
Ende August 2025 berät der Haushaltsausschuss des Bundestags in einer öffentlichen Sitzung unter anderem auch über die Errichtung des Sondervermögens für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität. Die genauen Regeln für die Verwendung sind entscheidend, damit das Geld auch wirklich hilft, den Investitionsstau zu beheben.
Wohin soll das Geld genau fließen?
Insgesamt geht es um 500 Milliarden Euro. Davon sollen 100 Milliarden für Investitionen der Länder bereitstehen, weitere 100 Milliarden für den Klimaschutz. Die restlichen 300 Milliarden Euro bekommt der Bund für zusätzliche Investitionen etwa in die Verkehrs-, Energie-, Krankenhaus-, Bildungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in den Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Digitalisierung sowie für Forschung und Entwicklung.
100 Milliarden Euro an die Bundesländer
Nach den Plänen der Bundesregierung werden die 100 Milliarden Euro gemäß dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ auf die Bundesländer verteilt. Das Verfahren orientiert sich am jeweiligen Steueraufkommen und der Einwohnerzahl der 16 Länder. Diese können mit den Geldern Investitionen finanzieren. Die Maßnahmen können laut Gesetzentwurf bis Ende 2036 bewilligt werden. Über die Verwendung sollen die Landesregierungen dem Bund jährlich berichten. Wie die Länder die Gelder konkret verwenden, steht noch nicht fest.
Unklarheit bei den Bildungsinvestitionen
Quer durchs Land müssen die Schulen dringend saniert werden. Rund 130 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur müssten deswegen allein für den Bildungsbereich ausgegeben werden, fordert die Bildungsgewerkschaft GEW. Aber die Realität sieht anders aus. Für 2026 werden nur gut sechs Milliarden Euro aus dem Sondervermögen in die Kindertagesbetreuung und die digitale Ausstattung von Schulen investiert. Dazu könnten Gelder aus den 100 Milliarden Euro kommen, die an die Bundesländer fließen werden.
100 Milliarden für den Klimaschutz
Ein Fünftel der Ausgaben ist für das Klima vorgesehen – die Regierung plant hier allerdings auch Investitionen in fossile Technologien. So soll etwa Geld in LNG-Terminals fließen. Das Flüssigerdgas wird primär aus den USA importiert und hat eine schlechtere Klimabilanz als Kohle. Es brauche mehr Infrastruktur für Gas, um den Übergang hin zu erneuerbaren Energien zu organisieren, sagt Dirk Messner, der Chef des Umweltbundesamtes. Entscheidend sei aber, dass diese Infrastruktur so aufgebaut werde, dass man sie auf grünen Wasserstoff umrüsten könne. Entsprechende Anforderungen sieht Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) aber bisher nicht vor.
Zudem möchten SPD und Union auch die Gas- und Strompreise senken. Insgesamt sollen Verbraucher und Unternehmen in den Jahren 2026 bis 2029 um rund 42 Milliarden Euro entlastet werden. Die Grünen sind empört: Mit Geldern, die eigentlich dem Klimaschutz dienen sollen, klimaschädliches Gas zu fördern, sei Lobbypolitik.
81 Milliarden Euro an die Bahn
Die Deutsche Bahn AG und der Bund als Eigentümer des Konzerns wollen so viel wie nie zuvor in die Schieneninfrastruktur investieren. Zur Sanierung des maroden Bahn-Netzes sollen bis 2029 rund 107 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Rund 81 Milliarden Euro davon kommt dpa-Informationen zufolge aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen der Bundesregierung.
Der Großteil des Geldes ist für den Erhalt und die Erneuerung der Infrastruktur eingeplant. Neue Schienenstrecken spielen eine untergeordnete Rolle. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, sieht das kritisch. Man brauche neue Strecken, „wenn der Schienenverkehr so wachsen soll, wie die Wirtschaft es sich wünscht, wie die Leute es sich wünschen. Und da liegt definitiv trotz Sondervermögens kein Schwerpunkt darauf im Moment.“
Etwa 30 Milliarden Euro für das Gesundheitssystem
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) möchte den Krankenhäusern einmalig vier Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität bereitstellen, um die wirtschaftliche Lage zu beruhigen. Im vergangenen Jahr hätten mehr als die Hälfte der Krankenhäuser defizitär gearbeitet. Also das Jahr mit Verlusten abgeschlossen.
Über die Soforthilfe hinaus, möchte der Bund 25 Milliarden Euro bereitstellen, um die Krankenhausreform finanziell abzusichern. Ziel ist es, sehr vereinfacht ausgedrückt, mit weniger Standorten bessere Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Was kann mit dem Geld erreicht werden?
Die meisten Experten sind sich einig: Die Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur von jeweils 500 Milliarden Euro dürften zu einem spürbaren Schub für die schwächelnde Wirtschaft führen.
„Das Geld findet sehr schnell seinen Weg in die Realwirtschaft und stellt einen beträchtlichen Fiskalimpuls von mehr als einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes dar“, prognostiziert der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer.
