Mittwoch, 31. Mai 2023

Gebäudeenergiegesetz
Was Habecks Pläne für klimafreundlichere Heizungen beinhalten

Ab 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das Vorhaben ist ambitioniert. Im Koalitionsvertrag war das ursprünglich erst für 2025 vereinbart. Und es gibt noch viele Fragen.

24.05.2023

    Altes Heizungsventil im Bad einer renovierungsbedürftigen Wohnung
    Heizkörper werden noch lange mit fossilen Energieträgern laufen - doch ab 2024 soll der Anteil der erneuerbaren Energieträger überwiegen. (picture alliance / FotoMedienService / Ulrich Zillmann)
    Der Gesetzentwurf für neue Vorgaben für Heizungen ist ein Kernstück grüner Politik. Mit der Entlassung von Staatssekretär Patrick Graichen aus dem grün geführten Wirtschaftsministerium wird nun auch innerhalb der Koalition Kritik an Inhalt und Zeitplan der geplanten Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) laut. Diese trägt Graichens Handschrift.
    Der gemeinsame Entwurf von Bundeswirtschafts- und Bundesbauministerium ist allerdings bereits ins Parlament eingebracht worden. Er sieht vor, möglichst jede neu eingebaute Heizung ab dem 1. Januar 2024 zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Beschlossen werden soll die Novelle noch vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause am 7. Juli.
    Doch die FDP stellt diesen Zeitplan nun infrage, und die SPD sorgt sich um die soziale Flankierung der geplanten Maßnahmen.

    Was plant die Koalition beim Einsatz von Öl- und Gasheizungen?

    In Deutschland soll laut Regierungsbeschluss im Jahr 2045 klimaneutral gelebt und gewirtschaftet werden. Das funktioniert nur, wenn der Gebäudebestand entsprechend saniert ist. Deshalb sollen fossile Heizsysteme nach und nach gegen klimafreundliche Systeme ausgetauscht werden. Der Gebäudesektor ist in Deutschland laut Bundesumweltamt für rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.
    Ab dem 1. Januar 2024 soll nun möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Am 19. April hat das Bundeskabinett die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes beschlossen. Nun muss das Gesetz im Bundestag diskutiert, abgestimmt und beschlossen werden.
    Der ursprüngliche Entwurf wurde bereits an einigen Stellen entschärft. So gilt die Regel nur für Neubauten und beim Ersatz defekter Heizungen im Altbau. Bestehende Öl- und Gasheizungen können weiter genutzt, kaputte Heizungen weiter repariert werden. Erst im Jahr 2044 soll der Einsatz von Heizkesseln mit fossilen Brennstoffen untersagt werden.
    Es gibt jedoch Übergangsfristen und Härtefallregelungen: Wer beispielsweise als Haus- oder Wohnungseigentümer älter als 80 Jahre ist, kann sich beim Ausfall seiner Heizung erneut eine herkömmliche Gas- oder Ölheizung einbauen lassen. Wird das Haus verkauft oder vererbt, haben die neuen Besitzer dann in der Regel zwei Jahre Zeit, eine neue Heizung einzubauen, die nur noch 35 Prozent fossile Energie verbrennt.
    Außerdem setzt man auf Technologieoffenheit beim Heizungsmix. Der Austausch von Öl- und Gasheizungen soll zudem gezielt und bürokratiearm mit finanziellen Mitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds gefördert werden.
    Bislang war die Lebenszeit einer Heizung durch Abgasnormen, Grenzwerte für Feinstaub und CO2-Ausstoß begrenzt. Nach 30 Jahren sollte sie ausgetauscht werden, wobei es auch da schon Ausnahmen gab. Jede bestehende Heizung konnte weiter genutzt werden, sofern sie ordnungsgemäß funktionierte.
    Auch die neue Gesetzeslage erlaubt die Reparatur von Gas- und Ölheizungen. Für Heizungen, die nicht mehr repariert werden können, sind Übergangsfristen vorgesehen.

