Dienstag, 21. Mai 2024

Der Weltklimagipfel COP27
Was von der UN-Klimakonferenz in Scharm el-Scheich zu erwarten ist

Im Klimaabkommen von Paris 2015 hat sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. Davon ist sie aber noch immer weit entfernt. Bei der Klimakonferenz in Ägypten sollen die Klimaziele nachgebessert werden.

Von Georg Ehring | 07.11.2022
    Ein Fischer am Nakurusee in Kenia: Durch den Klimawandel läuft der See quasi über, breitet sich immer weiter aus. Viele Menschen haben dadurch Häuser und Arbeit verloren.
    Ein Fischer am Nakurusee in Kenia: Durch den Klimawandel läuft der See quasi über, breitet sich immer weiter aus. Viele Menschen haben dadurch Häuser und Arbeit verloren. (IMAGO / ZUMA Wire / IMAGO / James Wakibia)
    Vom 6. bis 18. November findet im ägyptischen Scharm el-Scheich die 27. UN-Klimakonferenz (COP27) statt. Dadurch, dass die Konferenz in einem afrikanischen Land stattfindet, wird ein besonderes Augenmerk auf Hilfen für ärmere Länder liegen. Teil der Verhandlungen ist auch der Fonds „Loss and Damage“.

    Wie ist Ausgangssituation mit Blick auf das 2-/ bzw. 1,5-Grad-Ziel?

    Die Welt ist noch immer weit von der Einhaltung der Klimaziele entfernt: Das UN-Umweltprogramm rechnet bis Ende des Jahrhunderts mit einer Erwärmung um etwa 2,5 Grad - aber nur, falls alle Staaten ihre Zusagen im Klimaschutz einhalten. Nur dann, wenn selbst die wolkigsten Pläne und Ambitionen Wirklichkeit werden, wäre die Erwärmung auf 1,7 Grad zu begrenzen. Im Pariser Abkommen hat sich die Staatengemeinschaft im Jahr 2015 vorgenommen, die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, wenn möglich sogar unter 1,5 Grad. Seit 2015 hat es aber durchaus Fortschritt gegeben: Damals prognostizierte das UN-Umweltprogramm sogar eine Erwärmung um 3,5 Grad, wenn alle Zusagen umgesetzt werden.
    Der Weltklimarat IPCC rät dringend dazu, die Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten. Heute ist die Atmosphäre um etwa 1,2 Grad wärmer als im vorindustriellen Zeitalter und Hitzewellen, Dürren, starke Wirbelstürme und extreme Regenfälle häufen sich – mit klarem Zusammenhang zur Klimaerwärmung. Schon bei 1,5 Grad werden die Schäden viel größer, eine Erwärmung um zwei Grad hätte noch viel gravierendere Folgen: Die Ernährung der Welt wäre bedroht und nahezu alle Korallenriffe würden zerstört.
    Kein einziges der großen Industrie- und Schwellenländer tut derzeit im Klimaschutz gemessen am Pariser Abkommen genug, so der Climate Action Tracker, den das New Climate Institute zusammen mit Partnern aus der ganzen Welt herausgibt. Die Europäische Union schneidet noch relativ gut ab. Sie will die Emissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent verringern und zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral sein.

    Was sind die zentralen Themen der Konferenz?

    Erstes Thema ist die Nachbesserung der Klimaziele. Bei der letzten Klimakonferenz 2021 in Glasgow hatte eine Reihe von Staaten höhere Ambitionen angekündigt, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit blieb aber groß. Deshalb soll dieses Thema erneut auf die Tagesordnung und künftig wird absehbar bei jeder Welt-Klimakonferenz darüber debattiert werden. Große Fortschritte zeichnen sich allerdings wieder nicht ab.
    Von den großen Treibhausgas-Emittenten hat in diesem Jahr lediglich Australien neue und deutlich höhere Ziele eingereicht. Die USA haben ihre Pläne mit Gesetzen untermauert, so dass eine Umsetzung wahrscheinlicher geworden ist. Manche Länder haben neue Ziele eingereicht, die aber keine Verbesserung gegenüber den bisherigen Plänen bedeuten.
    Zweites Thema ist die Anpassung an die Klimaerwärmung. Auch hier soll jedes Land seine Pläne vorlegen. Es geht um sehr unterschiedliche Vorhaben, um auch in einer wärmeren Welt leben zu können. Dazu gehören der Bau von Deichen, wenn der Meeresspiegel steigt, künstliche Bewässerung, wenn der Regen nicht mehr zuverlässig fällt und der Bau von Schutzräumen in Regionen, in denen Überschwemmungen und Wirbelstürme häufiger sind.
    Arme Länder des Südens sollen Geld aus dem Norden bekommen, um eigene Klimaschutz-Maßnahmen und Anpassung an die Erwärmung finanzieren zu können. Die Industrieländer hatten bereits 2009 zugesagt, diese Zahlungen immer weiter aufzustocken und ab 2020 pro Jahr 100 Milliarden Dollar zu zahlen. Diese Zusage wurde jedoch nicht eingehalten. In Scharm el-Scheich soll auch hier die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit geschlossen werden. Der Umstand, dass die Konferenz in einem afrikanischen Land stattfindet, wird ein besonderes Augenmerk auf Hilfen für ärmere Länder lenken.
    Teil der Verhandlungen ist auch der Fonds „Loss and Damage“: Die Klimaerwärmung ist vor allem durch die reichen Industrieländer verursacht worden, inzwischen haben auch große Schwellenländer wie China und Indien einen erheblichen Anteil daran. Arme Entwicklungsländer haben dagegen einen großen Teil der Schäden zu tragen. Sie fordern seit über zehn Jahren auch Schadensersatz, gerade für Ereignisse, an die eine Anpassung nicht mehr möglich ist – etwa Wirbelstürme nie gekannter Größenordnung. Juristisch haben die Entwicklungsländer viele Argumente für sich – vor allem das Verursacherprinzip. Die Industrieländer haben sich trotzdem bisher geweigert, Rechtsansprüche anzuerkennen. In Scharm el-Scheich soll das Thema zum ersten Mal formell auf die Tagesordnung kommen - und mit Dänemark hat ein erstes Land sich zu Zahlungen bereit erklärt.

