
Grüne und Liberale wollen Untersuchungsausschuss
Derzeit bilden SPD und Linkspartei die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern. Die CDU musste in die Opposition wechseln, wo sie prompt den Untersuchungsausschuss zur Klimastiftung MV unterstützte. Sie stellt mit Sebastian Ehlers den Vorsitzenden. Warum will die CDU auf diesem Weg klären, was sie zuvor als Regierungspartner der SPD klaglos mitgetragen hatte?
„Ja, ich finde es schon wichtig, dass man mit offenen Karten spielt. Und es gab damals ja schon sehr viel Kritik gerade von Umweltverbänden. Die habe ich persönlich immer nachvollziehen können, weil: Also als Christian Pegel das bei uns in der Fraktion vorgestellt hat, haben wir über viele Themen gesprochen. Über Klimaschutz haben mit keiner Silbe gesprochen, weil es einfach mal klar ist, dass es um etwas anderes ging.“

Geheime Vorbereitungen russlandfreundlicher Sozialdemokraten
"Die Akten, die bisher vorliegen, da sieht man sehr deutlich, dass das eigentlich in so einem Dreiecksverhältnis gelaufen ist zwischen dem Energieminister Christian Pegel, dem Chef der Staatskanzlei Heiko Geue und der Ministerpräsidentin - alle SPD. Das Ganze in enger Rückkopplung mit der Nord Stream 2 AG, und es wird jetzt zu klären sein, wer da wirklich die Idee hatte und wer vielleicht auch den ersten Aufschlag gemacht hat. Ob es wirklich Herr Pegel oder jemand anderes war."
Die Pipeline gehört dem russischen Energiekonzern Gazprom, Hauptgesellschafter der Nord Stream 2 AG. Darüber hinaus zählen auch die deutschen Energieunternehmen BASF/Wintershall und UNIPER zu diesem Konsortium, das den Bau und den Betrieb der Ostseetrasse von Russland nach Vorpommern zum Ziel hat. Sie soll russisches Erdgas transportieren, genau wie die parallel verlaufende, seit 2011 arbeitende Schwestertrasse Nord Stream 1.

Rechtskonstrukt gegen US-Sanktionsdrohungen
Schwesigs Plädoyer für Gas aus der Ostseepipeline
Dann spricht die Schweriner SPD-Politikerin den heikelsten Punkt der künftigen „Stiftung Klima- und Umweltschutz“ an:
"Eine Besonderheit ist, dass sie auch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bekommen kann, der zeitlich befristet ist und genutzt werden kann, die Fertigstellung der Ostseepipeline 2 zu unterstützen. Und was hat die jetzt mit Klimaschutz zu tun, fragen sich einige? Es ist richtig, dass wir 2022 aus Atomenergie aussteigen. Es ist auch richtig, dass wir aus Kohlekraft aussteigen. Aber der Energiebedarf wird der gleiche sein, und gerade wir als Industrienation - und die wollen wir bleiben - sind angewiesen auf Energie. Und Ziel dieses Landes ist, dass wir unsere Energieversorgung aus erneuerbaren Energien stemmen. Und der Weg dahin, und das ist schon immer unsere Auffassung, ist Gas. Gas aus der Ostseepipeline anstatt Fracking-Gas."

