Mittwoch, 24. April 2024

EZB hebt Leitzins an
Was bedeutet die Zinserhöhung für Verbraucher?

Auf die anhaltend hohe Inflation reagiert die Europäische Zentralbank (EZB) mit Zinserhöhungen. 2022 hat sie den Leitzins im Euroraum bereits dreimal angehoben - auf nun 2,0 Prozent. Die Auswirkungen für Verbraucher werden unterschiedlich sein.

03.11.2022
    Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt
    Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt (picture alliance / greatif/ Florian Gaul)
    Seit März 2016 lag der Leitzins im Euroraum bei null Prozent. Nach langem Zögern hatte die EZB im Juli 2022 die Zinsen im Euroraum wieder angehoben. Im September legte sie nochmals nach. Mit einer historischen Zinserhöhung von 0,75 Prozentpunkten auf 1,25 Prozent stemmte sie sich gegen die Rekordinflation im Euroraum. Im Oktober entschied sie, den Leitzins erneut anzuheben - wieder um 0,75 Prozentpunkte. Damit stieg der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB leihen können, auf 2,0 Prozent.

    Warum erhöht die EZB den Leitzins?

    Der Hauptgrund für die Änderung der EZB-Geldpolitik ist das Ziel, die Inflationsentwicklung im Euroraum zu bremsen, die Verbraucher und Unternehmen belastet. Durch die EU-Verträge ist festgehalten, dass die EZB für die 19 Staaten idealerweise einen jährlichen Preisauftrieb von zwei Prozent anstreben soll – im August lag er weit darüber bei 9,1 Prozent.
    Inzwischen zeichnet sich ab, dass die Inflation auch vorerst hoch bleiben wird. Deswegen forderten viele Volkswirte, dass die EZB schnell konsequent handeln müsse. In den USA hat die Notenbank bereits viel früher und deutlich reagiert. Die Federal Reserve hat den Leitzins in diesem Jahr bereits sechsmal erhöht - zuletzt am 2. November um 0,75 Prozentpunkte. Damit liegt der US-Leitzins aktuell in einer Spanne von 3,75 bis 4 Prozent.

    Warum war die EZB bislang so zögerlich?

    Zinserhöhungen bringen immer Rezessionsrisiken mit sich: Wenn die Zinsen steigen, wird beispielsweise weniger gebaut, auch Unternehmen investieren zögerlicher. Der gesamte Wirtschaftskreislauf wird gebremst. Bedingt durch die Corona-Pandemie, aber auch durch den Krieg in der Ukraine besteht die Gefahr eines wirtschaftlichen Abschwungs, wenn jetzt auch noch Zinserhöhungen hinzukommen.
    Zudem: Die Entscheidung der EZB gilt für die gesamte Währungsunion. Mehrere Euroländer sind hochverschuldet (z.B. Italien oder Frankreich). Für diese Staaten könnte es bei höheren Zinsen schwierig werden, ihre Schulden zuverlässig zu bedienen. Und das kann theoretisch zu Staatspleiten führen.

    Welche Auswirkungen hat die Leitzinserhöhung für Verbraucher?

    Höhere Kredit- und Bauzinsen
    Die bislang niedrigen Zinsen haben Immobilienfinanzierungen jahrelang immer billiger gemacht. Zuletzt haben sich Kredite bereits rasant verteuert, mit der Leitzinserhöhung wird die Zinslast weiter steigen. Nach Angaben des Internetportals Finanztip sind die Bauzinsen zwischen Januar und Juni 2022 auf den höchsten Stand seit zehn Jahren angestiegen. Für einen Kredit mit fünf Jahren Laufzeit wurden Anfang Juli im Schnitt circa 3,2 Prozent Zinsen fällig, bei einer Laufzeit von zehn Jahren waren es 3,3 Prozent.
    Experten befürchten, dass steigende Kreditraten einige Schuldner finanziell überfordern könnten. Wachsam sein sollten nun vor allem jene Kreditnehmer, deren Zinsbindung in nächster Zeit ausläuft. Weil viele Hypothekenverträge einen fest vereinbarten Zinssatz für die Dauer von z.B. zehn oder 15 Jahren garantieren, dürfte sich die EZB-Entscheidung vorerst noch nicht in der Breite bemerkbar machen. Sobald die Zinsbindung jedoch endet, dürfte die Höhe der monatlichen Rückzahlungsraten merklich steigen - für einige möglicherweise schmerzlich.

