Vor Regierungsbildung
Keine baldige Reform der Schuldenbremse in Sicht

Den einen gilt sie als Kern solider Haushaltspolitik, anderen als Ursache des Investitionsstaus in Deutschland: die Schuldenbremse. Nach der Bundestagswahl wird ihre Änderung erneut diskutiert. CDU-Chef Merz will keine kurzfristige Reform.

    Der Vollmond ist am Abend am Himmel über der teileingestürzten Carolabrücke. Ein Strang der Brücke ist gebrochen, die Bruchstelle zeigt nach oben. Im Hintergrund sind Häuser.
    Sollte nicht so sein: In Deutschland sind viele Schulen, Straßen und Monumente wie hier die Carolabrücke in Dresden sanierungsbedürftig – auch weil Geld für Investitionen fehlt. (picture alliance / dpa / Robert Michael)
    Der Investitionsstau in Deutschland ist groß. Bildung, Digitalisierung, Klimaschutz, Verkehr, Verteidigung – die Infrastruktur des Landes muss in vielen Bereichen modernisiert werden.
    Nach den Bundestagswahlen würde die Reform der Schuldenbremse der nächsten Bundesregierung mehr finanziellen Spielraum geben. Schon vor den ersten Koalitionsgesprächen zwischen der Union und der SPD geht es deshalb um die damit verbundene Grundgesetzänderung. Befürworter und Gegner der Schuldenbremse argumentieren mit dem Begriff der Generationengerechtigkeit. Die Bremse führe zum Sparen auf Kosten der Zukunft, so Kritiker. Unterstützer der Regel sehen sie als wichtiges Instrument, um staatliche Zinslasten zu begrenzen und finanzielle Spielräume zu erhalten.

    Inhalt

    Warum wird die Schuldenbremse kurz nach der Bundestagswahl diskutiert?

    Die Schuldenbremse war ein wichtiger Treiber des Scheiterns der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Herbst 2023 zur Einhaltung der Schuldenregeln im Grundgesetz verschärften sich die Konflikte innerhalb der Ampelkoalition über den Kurs in der Haushalts- und Finanzpolitik – bis hin zum Bruch des Regierungsbündnisses im November 2024.
    Nach den vorgezogenen Neuwahlen haben die SPD und die Grünen erneut die Diskussion über den Umgang mit der Schuldenbremse angestoßen. Im Fokus stehen dabei auch angesichts des politischen Kurses der USA unter Präsident Donald Trump Investitionen für die Verteidigung Deutschlands.
    Ein Knackpunkt in der aktuellen Übergangssituation: Für eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Im neuen Bundestag haben AfD und Linkspartei gemeinsam eine sogenannte Sperrminorität, wodurch sie die benötigte Mehrheit verhindern können. Noch ist der neu gewählte Bundestag nicht konstituiert, dazu ist noch bis zum 25. März Zeit. Deswegen haben SPD und Grüne gefordert, die Schuldenbremse kurzfristig noch im scheidenden Bundestag zu ändern.
    Doch einer baldigen Reform der Schuldenbremse erteilte der Wahlsieger, CDU-Chef Friedrich Merz, am 25. Februar eine Absage. "Es ist in der naheliegenden Zukunft ausgeschlossen, dass wir die Schuldenbremse reformieren", so Merz. Er wolle nun zunächst einen "Kassensturz" zur Finanzlage der Regierung machen. Dem anderen Vorschlag über ein neues Sondervermögen, um Finanzmittel für Verteidigung zu ermöglichen, gab Merz ebenfalls keine Zustimmung. Darüber will er zumindest mit SPD und Grünen reden.
    Umstritten ist die Regelung der strengen Schuldenregeln in Deutschland bereits seit ihrer Aufnahme ins Grundgesetz 2009.

    Was ist die Vorgeschichte?