Bundesregierung beschränkt sich nicht auf Investitionen
Zahlreiche Experten betonen, dass es entscheidend ist, dass die Gelder auch wirklich in Investitionen fließen und nicht in Konsumausgaben. Nur dann könnten sie auch die Infrastruktur wieder auf Stand bringen. Doch einige der geplanten Ausgaben wecken Zweifel daran.
Beispielsweise die Sofort-Hilfe für Krankenhäuser. „Da wird ja nicht irgendwas neu gebaut. Das heißt, das sind keine Investitionen“, sagt der Gesundheitsökonom Boris Augurzki. Es gehe stattdessen um eine Betriebskostenunterstützung.
Die Grünen hatten der Grundgesetzänderung zugunsten des Sondervermögens noch im alten Bundestag zugestimmt. Nun beklagt die Grünen-Haushaltspolitikerin Paula Pichotter, dass Schwarz-Rot die Investitionsmittel zum Teil zweckwidrig verwende: „Das ist keine Investition, wenn ich Betriebskostenzuschüsse für vergangene Jahre auszahle aus dem Sondervermögen oder auch Milliarden für die feuchten Raumfahrtträume von Markus Söder. Das sind keine Brücken am Ende.“
Schulden fließen in fossile Subventionen
Auch bei den Ausgaben für Klimaschutz taucht dieses Problem auf. Die Gelder seien eine echte Chance für Klimaschutz, sagt Messner vom Umweltbundesamt. Doch die Regierung müssen sich bei den Ausgaben an vier Prinzipien halten. Es müssen zusätzliche Investitionen getätigt werden, die Schuldengelder sollen also nicht in Maßnahmen fließen, die vorher aus dem Haushalt bezahlt wurden. Die Mittel müssten tatsächliche Weichenstellungen finanzieren, statt fossile Technologien zu subventionieren. Und die Maßnahmen müssen verlässlich und sozial ausgewogen sein.
Die Bundesregierung folgt diesen Gedanken aber bisher nicht strikt. Durch das Sondervermögen verschafft sie sich Luft im Haushalt und hält an Subventionen fest oder holt bereits abgeschaffte fossile Subventionen sogar zurück: Die Agrardieselrückvergütung soll zurückkommen und die Pendlerpauschale ausgeweitet werden.
Zudem sind 500 Milliarden Euro zwar sehr viel Geld, aber nicht genug, um die nötigen Investitionen zu stemmen. Nach einer Befragung des Deutschen Instituts für Urbanistik im Auftrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau haben alleine die Kommunen einen Investitionsrückstand von 215,7 Milliarden Euro. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hatte den Investitionsbedarf für ganz Deutschland im Frühjahr 2024 auf 600 Milliarden Euro geschätzt.
Nach Einschätzung des Linken-Haushaltspolitikers Dietmar Bartsch wird das Sondervermögen nicht ausreichen, um den hohen aufgelaufenen Investitionsstau zu decken: „Sie wecken damit gigantische Erwartung, und ich kann Ihnen sagen: Sie werden gigantische Enttäuschung produzieren.“
Welche negativen Nebeneffekte werden befürchtet?
Die Politik erzeugt mit den Milliarden viel zusätzliche Nachfrage. Doch wenn die Wirtschaft ihre Produktion nicht entsprechend steigern kann, könnte das zu höheren Preisen, statt zu mehr Angebot führen.
Dieses Szenario drohe in der Bauwirtschaft, sagt Oliver Falck, Leiter des Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien am Ifo-Institut. Der Tiefbau sei beispielsweise schon heute relativ weit ausgelastet. Und mehr Nachfrage führe in so einer Situation nicht unbedingt zu viel mehr Angebot – aber schnell zu steigenden Preisen.
Überwiegend treffe die steigende Nachfrage aber auf Industrien mit ausreichend Kapazitäten, sodass es nicht zu Engpässen kommen sollte, sagt David Kohl, Chefvolkswirt der Schweizer Privatbank Julius Bär. Zudem sind die Sondervermögen auf einen Zeitraum von zwölf Jahren ausgelegt. Der lange Zeithorizont werde dafür sorgen, dass die Ausgaben zu keinem nennenswerten Anstieg der Inflation führen, meint Kohl.
Auch die Währungshüter des Euroraumes haben mögliche Wirkungen der Sondervermögen auf die Inflation sehr genau im Blick. Die Erhöhung der Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben könnte die Inflation auf mittlere Sicht ansteigen lassen, stellte die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, Ende Juli in Frankfurt fest.
Bislang sind noch keine Preissteigerungen zu beobachten, die auf die Sondervermögen zurückgeführt werden können. Das liegt daran, dass die Investitionsgelder erst allmählich durchsickern werden: Bau- und Sanierungsprojekte jeglicher Art haben eine vergleichsweise lange Planungs-, also Vorlaufzeit.
pto