Treffen Schwesigs mit Putin-Freunden Schröder und Warnig
Klimastiftung als "Spitze des Eisbergs" der Russland-Verbindungen
"Die Klimastiftung ist ja ein Stück weit nur die Spitze des Eisbergs. Wir haben ja nun über Jahre erlebt, dass hier gerade seitens der Staatskanzleien ein sehr enger Draht Richtung Russland gepflegt wurde. Ob es der `Russlandtag` war, ob es der Deutsch-Russische Partnerschaftsverein von Erwin Sellering war, ob es die `Wasserstoff-Hanse` war. Das war Gerhard Schröder noch kurz vor der Landtagswahl hier als Ehrengast da. Es gab Parteispenden in Richtung der SPD, die nachgewiesen sind. Es gab Spenden von Nord Stream 2 an den Verein von Erwin Sellering. Also es ist ein schon sehr, sehr enges Geflecht, was, glaube ich, einzigartig ist bundesweit. Von daher gehörte das alles zusammen mal herauszuarbeiten: Wo hat sich Nord Stream 2 noch eingebracht im Land? Wo haben sie noch Geld gegeben? An haben sie Geld gegeben? Was für Gegenleistungen gab es?“
Sellerings Vision von Frieden, Völkerverständigung und Wohlstand
Er habe seine Aufgabe als Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern zwischen 2006 und 2017 auch darin gesehen, Unternehmen, die sich hier ansiedeln und wirtschaften wollen, zu gemeinnützigem Engagement anzuregen. Einige russische Unternehmen wie Gazprom und die Nord Stream 2 AG hätten das getan - mit Spenden oder Sponsoring für Sportvereine, Kulturfestivals, Wirtschaftstage, sagt Sellering.
„Ich habe auch, als ich die Deutsch-Russische Partnerschaft gegründet habe, russische Unternehmen gebeten, das mit zu unterstützen. Denn das liegt ja auch in deren Interesse, dass sich die Völker beider Nationen, in denen sie wirtschaftlich tätig sind, verstehen. Und dass Völkerverständigung da ist und Frieden und gegenseitiges Verständnis. Das dürfen wir übrigens auch für die Zukunft nicht aufgeben, auch wenn die Verhältnisse im Moment ganz besonders schwierig sind.“
Ehlers: "Große Nähe zu Russland" in MVP
Seit 1998 stellt die SPD in Mecklenburg-Vorpommern ununterbrochen Ministerpräsidenten: Harald Ringstorff, Erwin Sellering, nun Manuela Schwesig. Spätestens seit der russischen Krim-Annexion 2014 ist im beschaulichen Schwerin wie auch in Berlin gelegentlich die Rede von einer „Schweriner Neben-Außenpolitik“. Gemeint ist die vergleichsweise häufige und deutliche Kritik an bestimmten Russlandsanktionen der EU und der Bundesregierung. Gemeint ist auch die Gründung der Klimastiftung MV, um Strafdrohungen aus Washington zu unterlaufen und die zweite Ostseepipeline von Nord Stream fertigzubekommen.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern hätten einige Kritiker sie für energie- wie sicherheitspolitisch falsch gehalten, sagt Sebastian Ehlers. Doch der CDU-Politiker, der 1982 in Schwerin geboren wurde und sein Bundesland nie verlassen hat, meint auch: Ein Großteil der Bevölkerung ticke in diesem Punkt ganz ähnlich wie die SPD-geführten Regierungen.
„Es gibt in den neuen Bundesländern natürlich ein hohes Maß auch an Antiamerikanismus und eine große Nähe zu Russland, teils historisch begründet, teils aus gemeinsamen Entwicklungen nach der friedlichen Revolution. Das hat die SPD eiskalt ausgenutzt, und dabei war auch eigentlich die Moral ziemlich egal. Dem Vorwurf muss man sich schon stellen. Und die Ergebnisse sehen wir jetzt ja. Wenn Frau Schwesig nach Polen reist, kriegt sie keine Termine bei hochkarätigen Vertretern.“
Rechtsprofessorin erklärt Stiftungskonstrukt für nicht auflösbar
Das wäre satzungswidrig und würde den Tatbestand der Untreue erfüllen, wehrt sich der Vorstandsvorsitzende Erwin Sellering. Auch was die geforderte Auflösung der „Klimastiftung MV“ angeht, spielt ausgerechnet Schwesigs politischer Ziehvater nicht mit. Die Landespolitik würde damit aus seiner Sicht nachträglich den Kritikern von Fridays for Future über die Grünen bis zum Verein Deutsche Umwelt Recht geben. Sie hatten stets von einer „klimaschädlichen Fake-Stiftung“ und von „Putins Gas-Lobbyisten“ gesprochen.