    Möglicherweise mehr Zwangsversteigerungen

    Es wird damit gerechnet, dass manche Hypothekenschuldner die aufgrund der steigenden Zinssätze höheren monatliche Raten nicht mehr stemmen können. Eine Folge: Die Zahl der Zwangsversteigerungen von Immobilien könnte zunehmen. Aufgrund der oft langen Verfahrensdauer von Haus-Versteigerungen dürfte sich dieser Effekt aber erst in den Jahren 2023 und 2024 bemerkbar machen.
    In den vergangenen Jahren war die Zahl der Zwangsversteigerungen in Deutschland ständig gesunken. Als Gründe galten die lange Zeit gute Konjunktur und die Niedrigzinsen, die die Last von Krediten für Schuldner niedrig hielten und die Immobiliennachfrage antrieben.

    Die Situation für Sparer

    Durch die Entscheidung der EZB dürften Niedrigstzinsen auf Tagesgeld- und Festgeldkonten sowie Negativzinsen auf Konten, die einen bestimmten Freibetrag überschreiten, der Vergangenheit angehören. Denn aufgrund von Negativzinsen entstanden bislang auch den Banken Kosten, die sie oftmals in Form von Verwahrentgelten an ihre Kunden weitergeben haben.
    Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox haben bereits 51 Banken in Deutschland die Negativzinsen für ihre Kunden ganz oder teilweise abgeschafft. Seit Ende April strichen demnach 35 Banken ihre Negativzinsen komplett, weitere 16 Banken hoben die Freibeträge deutlich an, so dass ein Großteil der Kunden keine Negativzinsen mehr zahlen muss.
    Tatsächlich dürften die Zinsen für Sparer zumindest langfristig sogar steigen. Bereits jetzt zeigen sich erste entsprechende Tendenzen. Andererseits bedeutet die aktuell hohe Inflationsrate, dass der Realzins erst einmal auch weiterhin im negativen Bereich verharrt.
    Im Schnitt zahlten die Banken in Deutschland im Juli laut Verivox bis zu 1,33 Prozent Zinsen für Festgelder mit zwei Jahren Laufzeit - noch zu Beginn des zweiten Quartals betrugen die besten Angebote lediglich 0,41 Prozent.
    Im Vergleich zur Inflationsrate sind das jedoch noch immer sehr niedrige Zinssätze - Sparerinnen und Sparer sollten deshalb möglichst wenig Geld auf dem Tagesgeld- oder Girokonto parken. Für das Gesamtjahr 2022 rechnet die Bundesbank mit einer Inflationsrate von 7,1 Prozent für Deutschland. 10.000 Euro auf einem unverzinsten Girokonto würden somit in einem Jahr 663 Euro an Wert verlieren.

    Wie wird sich die Entscheidung auf die Inflation auswirken?

    Mit sinkenden Preisen und Lebenshaltungskosten können Verbraucherinnen und Verbraucher allerdings auch nach der Zinserhöhung der EZB nicht rechnen.
    Die Inflation wird aktuell insbesondere von den hohen Energiepreisen getrieben. In diesem Bereich betrug die Teuerungsrate im Juni im Vormonatsvergleich stolze 38 Prozent, die Kosten von Haushaltsenergie stiegen um mehr als 40 Prozent. Hintergrund sind die derzeit hohen Preise an den internationalen Rohstoffmärkten – auf diese hat die EZB aber keinen Einfluss.
    Im klassischen Fall wird Inflation nicht durch knappes Angebot, sondern durch hohe Nachfrage angetrieben. Da kann die EZB dann mit einer Erhöhung des Leitzins wirksam gegensteuern. Obwohl die Entscheidung der EZB gegen die aktuelle Inflation nicht viel ausrichten kann, bewerten viele Ökonomen den Kurswechsel der Notenbank positiv. Die EZB mache damit deutlich, dass ihr die Inflation nicht gleichgültig sei, sagte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft am 22. Juli 2022 im Deutschlandfunk.
    Quellen: Katja Scherer, Verivox, dpa, AFP, Finanztip, jma, pto