Donnerstag, 25. April 2024

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Ministerin zum Bildungsgipfel
Stark-Watzinger will "Reformprozess" starten

Lehrermangel, Lerndefizite nach Corona, Investitionsstau: Probleme gibt es genug in der Bildungspolitik. Deshalb müsse man Ziele setzen, sagte Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger im Dlf. Wie viel Geld der Bund zusätzlich gibt, ließ sie offen.

Bettina Stark-Watzinger im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 14.03.2023
Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, nimmt an der Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt teil
Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, hat zu einem nationalen Bildungsgipfel geladen (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Beim sogenannten Bildungsgipfel in Berlin soll über Verbesserungen insbesondere an den Schulen beraten werden. Zu diesem "Reformprozess" seien alle eingeladen, sagte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), im Deutschlandfunk. Mit dem Gipfel wolle sie mit allen Beteiligten in einen "strukturierten Prozess" starten. Insgesamt seien mehr als 1.000 engagierte Menschen aus dem Bildungswesen da.

Kritik aus den Ländern an "Showveranstaltung"

Als wichtige Themen nannte Stark-Watzinger den Mangel an Lehrkräften, notwendige Verbesserungen der Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, den Investitionsstau und das Nichtvorhandensein eines flächendeckenden digitalen Unterrichts.
Mehrere Bildungsministerinnen und -minister aus den Ländern - vor allem aus der CDU - hatten ihre Teilnahme am Gipfel abgesagt. Karin Prien, die christdemokratische Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, sprach von einer "Showveranstaltung", die ungeeignet sei, die Themen anzugehen. Auch von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Stiftungen kam Kritik am Vorgehen der Bundesregierung.
Angesichts der Hinweise aus den Ländern, dass Bildungspolitik vor allem Ländersache sei, sagte die Ministerin, es gehe nicht darum, "zentrale Bildungspolitik in Berlin zu machen". Aber der Bund sei bereit sich zu engagieren, um einen "Mehrwert" zu erbringen.
Man sei in der Vergangenheit nicht erfolgreich gewesen, deshalb müsse man sich Ziele setzen, so die Ministerin. Trotz mehrfacher Nachfrage sagte Stark-Watzinger im Interview nichts dazu, wie viel Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zusätzlich für die Bildung bereitstellen wird.

Das Interview im Wortlaut:

Tobias Armbrüster: Frau Stark-Watzinger, wird das heute mehr als ein kurzer Meinungsaustausch?
Bettina Stark-Watzinger: Auf jeden Fall, Herr Armbrüster, weil die Herausforderungen, die eben in den Beiträgen ja auch beschrieben wurden, sie sind groß im Bildungswesen. Wir sprechen über viele Themen, Kompetenzen bei unseren Schülerinnen und Schülern, aber auch die Infrastrukturen.
Mit dem Bildungsgipfel heute bringen wir alle Akteure zusammen. Wir bringen sie zusammen, um zu starten in einen strukturierten Prozess. Denn es geht nicht um ein Papier, das wir vielleicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner verhandelt haben, wie wir das klassisch kennen, sondern es geht darum, dass wir uns auf einen Weg begeben, um gerade die Herausforderungen mal jenseits des Armdrückens von konkreten Verhandlungssituationen in den großen Treffen, die wir haben in KMK und anderen Bereichen, sondern wirklich mit allen, mit Zivilgesellschaft, mit den Stiftungen, die Innovation ins Bildungssystem bringen, wirklich in diesen Prozess einzusteigen, den Reformprozess zu starten.
Armbrüster: Was kann denn ein solcher Gipfel, ein solches Treffen bringen, wenn keiner von den wirklichen Entscheidern mitmachen will?
Stark-Watzinger: Gut! Wir haben ja Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen, Ländern und vom Bund. Wir haben aber auch die Schülerinnen und Schüler, wir haben die Lehrerinnen und Lehrer.
Armbrüster: Nur nicht die Minister. Die fehlen, die wollen nicht kommen.
Stark-Watzinger: Sie sind alle eingeladen. Aber es war von vornherein ja auch geplant, dass bei der Diskussion auf dem Panel dann die Vertreterinnen und Vertreter, KMK und dann die unions-geführten und die SPD-geführten Länder vertreten sind. Ties Rabe und Frau Busse sind ja auch da. Und ich möchte noch mal sagen, es sind über tausend Menschen da, die im Bildungswesen engagiert sind und sich einbringen, und wir brauchen sie alle. Insofern starten wir heute, weil wir wollen eins: Wir wollen ja weg vom Fingerzeigen. Wir wollen ja nicht über uns reden, sondern es geht hier um die Kinder in unserem Land. Deswegen sollten wir heute mal uns auf den Weg machen, als Team Bildung zu agieren.

Wie schicken wir Kinder ins Leben?