    Die Schuldenbremse wurde nach der Finanzkrise von 2007/08 eingeführt. Ein "schlanker" Staat mit hoher Ausgabendisziplin wurde von der Großen Koalition unter Angela Merkel (CDU) propagiert. Die Kanzlerin erklärte das maßvolle Wirtschaften einer "schwäbischen Hausfrau" zum Vorbild.
    Schon damals gab es viel Kritik an diesem Vergleich zwischen Privat- und Staatshaushalten – oft versehen mit dem Hinweis, dass die Staatsverschuldung in anderen Industrienationen deutlich höher liegt. Wechselnde Finanzminister – darunter Peer Steinbrück, Olaf Scholz (beide SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) – riefen in den Folgejahren die "schwarze Null" als haushaltspolitisches Ziel aus.
    Eine Wende brachten die Coronapandemie sowie der Krieg in der Ukraine. Um auf die Krisen zu reagieren, weitete der Staat die Kreditaufnahme erheblich aus. Dies war aber nur möglich durch eine Ausnahmeregelung der Schuldenbremse in Notlagen. Doch diese Erklärung von Notlagen war politisch und juristisch umstritten – wie das erwähnte Urteil aus Karlsruhe zeigte.
    Nettokreditaufnahme des Bundes von 2008 bis 2023 (Ist-Werte in Milliarden Euro)
    Mal ausgeglichene Haushalte, dann massive neue Schulden: Nettokreditaufnahme des Bundes von 2008 bis 2023. (Statista)

    Wie sehen die Vorschläge der Wirtschaftsweisen zur Schuldenbremse aus?

    Über die Schuldenbremse wird seit Jahren auch unter Ökonomen, Finanz- und Politikwissenschaftlern kontrovers diskutiert. Die Bestimmungen seien zu starr, teilten die sogenannten Wirtschaftsweisen Anfang 2024 mit.
    Die Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Münchener Ökonomieprofessorin Monika Schnitzer, sprach sich für eine umfassende Flexibilisierung aus: Schulden machen sei „dann gut, wenn man zukunftsorientierte Investitionen machen möchte, von denen auch die nächste Generation etwas hat. Das ist nun etwas, wofür es sich lohnt, Schulden zu machen.“
    Der Sachverständigenrat schlug unter anderem vor, die Defizitgrenzen nach der Höhe der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote zu staffeln. "Defizitgrenzen, die bei niedrigen Schuldenstandsquoten eine höhere Kreditaufnahme erlauben als bisher, erweitern die fiskalischen Spielräume moderat, ohne die Tragfähigkeit zu gefährden", sagte Veronika Grimm, ebenfalls Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft.

    Welche Parteien sind für oder gegen eine Reform der Schuldenbremse?

    Auch schon zu Ampelzeiten haben sich SPD und Grünen für eine Lockerung der Schuldenbremse stark gemacht – zugunsten von mehr Investitionen. Die FDP als Teil der Bundesregierung sperrte sich dagegen. Auch die AfD positioniert sich seit Jahren als Bewahrer der Schuldenvorschriften. Die Linkspartei ist hingegen für Änderungen der Schuldenbremsen oder ihre Abschaffung offen.
    Nachdem die Union jahrelang strikt für die Schuldenbremse war, schien sie sich Ende 2024 bei diesem Thema zu bewegen. CDU-Länderchefs riefen nach Lockerungen, denn die Schuldenbremse trifft die Bundesländer ganz besonders.
    Aktuell gibt es auch Stimmen aus unterschiedlichen Parteien, die die Vertretbarkeit gegenüber Wählern und Wählerinnen anzweifeln, wenn der scheidende Bundestag noch eine Grundgesetzänderung beschließen sollte – auch wenn es verfassungsrechtlich möglich wäre.
    Nach Einschätzung des Politologen Martin Florack hat sich die Union in dieser Übergangssituation nach der Wahl in eine Sackgasse manövriert, das Thema Schuldenbremse anzufassen. „Eine systematische Neuregelung zur Schuldenbremse wäre hochgradig komplex und hätte auch langfristige Wirkung, die man erst einmal überblicken müsste.“
    Nun bleibt abzuwarten, wie die Union und Merz als Kanzler sich in der kommenden Regierungsverantwortung positionieren wird.


    tei, cp