    Schleichendes Aus für fossile Heizungen ab 2024

    Die Pläne des Wirtschaftsministeriums bedeuten praktisch das schleichende Aus für neue reine Gas- und Ölheizungen ab 2024 und stoßen auf viel Kritik. Die Intention der Gesetzesvorlage sei "tatsächlich gut", so die Einschätzung des Umweltökonomen Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum. "Wir brauchen das Umsteuern im Gebäudesektor."
    Die Umsetzung sei derzeit allerdings "schwierig": Lange Zeit sei in diesem Bereich "geschludert" worden, jetzt werde die Notbremse gezogen. Statt Verboten plädiert der Ökonom für marktwirtschaftliche Anreize und die Verteuerung von fossiler Energie. Wenn sich Öl- und Gasheizungen nicht mehr lohnten, würden Investitionen wie von selbst "in die richtige Richtung fallen".
    „Die Bundesregierung will die Energie mit der Brechstange durchsetzen und lässt die Bürgerinnen und Bürger dabei verunsichert und überfordert zurück", kommentierte Kai Warnecke den Beschluss des Bundeskabinetts zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes. Er ist Präsident von "Haus & Grund Deutschland", dem Zentralverband der deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer.
    Manche zweifeln zudem bereits an der grundsätzlichen Möglichkeit, die politischen Vorgaben umzusetzen. Installateur-Handwerk und Heizungsindustrie sind sich nicht sicher, ob sie den Austausch stemmen können, weil Ressourcen fehlten. Die Aussichten sind möglicherweise besser als gedacht. 500.000 neue Wärmepumpen, so die Prognose, sollten 2024 eingebaut werden.

    Wie stehen die Parteien zur geplanten Gesetzesnovelle?

    Nach der Entlassung von Staatssekretär Graichen am 17. Mai 2023 tritt die FDP auf die Bremse. Es gebe noch zu viele offene Fragen, um das Gesetz vor Beginn der Sommerpause am 7. Juli verabschieden zu können, heißt es aus der Partei. Mit Graichen sei dem Parlament der Ansprechpartner für das Thema abhandengekommen, deshalb sei mehr Zeit nötig.
    "Ich halte eine Verabschiedung vor der Sommerpause für ausgeschlossen", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der "Bild"-Zeitung. "Es ist nicht entscheidend, wann das GEG verabschiedet wird", sagte er. "Entscheidend ist, dass es ein gutes Gesetz wird, das niemanden überfordert und viele Technologien ermöglicht."
    Die FDP-Fraktion habe noch rund 100 Fragen an Robert Habeck, sagte er. Und "solange die nicht beantwortet sind, können die Beratungen über das Gesetz gar nicht beginnen".
    Bislang kam die Kritik am Gebäudeenergiegesetz innerhalb der Regierung vor allem von der FDP, doch nun meldet sich auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zu Wort und stellt die Wärmepumpe als zentrales Element infrage.
    Der Gesetzentwurf setze "zu einseitig auf die Wärmepumpe", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Dabei wird die Wärmepumpe nicht überall funktionieren." Gerade im Bestand brauche man einen "vielfältigen Technologiemix". Mützenich ist dafür, das Gesetz zwar schnell zu beschließen, aber die Austauschpflichten erst verzögert in Kraft zu setzen.
    Auch die Co-Vorsitzende der Grünen – der Partei von Wirtschaftsminister Robert Habeck –, Ricarda Lang, plädierte für eine zügige Verabschiedung. Zwar komme kein Gesetz so aus dem Bundestag heraus, wie es eingebracht worden sei, aber der Kern müsse "durchgetragen werden", sagte sie. "Und das heißt mit Blick auf das Gebäudeenergiegesetz, dass wir einen Stopp für den neuen Einbau von Gas- und Ölheizungen vornehmen, das heißt, dass wir bald damit anfangen."
    Die Union hingegen spricht in Bezug auf Patrick Graichen von Vetternwirtschaft und "Clan"-Strukturen bei den Grünen. Sie fordert den Stopp des Gesetzes. Es gehe "völlig an der Realität vorbei", sagte etwa das CDU-Bundesvorstandsmitglied Carsten Linnemann.

