Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger sieht drei Gründe, warum Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einer Leopard-2-Lieferung an die Ukraine bisher nicht zugestimmt hat. Erstens wolle Scholz das "selbst nicht", sagte Jäger im Dlf. Zweitens nehme der Kanzler Rücksicht auf Teile seiner Partei. Drittens kenne Scholz Umfragen, die ein "gespaltenes Stimmungsbild" zeigten.
Lieferung wäre "militärisch sinnvoll"
"Es ist nicht nachvollziehbar, warum das jetzt wieder sozusagen in eine Warteschleife geht", sagte der Politologe. Aus militärischer Sicht wäre eine Panzer-Lieferung sinnvoll, so Jäger. Kampfpanzer wären eine "folgerichtige Ergänzung" dessen, was schon an Waffen geliefert worden sei von den Unterstützer-Staaten der Ukraine.
Das deutsche Ansehen sei durch die aktuelle Debatte "schon beschädigt", sagte Jäger. "Deutschland ist kein Staat, auf den man sich verlassen will, wenn es wirklich ernst wird", sagte der Politologe. Auch eine richtige Führungsmacht in Europa sei Deutschland nicht. Deutschland sei stark genug, bestimmte Dinge durchzusetzen. "Aber das ist nicht Führung. Das ist Dominanz, die keine Rücksicht nimmt auf andere", sagte Jäger. "Führung ist Rücksichtnahme auf andere und das, was die Bundesregierung momentan macht, ist das Gegenteil von Führung." Frankreich beginne, sich neu zu orientieren und in Osteuropa tue sich eine neue Gruppe von Ländern zusammen, "die alle nicht auf Deutschland warten".
Putin will "politische Dominanz über Europa"
Es gehe in der Ukraine darum, zu verhindern, dass der russische Staatschef Wladimir Putin den ersten Schritt mache, die "politische Dominanz über Europa zu erhalten", sagte Jäger. "Wenn Russland den Krieg gegen die Ukraine gewinnt, dann steht Osteuropa unter einem enormen militärischen und politischen Druck." Die politische Dominanz über Europa sei der einzige Weg, "wie Russland Weltmacht sein kann". Im derzeitigen Zustand sei Russland nicht mehr als eine Regionalmacht. "Und das will Putin ändern."