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Wachstumsmarkt Luftraum
Die Drohnenindustrie hebt ab

Mit großen Erwartungen fließt auch viel Geld in die deutsche Drohnenindustrie. Die Welt wird sich durch Drohnen verändern, heißt es. Doch bevor Lieferdrohnen und Flugtaxis hierzulande zum Einsatz kommen, müssen noch viele Fragen geklärt werden – vor allem, ob wir sie brauchen.

Von Timo Stukenberg | 27.12.2021
Das Lufttaxi-Modell "CityAirbus" steht nach einen Testflug wieder auf dem Boden.
Das etwa 2,3 Tonnen schwere Lufttaxi-Modell "CityAirbus" steht nach einen Testflug wieder auf dem Boden (picture alliance/dpa/Peter Kneffel)
Man muss kein Freund von Science-Fiction sein, um zu ahnen, dass sich auch unsere Welt durch Flugobjekte verändert. Zivile Drohnen könnten bald Kurierdienste übernehmen und auch Menschen transportierten. Unternehmen investieren Milliarden in die Technologie. Doch bis über Deutschland tatsächlich Tausende Drohnen kreisen könnten, ist es noch ein weiter Weg. Und auch die Klimabilanz ist umstritten.
Laut einer Studie der Beratungsfirma Roland Berger aus dem November vergangenen Jahres sollen 2050 160.000 Passagierdrohnen unterwegs sein. Weltweit fließen Milliarden US-Dollar in Start-ups und Entwicklungsprojekte – und deren Versprechen.
Grafik zeigt prognostizierte Anzahl der weltweit zur Passagierbeförderung eingesetzten Drohnen in den Jahren 2030, 2040 und 2050
Prognostizierte Anzahl der weltweit zur Passagierbeförderung eingesetzten Drohnen in den Jahren 2030, 2040 und 2050 (IMAGO / StockTrek Images / Deutschlandradio / Andrea Kampmann)

Serie "Statistik & Story" - Statistiken und die Geschichten dahinter


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In Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern hebt eine Drohne ab. Ihre Propeller lassen die 25 Kilogramm schwere „W-178“ erst senkrecht aufsteigen. Dann schwenken die Rotoren. Auf ihren knapp zwei Meter breiten Tragflächen fliegt sie vorwärts. Darunter ist ein braunes Paket angebracht, darin eine Blutprobe. Die soll so schnell wie möglich – das heißt, schneller als mit einem Auto – in die rund 26 Kilometer entfernte Uniklinik Greifswald transportiert und dort untersucht werden.
Selina Herzog ist Head of Service Operations bei der Firma Wingcopter. Sie koordiniert die Einsätze der bis zu 144 Kilometer pro Stunde schnellen Drohne. In Deutschland gebe es medizinische Transporte per Drohne bislang nur in Pilotprojekten. Im südostafrikanischen Malawi hingegen liefern die Drohnen aus dem hessischen Weiterstadt bereits regelmäßig lebenswichtige Medikamente an entlegene Orte.
„Und das ist eben für Malawi eine unfassbare Verbesserung, weil gerade wenn es mal geregnet hat, die Straßen einfach überschwemmt sind oder nicht mehr da sind. Flüsse steigen komplett über ihre Ufer hinweg und dann ist die Straße einfach nicht mehr passierbar und Medikamente kommen nicht mehr dahin, wo sie gebraucht werden.“
Ein Mitarbeiter der Silicon Valley Firma Zipline bereitet eine Drohne vor, die lebensrettende Blutkonserven zu einer weit entlegenen Klinik im ostafrikanischen Ruanda fliegen wird.
Lebensrettende Blutkonserven werden in zu einer weit entlegenen Klinik im ostafrikanischen Ruanda mithilfe einer Drohne gebracht. (picture alliance/dpa / Kristin Palitza)
Auch in den USA sollen Wingcopter-Drohnen in Zukunft eilige medizinische Transporte durchführen, sagt Herzog. Dafür hat sich die deutsche Firma mit der amerikanischen Rettungshubschrauber-Firma Air Methods zusammengetan, um Blutproben, Medikamente und kleine Geräte landesweit mit Drohnen zu transportieren.