    Mit welchen Energieträgern wird derzeit in Deutschland geheizt?

    Mehr als 80 Prozent der Wärme wird laut dem Bundeswirtschaftsministerium aktuell noch durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern erzeugt. Von den rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland heizt fast jeder zweite mit Erdgas, gefolgt von Heizöl mit knapp 25 Prozent und Fernwärme mit gut 14 Prozent. Stromdirektheizungen und Wärmepumpen machen jeweils nicht einmal drei Prozent aus.
    Die übrigen sechs Prozent entfallen auf Feuerungsanlagen für feste Brennstoffe wie Holz, Holzpellets oder Kohle. Bei neu installierten Heizungen betrug der Anteil von Gasheizungen im Jahr 2021 dem Ministerium zufolge rund 70 Prozent.
    Die durchschnittliche Lebensdauer von Heizungsanlagen gibt das Bundeswirtschaftsministerium mit 20 bis 30 Jahren an.

    Welche Heizungen dürfen künftig noch eingebaut werden?

    Es gibt verschiedene technische Lösungen, die jeweils Vor- und Nachteile haben. Infrage kommen beispielsweise Wärmepumpen, die Wärme aus der Luft, dem Grundwasser oder dem Erdreich nutzen. Solche Pumpen können auch mit einer modernen Gasheizung kombiniert werden – man spricht dann von einer Hybridheizung. Je nach Zustand der Heizung kann es auch erst mal sinnvoller sein, das Dach, den Dachboden oder andere Gebäudeteile zu dämmen oder die Fenster auszutauschen.
    Ein Anschluss an das Wärmenetz oder Stromdirektheizungen sind ebenfalls möglich. Nach Angaben aus Regierungskreisen sind auch Biomasseheizungen denkbar oder solche, die Gas aus erneuerbaren Quellen, wie etwa grünen Wasserstoff, nutzen. Auch von sogenanntem blauen Wasserstoff ist die Rede, der CO2-neutral aus Erdgas gewonnen wird.
    Fachleute weisen jedoch darauf hin, dass Wasserstoff viel zu knapp und kostbar ist, um im Wohngebäudebestand eingesetzt zu werden. Sein Einsatz soll der Schwerindustrie (Stahl) oder dem Verkehrsbereich (Flugverkehr) vorbehalten sein, wo es derzeit kaum Alternativen gibt.
    Auch eine großzügige staatliche Förderung sorgte bislang dafür, dass mit fast 600.000 Einheiten Gasheizungen immer noch den Löwenanteil ausmachten, trotz eines Rückgangs um acht Prozent. Selbst die noch klimaschädlichere Ölheizung erlebte, angetrieben durch die russische Gasmangel-Politik, eine Art Run mit einer Steigerung um 25 Prozent auf 56.500 Geräte.
    Wärmepumpen erreichten mit einem Plus um 53 Prozent auf 236.000 Geräte zwar den größten Zuwachs, die Industrie verspricht für nächstes Jahr 500.000 Einheiten. Doch um die Vorgaben aus dem Wirtschaftsministerium zu erfüllen, reicht das bei Weitem nicht.
    Andere alternative und nachhaltige Wärmeerzeuger wie Biomasse-Öfen erzielten im vergangenen Jahr mit 89.000 Einheiten einen Marktanteil von neun Prozent und dürften bei der Klimawende in Gebäuden nur eine nachgeordnete Rolle spielen.

