Verfassungsrichterwahl
Koalition sucht nach einer Lösung - Diskussion über mögliche Folgen der Vertagung

Nach der gescheiterten Wahl von drei neuen Richtern für das Bundesverfassungsgericht ist weiter offen, wie es nun weitergeht. Dem "Tagesspiegel" zufolge gibt es in der SPD Überlegungen zu einer Bundestags-Sondersitzung im August - ein Vorschlag, den auch die Grünen schon eingebracht haben. Kanzleramtschef Frei zeigte sich optimistisch, dass die schwarz-rote Koalition noch zu einer Einigung kommt.

    Frauke Brosius-Gersdorf frontal im Porträt
    Die SPD hält an der Jura-Professorin Frauke Brosius-Gersdorf fest. (IMAGO / teutopress )
    Er sei sicher, dass die Koalitionsfraktionen über den Sommer eine tragfähige Lösung finden würden, sagte der CDU-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
    CSU-Landesgruppenchef Hoffmann plädierte dafür, bei der Suche nach einer Lösung nichts zu überstürzen. Das gebiete der Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht, der Respekt vor den Kandidaten und der Respekt vor "den Abgeordneten, die am Ende diese Wahlentscheidung treffen", sagte Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur.

    SPD setzt auf persönliches Gespräch

    Die SPD schlug der Unionsfraktion laut "Bild am Sonntag" vor, dass die Kandidatin Brosius-Gersdorf persönlich mit den Abgeordneten über deren Kritik an ihr sprechen könnte. Ein SPD-Abgeordneter aus der Fraktionsspitze sagte der Zeitung: "Wir hoffen, dass die Bedenken bei dem Termin in der Unionsfraktion ausgeräumt werden können. Viele ihrer Positionen wurden völlig verdreht dargestellt."
    Gegen die Jura-Professorin Brosius-Gersdorf gab es in der Union schon länger Bedenken, kurz vor der Abstimmung im Bundestag kamen dann angebliche Plagiatsvorwürfe auf: Der Publizist Stefan Weber hatte eine Textuntersuchung der Dissertation der Juristin veröffentlicht. Mittlerweile spezifierte er in der "Süddeutschen Zeitung", es gehe nicht um ein Plagiat, sondern um eine "mögliche unenthische Autorenschaft". Er fühlt sich missinterpretiert und kritisiert, die Union habe seine Veröffentlichung instrumentalisiert. Weber hatte seine Untersuchung am Abend vor der geplanten Wahl veröffentlicht.
    Der SPD-Fraktionsvorsitzende Miersch betonte, dass seine Partei an der Nominierung der Jura-Professorin festhalten werde. Weiter schrieb er: "Ich erwarte, dass die Mehrheit steht".

    Vertrauensbruch in der Koalition?

    Partei-Chef Klingbeil forderte nach der gescheiterten Richterwahl "Führung und Verantwortung" in der Koalition. Beides dürfe nicht nur "in Sonntagsreden" angekündigt werden, sagte er nach der Absetzung der Wahl im Bundestagsplenum - und kritisierte damit indirekt Unionsfraktionschef Spahn.
    Die ehemalige Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin, ebenfalls SPD, warf sowohl Spahn als auch Bundeskanzler Merz Versagen vor. Beide hätten die vorherigen Absprachen in der CDU/CSU-Fraktion durchsetzen müssen - nun müssten sie sehen, wie sie die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für die Wahl bekämen, sagte Däubler-Gmelin im Deutschlandfunk. Sie fügte hinzu: "Der Schaden für die Koalition ist offensichtlich".
    Ähnlich äußerte sich der Politikwissenschaftler von Lucke ebenfalls im Deutschlandfunk. Mit Blick auf Unions-Fraktionschef Spahn bezeichnete er die Situation als doppelt schlecht: ihn abzulösen, wäre ein ungeheurer Vertrauensriss in der Koalition - ihn im Amt zu belassen würde jedoch ebenfalls negativ aufgefasst werden.

    Sorge vor Polarisierung von Richterwahlen

    SPD-Fraktionsvize Eichwede warf der Union vor, sie sei nicht bereit, einen "gemeinsamen Geist zu tragen". Ihre eigene Partei hätte dem von der Union unterstützten Kandidaten Spinner zugestimmt - auch aus "staatspolitischem Pflichtbewusstsein". Denn: Man erlebe gerade eine gefährliche Politisierung der Richterwahlen. Konservative und rechte Kräfte hätten in den vergangenen Tagen ein Spiel mit dem Feuer entfacht, das nur schwer zu löschen sein werde.
    Der frühere Verfassungsrichter und Ex-CDU-Politiker Müller äußerte in der "Süddeutschen Zeitung" die Sorge, "dass die politische Mitte in Deutschland nur noch begrenzt handlungsfähig ist".

    Ist das Bundesverfassungsgericht beschädigt?

    Die Grünen sehen in den Vorgängen fehlenden Respekt vor dem obersten deutschen Gericht. Parteichefin Brantner kritisierte in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, das Vertrauen in das höchste Gericht werde "fahrlässig beschädigt".
    Dem widersprach Bundesinnenminister Dobrindt. Der CSU-Politiker sagte im Interview der Woche des Deutschlandfunks, dieser Sichtweise könne er sich nicht anschließen. Ähnlich äußerte sich der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Kirchhof. Er sprach gegenüber dem Nachrichtenportal ZDFheute.de von einer Panne, die aber die Funktionsfähigkeit des Gerichts nicht gefährde. Nun müsse schlicht der ausscheidende Richter sein Amt fortführen, "bis der Nachfolgende gewählt ist".
    Wie es bei der Wahl der Richterinnen und Richter weitergehen könnte, lesen Sie hier.

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    Diese Nachricht wurde am 12.07.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.