    Gibt es unterschiedliche Interessensblöcke?

    Bei den Klimaverhandlungen schließen sich die Staaten zu Gruppen zusammen. So gibt es die „High Ambition Coalition“, die möglichst weitgehende Klimaziele fordert. Dazu gehören die Europäische Union, Inselstaaten in der Karibik und im Pazifik und eine Reihe weiterer Länder. Die Entwicklungsländer haben sich in der „Gruppe der 77 plus China“ zusammengeschlossen, diese Gruppe umfasst längst weit über 100 Staaten, wobei die Interessen innerhalb der Gruppe zum Teil weit auseinanderliegen. Viele dieser Staaten wollen möglichst viel Klimaschutz, China ist in den vergangenen Jahren oft als Bremser aufgetreten.
    Die großen Schwellenländer China, Brasilien, Indien und Südafrika bilden eine Gruppe, die oft gemeinsam auftritt. Dann gibt es die "Least developed countries", die besonders armen Länder, die kleinen Inselstaaten, die durch den Anstieg des Meeresspiegels zum Teil vom Untergang bedroht sind und die Gruppe der Afrikanischen Länder. Die Gruppen sortieren sich bei Klimakonferenzen zum Teil neu. Die Europäische Union verhandelt als Ganzes, nicht etwa jedes Land für sich.

    Welche Rolle spielt der afrikanische Tagungsort Ägypten?

    Die ägyptische Konferenzleitung will der Unterstützung besonders verwundbarer Staaten einen großen Stellenwert geben. Die Industrieländer halten ihre Finanzzusagen bisher nicht ein, das soll sich ändern. Sie halten sich vor allem bei der Hilfe für die Anpassung an die Erwärmung zurück. Hier ist der Handlungsdruck in Afrika angesichts von Hungersnöten aber besonders groß. Und das Thema Ersatz für Schäden und Verluste wird auch auf Druck der afrikanischen Länder einen prominenten Platz auf der Tagesordnung bekommen.

    Welche Rolle spielen der Krieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen?

    Der Krieg in der Ukraine erschwert die Verhandlungen und lenkt die Aufmerksamkeit vom Klimaschutz ab. Die Welt teilt sich zunehmend in Blöcke auf, die Bereitschaft zu gemeinsamem Handeln ist geringer geworden. Die Verknappung von fossilen Energie-Rohstoffen hat dazu geführt, dass neue Lagerstätten erschlossen werden. Wenn die Klimaziele eingehalten werden sollen, dürfen allerdings überhaupt keine neuen Vorkommen von Kohle, Öl oder Gas mehr gefördert werden.
    Die steigenden Energiepreise begünstigen jedoch auch den Ausbau erneuerbarer und CO2-freier Energiequellen, vor allem von Wind- und Sonnenenergie. Viele Länder wollen sie beschleunigt ausbauen, auch um eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Dies könnte dazu führen, dass der Ukraine-Krieg langfristig sogar positive Folgen für das Klima hat. Der Krieg sorgt auch für steigende Preise und Verknappung von Lebensmitteln, Verteilungskämpfe werden intensiver. Das kann die Bereitschaft, etwas für den Klimaschutz zu tun, bremsen.

    Welchen Stellenwert hat die Konferenz und wie sinnvoll ist so ein Format?

    Klimaschutz geht nur in internationaler Zusammenarbeit und die Weltklimakonferenzen sind die einzigen Foren, in denen große und kleine, reiche und arme Länder gleichberechtigt zusammenarbeiten. Der langsame Fortschritt dabei wird häufig und zu recht kritisiert, es gibt aber kein Format, das sie ersetzen könnten. Gerade für arme Länder bieten sie eine Bühne, um sich wenigstens etwas Aufmerksamkeit zu sichern.
    Bei UN-Klimakongressen reisen oft mehrere zehntausend Menschen an, viele davon mit dem Flugzeug. Die weltweite Erwärmung steht wenigstens für zwei Wochen im Mittelpunkt der weltweiten Aufmerksamkeit, am Rande der Konferenzen werden viele Forschungsergebnisse zum Klima präsentiert, Interessengruppen machen ihre Sichtweise deutlich. Kritisiert wird dies vor allem von Interessengruppen, die auch den Klimaschutz weniger wichtig finden.
    Das Problem ist nicht die Größe der Konferenzen, sondern die unangemessen mageren Ergebnisse. Wenn der Klimaschutz weniger Aufmerksamkeit bekäme, wären die Ergebnisse allerdings vermutlich noch geringer.