeiter des Gesundheitswesens vor einer Covid-19-Impfstation (AFP / PEDRO PARDO)
Uriel Ribas ist Krankenpfleger. Der 31-jährige nimmt als Pfleger Proben von COVID-Patienten. Er ist täglich dem Risiko ausgesetzt, sich anzustecken. Viele seiner Kolleginnen und Kollegen in Mexiko sind an dem Virus gestorben. Laut offiziellen Zahlen waren es im letzten Jahr seit Beginn der Coronakrise 2470 Mitarbeiter aus dem Gesundheitsbereich. Damit führt das Land zusammen mit den USA einen traurigen Rekord weltweit an. Zwar steht das Gesundheitspersonal in Mexiko wie in vielen anderen Ländern auch ganz oben auf der Prioritätenliste für die Impfung. Doch die Realität sehe anders aus, meint der Pfleger.
"Leute, die beispielsweise von zu Hause arbeiten, die überhaupt nicht mit COVID-Patienten in Kontakt sind, die haben bereits beide Impfungen bekommen, Personal aus der Verwaltung oder auch von der Gewerkschaft."
Die Krankenhausleitung sei korrupt, sagt er. Der gesamte Prozess chaotisch. Dabei ist die Not groß. Mexiko hat Indien als Land mit den drittmeisten offiziell registrierten Toten infolge der Pandemie abgelöst. Mehr als 156.000 Menschen sind am Coronavirus gestorben. Die Krankenhäuser sind am Limit. Es gibt kaum freie Betten.

Korruption und Chaos bei der Impfverteilung

Der Rettungssanitäter Rodolfo Pelayo Nieto schiebt mittlerweile doppelte Schichten. Er selbst hat bereits zwei Impfungen bekommen und ist sehr froh darüber. Dass allerdings in Campeche, einem Bundesstaat im Süden Mexikos mit vergleichsweise niedrigen Fallzahlen, bereits Lehrer geimpft werden, empfindet er als Provokation.
"Das macht doch wirklich keinen Sinn. Aber solche Entscheidungen werden ganz oben getroffen. Diese Leute haben doch keine Ahnung von dem, was in den Krankenhäusern wirklich passiert."
Trotzdem gehört Mexiko nun zu den ersten Ländern in Lateinamerika, die mit dem Impfprozess begonnen haben. Mexiko versucht, sich möglichst breit aufzustellen: In mexikanischen Medien ist die Rede davon, dass bereits in der nächsten Woche die ersten 200.000 Einheiten des russischen Impfstoffs Sputnik V geliefert würden - sofern er am Ende wirklich zugelassen wird. Generell sei der Zeitplan für die Impfungen allerdings zu ambitioniert und somit unrealistisch, sagt der Top-Virologe Alejandro Macías, der schon während der Schweinegrippe zum führenden Experten wurde.
"Wir sollten bis April fünf Millionen Dosen von BioNTech und Pfizer bekommen, was uns den Übergang zur Impfung mit AstraZeneca erlaubt hätte, da hat Mexiko bereits den Zuschlag für mehr als 70 Millionen Dosen bekommen. Doch nun kommt die Lieferpause von Pfizer. Am Ende werden wir die gesteckten Ziele nicht erreichen, der Impfstoff reicht nicht aus, noch nicht einmal, um komplett das Gesundheitspersonal zu impfen, die zur ersten Gruppe gehören."
Anke Döring, Internistin im Städtischen Klinikum Dresden, hält im Impfzentrum für Mitarbeiter ein Injektionsfläschchen mit dem Impfstoff gegen Corona in den Händen. Am Montag haben die Corona-Impfungen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer im Städtischen Klinikum für medizinisches Personal in den Hochrisikobereichen und den Covid-19-Stationen begonnen.
Corona-Impfstoffe in der Übersicht
Im Wettlauf um die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs melden immer weitere Unternehmen vielversprechende Ergebnisse. Die EU-Behörde EMA hat bisher drei Stoffe zugelassen – von Biontech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca. Wie sie wirken und welche Impfstoff-Kandidaten es noch gibt – ein Überblick.
Sobald AstraZeneca in Mexiko erhältlich ist, könnte es schneller gehen. Doch das Unternehmen hat schon mit der Lieferung in die EU Probleme. Für Mexiko hat dieser Impfstoff einen entscheidenden Vorteil: Denn er benötigt nur Kühlschranktemperaturen. Auf diese Weise gebe es auch in ländlichen Regionen kein Problem.
Vorausgesetzt, die Menschen wollen sich überhaupt impfen lassen. Die Bewohner der Dorfgemeinschaften in der Nähe der archäologischen Maya-Stätten von Palenque stehen einer möglichen Impfung aber eher skeptisch gegenüber, berichtet Maria, die für eine kleine, lokale NGO arbeitet. Vor einigen Wochen sei das Militär in den Dörfern aufgetaucht, mit langen Listen, in denen sich die Bewohner eintragen sollten. Es gebe kein Vertrauen, meint Maria.
"Sie fragen sich, was die Sicherheitskräfte damit zu tun haben. Wir sind keine Kriminellen, wir sind keine Gauner, sagen sie. Sie verstehen gar nicht, was das soll. Sie wollen sich nicht impfen lassen."

Nationalgarde als Antwort auf Klinik-Proteste

Die Sicherheitskräfte der Nationalgarde haben die Koordinierung für die Impfstoffverteilung übernommen. Für den Pfleger Uriel Ribas, der weiter vor seinem Krankenhaus protestiert, eine Fehlentscheidung.
"Seit dem Antritt dieser Regierung erfährt das Land eine Militarisierung. Die Nationalgarde übernimmt auch zivile Funktionen, für die sie nicht geeignet ist, über keine Erfahrungen verfügt. Deswegen laufen Dinge auch so desaströs ab."
Während er das erzählt, hält er sein Plakat hoch: Wir wollen geimpft werden. Seine Forderung wird an diesem Tag von der Klinikführung ignoriert. Bis in Mexiko 60 Prozent der Bevölkerung geimpft und die sogenannte Herdenimmunität erreicht sein wird, wird es laut Prognosen des Thinktanks Economist Intelligence Unit noch lange dauern: Voraussichtlich eineinhalb Jahre.
Für die meisten afrikanischen Länder ist die Vorhersage noch düsterer - frühestens ab 2023 könnte es dort so weit sein. Auf ihre Kosten impfen die Länder, die schon in diesem Jahr die wichtige Quote erreichen könnten: Großbritannien und die USA, Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Staaten der Europäischen Union.