Schwerin, 22. April: In seinem Lieblingsrestaurant stellt Stiftungschef Erwin Sellering die Bochumer Rechtsprofessorin Katharina Uffmann vor. Sie hat ein Rechtsgutachten erstellt. Es bestätigt Sellerings bisherige Auffassung.
Der Vorstand würde mit einem Auflösungsbeschluss gegen die eigene Satzung und gegen das deutsche Stiftungsrecht verstoßen, denn weder seien die gemeinnützigen Satzungszwecke wie Klima-, Natur- und Umweltschutz in Mecklenburg-Vorpommern entfallen, noch sei deren Umsetzung etwa durch Geldmangel unmöglich geworden. Auch die Stiftungsbehörde, das Justizministerium, könne hier nicht rechtskonform eingreifen und die Klimastiftung MV auflösen - Parlamentsbeschluss hin oder her, erklärt die Gutachterin Katharina Uffmann:
"Das ist, wenn man sich die politische Diskussion anschaut, schwer zu begreifen, weil man sich sagt: 'Naja, das hat man gegründet. Das kann man dann doch auch wieder zumachen.' Wie so eine GmbH oder einen Verein - man macht einfach einen Auflösungsbeschluss! Das geht aber nur, wenn man ein Willensbildungsorgan hat, sprich: Gesellschafter, Eigentümer, Vereinsmitglieder. Die Stiftung ist eben ein besonderes rechtliches Konstrukt, was eigentümer- und mitgliederlos ist.“
Kompromißlösung und Abwicklung der Stiftung bis September
Ein von Ministerpräsidentin Schwesig neu berufener Vorstand soll die Auflösung der Stiftung betreiben. Vorher muss der jetzige Vorstand zurücktreten. Das könne im September geschehen, denn bis dahin soll der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb abgewickelt sein, erklärt Erwin Sellering.
Im Gegenzug sichert die rot-rote Landesregierung zu, die bisherige Natur- und Klimaschutzarbeit der Stiftung wie gehabt mit vier Mitarbeitern fortzusetzen - dann unter dem Dach einer landeseigenen Energieagentur. Damit könne unter anderem ein Experiment zum Anbau von Kohlendioxid-bindenden Seegraswiesen in der Ostsee weitergehen, würdigt Erwin Sellering den Kompromiss. Trotz allem bedauert er das politisch gewollte Ende der Klimastiftung MV. "Aber wir machen jetzt den Weg frei, damit die Regierung versuchen kann, ob sie einen für sich gangbaren rechtskonformen Weg findet."
Parlamentsausschuss untersucht Regierungs- und Stiftungsakten
Der Obmann der SPD-Fraktion im Ausschuss Thomas Krüger hat sich allerdings bereits Elemente einer „Vorwärtsverteidigung“ zurechtgelegt. Seinen Gegnern hält er widersprüchliches Verhalten vor und reibt zum Beispiel den grünen Parlamentskollegen unter die Nase, dass ausgerechnet der grüne Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck Gas „im autokratischen Katar einkaufen“ wolle. Thomas Krüger sagt auch, es habe sich niemand vorstellen können, dass Putin Zitat „einen fürchterlichen Krieg in Europa“ anfangen würde.
„Mit diesem Krieg gibt es ein Vorher und ein Nachher. Die SPD hat vorher zum Projekt Nord Stream 2 gestanden. Das ist unsere Verantwortung. Es ging um Versorgungssicherheit, es ging um bezahlbare Energie, und es ging um ein friedliches Miteinander. Jetzt haben wir Krieg. Der Krieg ändert alles. Wir sind im Nachhinein. Meine Damen und Herren, ich werde es Ihnen aber nicht durchgehen lassen, so zu tun, als wäre die Verantwortung für das Vorher, zudem wir stehen, alleine die Verantwortung der SPD.“