Chemie-Nobelpreis 2025
Entdeckung von Molekül-Schwämmen ausgezeichnet

Susumu Kitagawa, Richard Robson und Omar M. Yaghi haben eine völlig neue Art von Material entwickelt. Metall-organische Gerüstverbindungen können helfen, Umweltprobleme zu lösen, indem sie zum Beispiel Schadstoffe aufnehmen oder CO₂ binden.

Von Anneke Meyer |
    Illustration der drei Nobelpreisträger für Chemie 2025: Omar M. Yaghi, Richard Robson und Susumu Kitagawa
    Omar M. Yaghi, Richard Robson und Susumu Kitagawa (v.l.) sind die Nobelpreisträger für Chemie 2025. (Nobel Prize Outreach / Niklas Elmehed)
    Metall-organische Gerüstverbindungen (engl. metal-organic frameworks) oder kurz MOFs sind winzige, kristallartige Strukturen, die wie Molekül-Schwämme funktionieren. Sie bestehen aus Metallionen, die durch organische Moleküle miteinander verbunden sind.
    So entsteht ein regelmäßiges Gerüst mit unzähligen Hohlräumen, die viel Platz bieten, um andere Moleküle zu verstauen. „Ein bisschen wie Hermines Handtasche aus Harry Potter – es passt mehr rein, als man denkt“, erklärte Professor Heiner Linke, Mitglied des Nobelkomitees, bei der Verkündung.

    Vielseitig, formbar, umweltfreundlich

    Die Hohlräume der MOFs lassen sich gezielt gestalten. Dadurch sind sie sehr vielseitig, aber auch spezifisch nutzbar. Je nach Kombination der Bausteine können MOFs bestimmte Stoffe aufnehmen, speichern oder herausfiltern. Manche Varianten können sogar chemische Reaktionen beschleunigen oder Strom leiten.
    Die Entwicklung begann 1989, als Richard Robson die erste solcher Strukturen entdeckte. Später machten Susumu Kitagawa und Omar Yaghi die Materialien stabil, flexibel und vielseitiger.
    Heute existieren Zehntausende verschiedener MOFs. Viele davon könnten helfen, Umweltprobleme zu lösen, zum Beispiel indem sie CO₂ aus der Luft oder Schadstoffe aus Wasser entfernen. Aber auch ganz andere Anwendungsfälle sind denkbar, etwa Trinkwasser aus trockener Wüstenluft zu gewinnen.

    Kritik am Nobelpreis: Netzwerke und Fördergelder entscheiden

    Der Nobelpreis gebührt jenen, die „einen bedeutenden Beitrag zur Menschheit und zur Verbesserung des Wissens, der Kultur, der Gesundheit oder des Friedens geleistet haben“. So hatte es der Stifter Alfred Nobel in seinem Testament festgelegt. Dem humanitären Grundgedanken zum Trotz gibt es aber auch immer wieder Kritik am Nobelpreis.
    In der öffentlichen Debatte standen bisher vor allem Entscheidungen zur Vergabe des Friedensnobelpreises im Mittelpunkt. Laureaten wie Abiy Ahmed oder Barack Obama werfen immer wieder die Frage auf, wie klug es ist, aktiven Politikern den Preis zu verleihen.
    Bei den naturwissenschaftlichen Preisen gibt es nur selten Kritik an den ausgezeichneten Personen; diskutiert wird vielmehr, wie fair die Strukturen und Systeme sind, die einem zum Erfolg verhelfen und einem anderen nicht.
    Auch wenn der Nobelpreis unabhängig vom Einfluss durch Politik und Wirtschaft vergeben wird, unabhängig von den Institutionen der akademischen Forschung ist er nicht. Dementsprechend spiegeln sich in der Auswahl der Preisträger auch die strukturellen Ungleichheiten der Wissenschaft wider.
    Viele Laureaten stehen als einzelne Stellvertreter für ein großes Team von Forschenden, die zu einer Erkenntnis beigetragen haben. Nach wie vor werden deutlich mehr Männer als Frauen geehrt. Und: Vier von fünf aller Nobelpreisträger und -trägerinnen kommen aus Europa oder Nordamerika.
    Die Wahl der diesjährigen Nobelpreisträger bricht in mancher Hinsicht mit dem Klischee: Zwei der Laureaten arbeiten außerhalb der akademischen Forschung. Einer ist gebürtiger Palästinenser. Ihre wissenschaftliche Prägung erhielten aber alle drei an renommierten US-amerikanischen Universitäten.

    In Zukunft mehr Nobelpreisträger aus China?

    Beobachter schätzen, dass gerade die geografische Herkunft der Nobelpreisträger sich bald deutlich verändern wird. Insbesondere China hat in den letzten Jahrzehnten massiv in die Forschung investiert und im internationalen Vergleich an Gewicht gewonnen. Umgekehrt werden sich die Einschränkungen der akademischen Freiheit und die Budget-Kürzungen in den USA bemerkbar machen.
    Mit Mary Brunkow und John Clarke nutzen gleich zwei der diesjährigen Nobelpreisträger die Gelegenheit, um auf die problematische US-Wissenschaftspolitik aufmerksam zu machen. "Wenn das so weitergeht, wird das katastrophale Folgen haben", warnte John Clarke, einer der diesjährigen Physik-Nobelpreisträger. Mit den Sparmaßnahmen und der politisch geförderten Wissenschaftsfeindlichkeit drohen die USA, ihren Ruf als Forschungs-Mekka zu verlieren.