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Vor 450 Jahren geboren
Johannes Kepler - Naturwissenschaftler, Theologe, Science-Fiction-Autor

Johannes Kepler entdeckte die Gesetze, nach denen sich die Planeten um die Sonne bewegen. Er war ein begnadeter Mathematiker, Physiker und Astronom. Aber er war auch ein Träumer, der sich in Gedanken bis auf den Mond katapultierte.

Von Irene Meichsner | 27.12.2021
Johannes Kepler (27.12.1571 - 15.11.1630), deutscher Naturphilosoph, Mathematiker, Astronom, Astrologe, Optiker und evangelischer Theologe, Druckgrafik aus dem 19. Jahrhundert.
Johannes Kepler lebte 1571 bis 1630 (picture alliance / Bildagentur-online / Sunny Celeste)
„Für mich ist er einer der geistreichsten und genialsten ‚Ketzer’, in Anführungsstrichen, nämlich wissenschaftlichen Neuerer, die es überhaupt nur gibt, und ich hab‘ mich immer wieder gewundert, warum man nichts über ihn weiß.“
Denkt man an Johannes Kepler, den berühmten deutschen Astronomen, dann fallen einem vor allem die ‚Keplerschen Gesetze’ ein. Sie beschreiben fundamentale Regeln, nach denen sich die Planeten um die Sonne bewegen. Kepler lieferte damit einen Beweis für das neue, ‚heliozentrische‘ Weltbild des Nikolaus Kopernikus, demzufolge nicht die Erde, sondern die Sonne im Mittelpunkt des Universums stand – eine Vorstellung, die das Fassungsvermögen der meisten Zeitgenossen damals noch überstieg. Die Literaturwissenschaftlerin Beatrix Langner sagte dazu 2011 bei einer Veranstaltung in Berlin:
„Also nicht nur, dass man den Leuten um 1600 nicht klarmachen konnte, schon weil die Kirche und der Papst das nicht wollten, dass die Erde sich um die Sonne dreht, sondern man hätte ihnen auch gar nicht erklären können, dass sich der Mond um die Erde dreht. Also, da ist jeder für verrückt erklärt worden, der das behauptet hat!“
Thomas Harriott, der verkannte englische Galileo

Kontakt zur heliozentrischen Weltsicht schon im Studium

Auch Kepler, der am 27. Dezember 1571 in Weil der Stadt geboren wurde, pirschte sich nur vorsichtig an das neue Weltbild heran. Von Kopernikus hörte er zum ersten Mal während seines Theologie-Studiums in Tübingen, wo der Astronom Michael Mästlin, ein Anhänger der ‚heliozentrischen’ Weltsicht, einer seiner Professoren war. 1596 veröffentlichte Kepler ein erstes, kleines Buch, in dem er die Hypothesen des Kopernikus mit der Vorstellung einer göttlichen Schöpfung in Einklang zu bringen versuchte.
1600 wurde er Assistent des berühmten Astronomen Tycho Brahe, der eine der größten Sammlungen von astronomischen Beobachtungsdaten besaß. Nach dem Tod von Brahe wurde Kepler sein Nachfolger als kaiserlicher Hofmathematiker in Prag. Neben seinen täglichen Pflichten vertiefte sich Kepler in eine unendliche Zahl von Rechenoperationen, um schließlich zu der Erkenntnis zu gelangen, dass sich die Planeten nicht auf einer Kreisbahn, sondern auf einer Ellipse um die Sonne bewegten - wobei ihnen die Sonne offenbar als eine Art ‚Kraftzentrum’ diente. Kepler hob damit das alte, ‚geozentrische’ Weltbild aus den Angeln. Trotzdem hielt er an seinem Glauben an eine von Gott gelenkte Weltordnung fest.
Druckgrafik: Johannes Kepler mit Kaiser Rudolf II.
Johannes Kepler mit Kaiser Rudolf II. (picture alliance / Mary Evans Picture Library)
„Es ist gesagt worden, Kepler sei es ähnlich ergangen wie anderthalb Jahrhunderte vorher Kolumbus. Er sei ausgefahren, Indien zu finden, und habe dabei Amerika entdeckt“, sagte der Zukunftsforscher Robert Jungk in einem Vortrag über Kepler und „Die Einsamkeit der Einzelgänger“. „Wer weiß, ob Kepler, der so nahe daran war, die dann von Newton entdeckten Gesetze der Schwerkraft zu finden, nicht auch diesen letzten Schritt hätte tun können, wenn er nicht durch die Furcht vor einem Sakrileg daran gehindert worden wäre. Denn er wagte es nicht, trotz mancher Andeutung in seinen Schriften, die weltbewegende Kraft des Kosmos aus den Händen Gottes zu nehmen und einer Naturkraft, nämlich der Gravitation zuzuschreiben.“

Kepler schrieb auch Science Fiction

Jeder, der das alte, geozentrische Weltbild in Frage stellte, riskierte damals immer noch, auf dem Scheiterhaufen zu landen. Zu welchen kühnen Gedankenspielen Kepler dennoch fähig war, zeigt ein kleiner Text, der - dank der Initiative von Beatrix Langner - erst in den letzten Jahren Aufmerksamkeit erregte: „Somnium oder Der Traum vom Mond“ - eine fantastisch ausgeschmückte Science-Fiction-Geschichte, in der Kepler seine Hauptfigur auf den Mond katapultierte. Die Anmerkungen, die er diesem Text hinzufügte, zeigen, dass er sich vollkommen darüber im Klaren war, dass der Mond um die Erde rotierte – genauso, wie sich die Erde um die Sonne drehte. Aber damit hätte er seine Zeitgenossen endgültig überfordert.
„Und er griff sozusagen zu dem Mittel der Phantasie“, erklärt Beatrix Langner.
Wang Zhenyi - eine große Forscherin der Astronomie
Kepler, der 1630 in Regensburg starb, war in seinem Leben immer wieder in Konflikte verstrickt worden. Als Protestant stand er unter dem permanenten Druck der katholischen Gegenreformation. Aufgrund einer Pockenerkrankung im Kindesalter war sein Sehvermögen stark eingeschränkt – mit der Folge, dass er, der große Astronom, selber so gut wie keine Himmelsbeobachtungen durchführen konnte.