Armbrüster: Aber um noch mal darauf zurückzukommen auf diese Gästeliste und die vielen Menschen, die da jetzt fehlen, auch wenn viele Leute dabei sind, die da sicher gerne mitdiskutieren und auch etwas sagen wollen. Es scheint ja festzustehen, dass sich die Bundesländer von Ihnen im Bund nichts vorschreiben lassen wollen, oder?
Stark-Watzinger: Es geht ja auch nicht darum, zentrale Bildungspolitik in Berlin zu machen, aber wir brauchen alle und der Bund engagiert sich hier auch schon und der Bund ist auch bereit und will auch sich engagieren, da wo wir einen Mehrwert bringen. Aber wir sehen ja, dass wir in der Vergangenheit nicht erfolgreich waren. Sonst würden wir ja nicht vor der Situation stehen, die wir heute sehen. Sondern wir müssen uns klare Aufgaben geben. Wir müssen uns Ziele setzen. Wir müssen vor allen Dingen auch verbindlich arbeiten und uns messen lassen.
All das sind Themen, die wir miteinander diskutieren müssen. Es geht nicht darum, dass wir jetzt eine neue Zahl in den Haushalt schreiben. Bildung kostet Geld; bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Aber wir müssen uns doch daran messen lassen, wie wir unsere Kinder in ihr Leben schicken, welche Kompetenzen sie entwickeln. Wir müssen diese Umkehr in der Blickweise, in der Denkweise gehen und da wollen wir heute zusammen diesen Startschuss geben. Es ist der Auftakt zu etwas. Es ist ein Start und nicht das Ende.
Armbrüster: Und der Bundeskanzler wollte nicht kommen?
Stark-Watzinger: Wir sind natürlich im Kabinett. Ich bin übrigens sehr froh, dass wir über Bildung jetzt endlich auch wieder mehr diskutieren, weil das Jahr der Zeitenwende hat viele andere Themen auf der Agenda der Krisenbewältigung gehabt, wo wir sehen, dass gerade im Bereich der Bildung unheimlich viel zu tun ist, auch durch Corona, nicht nur, aber auch durch Corona. Deswegen wird es Zeit. Wir starten jetzt in dieses Nachkrisenjahr, um nicht mehr nur über die Befunde, die wir heute noch mal auf den Tisch legen, sondern auch über den Weg zu Lösungen zu sprechen.

Lehrerinnenmangel und Investitionsstau

Armbrüster: Dann können wir vielleicht mal über Befunde und Ihre Erkenntnisse sprechen. Was haben denn die Bundesländer in den vergangenen Jahren falsch gemacht in der Bildungspolitik? Wo muss man jetzt nachbessern, wo muss man möglicherweise am schnellsten und am dringendsten nachbessern?
Stark-Watzinger: Ja, es ist immer leicht, über andere zu sprechen, aber wir sehen die Herausforderungen, die da sind. Wir sehen den Lehrerinnen- und Lehrermangel, wir sehen den Investitionsstau und wir sehen auch, dass moderner digitaler Unterricht nicht flächendeckend vorhanden ist, und das sind ja auch die Grundlagen, gerade wenn wir auf Lehrerinnen und Lehrer schauen, weil sie ja wichtig sind für den Lernerfolg, für den Schulerfolg unserer Kinder. All das sind Themen. Wir müssen uns überlegen, wie wir die Schnittstellen gut gestalten. Wer kann was auch dazu beitragen? Insofern ist diese Gemeinsamkeit der Themen jetzt anzugehen, aber uns klare Ziele zu setzen, auch mit der Wissenschaft zusammenzuarbeiten.
Armbrüster: Frau Stark-Watzinger, Sie haben am Wochenende in einem Interview schon gesagt, Sie wollen den Lehrerberuf in Deutschland noch attraktiver machen mit Extraprämien für besonders erfolgreiche Lehrkräfte. Sind Lehrerinnen und Lehrer nicht gut genug bezahlt in Deutschland?
Stark-Watzinger: Der Beruf Lehrerin/Lehrer ist ein wichtiger und er muss auch die Attraktivität und auch den gesellschaftlichen Stellenwert haben, den er verdient, und es müssen attraktive Arbeitsorte sein, in denen man auch frei entscheiden kann, aber es muss auch gezeigt werden, dass wir die Leistung von unheimlich motivierten Menschen im Bildungssystem sehen, und das ist ein Element, das man diskutieren muss.

"Startchancen" als neue Form der Zusammenarbeit

Armbrüster: Wieviel Geld wollen Sie denn von Ihrem Parteikollegen und Finanzminister Christian Lindner für solche Maßnahmen?
Stark-Watzinger: Wir haben ja ein Grundgesetz und wir bezahlen nicht die Lehrerinnen und Lehrer, aber wir bringen uns natürlich ein. Wir wollen ja mit dem Startchancen-Programm, das ja eine neue Form der Zusammenarbeit auch sein kann, ein Teil dessen, was wir diskutieren in den nächsten Wochen, wo wir zusammenarbeiten, um die Schulen besser aufzustellen im Sinne von mehr Selbständigkeit, weil sie ein eigenes Budget haben, um vor Ort wirklich die pädagogischen Konzepte entwickeln zu können, mit Investitionen in Infrastruktur und mit mehr Schulsozialarbeit. Das ist das Ziel für 2024.
Armbrüster: Das kostet ja alles Geld. Deshalb noch mal die Frage: Mit wieviel zusätzlichen Ausgaben im Bildungsbereich rechnen Sie da?
Stark-Watzinger: Wir reden jetzt wieder. Verstehen Sie mich nicht falsch. Bildung kostet Geld und Christian Lindner hat sich ja auch schon bereit erklärt, deutlich mehr Geld in die Bildung zu geben. Auf der anderen Seite ist das auch eine Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Ländern. Das heißt, der Bund wird sich engagieren, aber es geht wirklich darum, dass wir uns die Ziele setzen und dann auch immer daran arbeiten, dass das Geld genau da ankommt, wo wir es brauchen, wo es wirklich auch eingesetzt wird, und nicht das Prinzip Gießkanne, und dann kommt am Ende auch noch das Preisticket. Aber der Bund ist bereit, sich zu engagieren.
Armbrüster: Das heißt, Sie wollen keinen Plan nennen, keine Zahl? Ihnen müsste doch irgendetwas vorschweben von dem, was das kostet, was Sie vorhaben.
Stark-Watzinger: Ja! Mit den Ländern sind wir A schon in der Planung und B ist ja auch die Bildungsmilliarde, die zusätzliche Bildungsmilliarde schon vom Finanzminister erwähnt worden. Insofern sind das die Ausgangsvoraussetzungen, uns auf den Weg zu machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.