    Wärmepumpen sind keine Selbstläufer

    Wärmepumpen sind in Neubauten mittlerweile Standard. Im Gebäudebestand raten Fachleute und Verbraucherzentralen auch häufig zu Wärmepumpen, allerdings auch zu einer differenzierten Betrachtung. Sehr schlecht isolierte Gebäude und kleine Heizkörper sind schlechte Voraussetzungen für die strombetriebenen Wärmepumpen, die mit deutlich geringeren Vorlauftemperaturen von um die 40 Grad arbeiten als die herkömmlichen Verbrenner, die auf 55, 60 oder mehr Grad hochfahren.
    In der Vergangenheit sorgte auch die Geräuschbegleitung der Wärmepumpen in engen Siedlungen für Konflikte. Allerdings haben sich die am häufigsten verbreiteten Luftwärmepumpen in puncto Effizienz und Geräuschentwicklung in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.

    Wie teuer werden die Pläne für Hausbesitzer und Mieter?

    Sicher ist: Eine neue Heizung kostet viele Tausend Euro – Geld, das viele Hausbesitzer nicht auf dem Konto herumliegen haben. Wer sich beispielsweise für eine Wärmepumpe entscheidet, muss je nach Bauart und inklusive Einbau mit Investitionen zwischen 15.000 und 30.000 Euro rechnen.
    Reine Gasheizungen waren bisher im Einbau preiswerter, allerdings verändern sich die Preisrelationen derzeit deutlich. Bei den laufenden Kosten sind Wärmepumpen aufgrund der Preiskrise auf dem Gasmarkt und einer sukzessiv wachsenden Einbindung des Heizmarktes in das CO2-Abgaben-System und den EU-Emissionshandel absehbar deutlich preisgünstiger.
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat eine milliardenschwere Förderung des Umstiegs angekündigt. Eine sozialpolitische Flankierung des Umstiegs von fossilen Energieträgern auf alternative Anlagen wie Wärmepumpen sei politisch vollkommen "unstrittig", betont er: "Klimaneutralität darf und wird nicht zu einem sozialen Problem werden."
    Von den hohen Kosten für eine neue, umweltfreundliche Heizung könnten künftig auch Mieter betroffen sein. Denn Modernisierungen können vom Vermieter zu einem gewissen Teil auf die Mieter umgelegt werden. Der Mieterbund fordert deshalb, dass der geplante verpflichtende Heizungstausch als Instandhaltung gewertet und ausschließlich vom Vermieter bezahlt wird.
    Das Bundeswirtschaftsministerium hat erstmals Zahlen genannt, welche Kosten durch den Einbau klimafreundlicher Heizungen auf die Menschen in Deutschland zukommen. In einem Referentenentwurf für die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes ist die Rede von jährlich gut neun Milliarden Euro. Mittelfristig könnten sie dadurch aber sparen, heißt es.

    Wie weit sind andere Länder bei der Heizwende?

    Das Bundeswirtschaftsministerium verweist darauf, dass alle Länder in Europa durch die EU verpflichtet sind, den Gebäudebereich klimaneutral umzugestalten. Deutschland könne dabei von europäischen Partnern lernen. Vor allem Schweden, Finnland und Norwegen setzen Wärmepumpen schon stärker ein, als das in Deutschland der Fall ist. Das Wirtschaftsministerium sieht damit die Sorge entkräftet, dass Wärmepumpen bei einem kalten Winter nicht ausreichen.
    Europaweit waren den Angaben zufolge Ende 2021 rund 17 Millionen Wärmepumpen in Betrieb. Bis 2030 sollen 30 Millionen weitere hinzukommen. Wärmepumpen decken den Wärmebedarf in Norwegen bereits zu rund 60 Prozent, in Schweden und Finnland sind es rund 40 Prozent. Frankreich ist mit etwa 4,25 Millionen installierten Wärmepumpen Spitzenreiter in der EU. In Deutschland gab es Mitte 2022 nach Regierungsangaben erst rund eine Million installierte Wärmepumpen.
    Quellen: Jule Reimer, dpa, afp, Bundeswirtschaftsministerium, Umweltbundesamt, ahe, ckr