Sonntag, 05. Mai 2024

European Games in Krakau
Russland und Belarus ausgeschlossen - Polen als Vorreiter für Paris?

Die polnische Regierung hat Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus von den European Games in Krakau ausgeschlossen - sehr zum Ärger des IOC. Dabei könnte der polnische Weg auch als Beispiel dienen für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.

Von Piet Kreuzer | 25.06.2023
Die European Games finden vom 21. Juni bis zum 2. Juli 2023 in Krakau statt.
Die European Games finden vom 21. Juni bis zum 2. Juli 2023 in Krakau statt. (IMAGO / Bildbyran / IMAGO / JESPER ZERMAN)
Die Sportler aus Russland und Belarus sind wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine von den European Games ausgeschlossen worden. Auch als das Internationale Olympische Komitee russische Sportler unter bestimmten Bedingungen wieder als neutrale Athleten zugelassen hat, änderten die Organisatoren und die polnische Regierung ihre Haltung nicht. Sehr zum Verdruss des IOC.
„Wir haben beschlossen, dass Sportler aus Russland und Belarus bei den European Games nicht starten dürfen. Und sie können auch nicht an den Olympia-Qualifikationen teilnehmen", so sagt es der Kommunikationsdirektor der European Games, Dawid Glen dem Deutschlandfunk. Er bekräftigt damit den Beschluss der polnischen Regierung und der Organisatoren der European Games. Bei dem 29 Sportarten umfassenden Multi-Sport-Event werden in zwölf Sportarten Europameisterschaften ausgetragen und in 19 Sportarten geht es um Quotenplätze oder Ranglistenpunkte für Paris 2024.

Polen kritisiert IOC-Entscheidung

Das Internationale Olympische Komitee fährt eine andere Politik. Das IOC hatte im März den internationalen Sportverbänden freigestellt, russische und belarussische Athleten starten zu lassen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden: Neutrales Auftreten ohne nationale Symbole, Einhaltung des Anti-Doping-Codes und der Nachweis, den Krieg nicht zu unterstützen. Polen gehört als Nachbarland der Ukraine zu den lautesten Kritikern dieser Entscheidung.
Nach Meinung von Timm Beichelt von der Europa-Universität Viadrina passt die strikte Haltung der polnischen Regierung zur Politik der EU: „Zunächst einmal gibt es ja auf übergeordneter Ebene eine politische Entscheidung, was die Einreise von Russinnen und Russen in die EU und in den in die Staaten der EU angeht. Und jetzt, rein formal, macht die polnische Regierung nichts anderes, als darauf einzugehen und keine Ausnahme für Sportlerinnen, Sportler oder auch Delegationen zu machen.“

Polnische Bevölkerung zeigt sich solidarisch mit der Ukraine

Dazu kommt: Polen und seine Bevölkerung zeigen sich solidarisch mit der Ukraine. Laut UN-Flüchtlingshilfe leben derzeit mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine in Polen. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum sich das Land gegen die Teilnahme von russischen Sportlern ausspricht. Es gibt auch Wunden aus der Vergangenheit, Überfälle des Russischen Reiches und der späteren Sowjetunion.
Dazu kommt die aktuelle Lage, sagt der Professor für Europa-Studien, Timm Beichtelt: "Das eigentliche Problem ist der russische Überfall auf die Ukraine, das in Polen historische Erinnerungen weckt. Man darf ja auch nicht vergessen, dass es vom Kaliningrader Gebiet nach Polen eine direkte Grenze gibt. Und das Kaliningrader Gebiet ist aufgerüstet. Und deswegen ist eben auch die Betroffenheit von einem Nachbarstaat, der sozusagen in den anderen Nachbarstaaten einmarschiert, besonders ausgeprägt." 
Vor diesem Hintergrund blieben die Polen hart und setzten sich mit dem Ausschluss russischer und belarussischer Athleten gegen die internationalen Sportverbände durch.

Nicht alle Verbände mit Ausschluss einverstanden

„Einige von ihnen wollten, dass Athleten aller Länder des Europäischen Olympischen Komitees starten. Sie kannten unsere Entscheidung und wollten unsere Entscheidung ändern. Aber wir haben gesagt: Wenn ihr Sportler aus diesen Ländern dabei haben wollt, hat euer Sport keinen Platz bei den Spielen“, sagt Dawid Glen. Dazu gehört der Judo-Verband.
Beim Box-Weltverband ist die Lage anders. Mittlerweile ist der Weltverband IBA vom IOC ausgeschlossen worden. "Beim Boxen gibt es 44 Olympia-Qualifikationen. Das ist die größte europäische Qualifikation für Paris." Die Olympia-Qualifikation wird wegen des Ausschlusses des Verbandes vom IOC organisiert, aber russische Boxer bleiben ausgeschlossen. 

Einzel-EM der Fechter nach Bulgarien verlegt

Lediglich mit den Fechtern wurde ein Kompromiss geschlossen. Der Fecht-Weltverband lässt russische Sportler zu und wollte ihnen auch die Olympia-Qualifikation ermöglichen Deshalb wurden die Einzel-Europameisterschaften am vergangenen Wochenende mit Russen von Krakau ins bulgarische Plovdiv verlegt. Da das IOC nur russische Einzelsportler als neutrale Athleten zulässt, aber keine Mannschaften, blieb die Team EM und gleichzeitige Olympia-Quali in Krakau. Damit konnten beide Seiten ihre Russland-Politik durchsetzen.
IOC-Präsident Thomas Bach kritisierte den Umgang der polnischen Regierung mit dem Thema bei der IOC-Session im Laufe der Woche: "Auf europäischer Ebene fanden am vergangenen Wochenende die Fecht-Europameisterschaften in Bulgarien statt. Der Internationale Fechtverband hatte diese Meisterschaften von Polen nach Bulgarien verlegt, weil sich die polnische Regierung in die Autonomie des Sports eingemischt hatte."

IOC-Präsident Bach: Ausschluss zerstört den Sport

Dagegen lobte Bach die Weltverbände im Judo, Taekwondo und Fechten, die Weltmeisterschaften mit sogenannten neutralen Athleten ausgerichtet hatten. Diese Titelkämpfe seinen hervorragend gewesen, es habe keine Probleme gegeben. Wer anders verfahre, würde den Sport zerstören: "In einem derart politisierten Sport sind universelle Olympische Spiele nicht mehr möglich. In einem derart politisierten Sport werden Weltmeisterschaften im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr möglich sein. Diese Politisierung wäre die Bewaffnung des Sports. Das widerspricht allem, wofür der Sport und wir in der olympischen Bewegung stehen."
Für den Politikwissenschaftler Beichelt könnten die European Games eine Vorreiterrolle haben. Zwar ließ IOC-Chef Bach auch wissen, dass er auf Präsident Emmanuel Macron baut, dass auch russische und belarussische Sportler ein Visum für Paris 2024 erhalten. Die französische Regierung könne aber trotz Verträgen aus politischen Gründen anders entscheiden. "Aber es ist eine staatliche, souveräne Entscheidung. Wenn sich der französische Staat entscheidet, russischen Sportlern keine Visa für Paris 2024 zu geben, dann kann das IOC machen was es will. Da die Olympischen Spiele die einzige oder die bei weitem größte Finanzierungsquelle für das IOC sind, ist das für das IOC selbst ein Dilemma. So schnell wird man da niemand anders finden."
In einer vorherigen Version dieses Text stand in einer Zwischenüberschrift „Einzel-EM der Fechter nach Budapest verlegt“. Diesen Fehler hat die Redaktion behoben.