Kurierdienste, Wartungsarbeiten, Tierschutz und mehr

Auch in Ingolstadt, Hamburg und Aachen erproben deutsche Drohnenhersteller gemeinsam mit Kliniken, ob medizinische Transporte in Deutschland per Drohne möglich und sinnvoll sind. Einen Einsatz zu militärischen Zwecken schließe Wingcopter kategorisch aus, sagt Selina Herzog. Und dennoch ist der Transport von Blutproben oder Medikamenten nur ein Anwendungsgebiet von vielen.
Grafik zeigt die industrielle Nutzung von Drohnen
Wofür Anwender Drohnen nutzen (IMAGO / Addictive Stock / Alberto Case / Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
Drohnen können heute bereits bei der Wartung und Überprüfung von Brücken und Bahnstrecken eingesetzt werden. Oder zum Beispiel vor einem Mähdrescher herfliegen, um Rehe zu entdecken. Die Firma Wing, die zum Google-Mutterkonzern Alphabet gehört, brüstet sich damit, weltweit bereits rund 100.000 Pakete per Drohne ausgeliefert zu haben. Die Firma lieferte nach eigenen Angaben nicht nur Medikamente, sondern auch Sushi und Chicken Wings.
Eine Drohne liefert in Tel Aviv Essen aus.
Eine Drohne liefert in Tel Aviv Essen aus. (dpa / picture alliance / Kyodo)
Die kleinen, wenige Hundert Euro teuren Privatdrohnen lägen bei vielen Endkonsumenten und -konsumentinnen hingegen seit Jahren im Schrank, sagt Volker Thum, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Luft- und Raumfahrtindustrie, kurz BDLI. Der Hype um die Privatdrohne ist vorbei.
„Was aus unserer Sicht ganz stark steigen wird, ist der professionelle Markt. Und da gibt es tolle Entwicklungen, angefangen von medizinischen Lieferungen, im Landwirtschaftsbereich Überprüfungen der Flächen, also das berühmte Rehkitz retten und Ähnliches. Und danach hoffen wir auf das unbemannte Air Taxi.“

Weniger private, immer mehr kommerzielle Drohnen

Das unbemannte Flugtaxi, also eine Passagierdrohne ohne Piloten, erntete vor einigen Jahren noch Spott und Häme. Doch die vergangene Bundesregierung, insbesondere die Union, wurde nicht müde, von der ersehnten Zukunftstechnologie zu schwärmen. Man sei bereit für den „Abflug in die dritte Dimension“, sagt der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU bei der Vorstellung des Aktionsplans der damaligen Bundesregierung für Drohnen und Flugtaxis im vergangenen Jahr.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Februar  2020 während der Übergabe von „Zukunftsschecks“ für drei Drohnenprojekte im Bundesverkehrsministerium.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Februar 2020 während der Übergabe von „Zukunftsschecks“ für drei Drohnenprojekte im Bundesverkehrsministerium. (dpa / picture alliance / Christoph Soeder)
Und der CDU-Politiker Steffen Bilger, der in der vergangenen Legislaturperiode parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium war, sagte im Mai im Bundestag: „Beim Stichwort Flugtaxi muss ich natürlich daran erinnern, dass man vor wenigen Jahren noch belächelt wurde, wenn man davon gesprochen hat. Herzliche Grüße und vielen Dank an unsere Digitalstaatsministerin Dorothee Bär. Heute auch schon Realität, im Test funktioniert das alles schon und wir werden auch bald die konkreten Anwendungen sehen.“
An Visionen mangelt es nicht – und sie werden von vielen Seiten befeuert. Laut einer Studie der Beratungsfirma Roland Berger aus dem November vergangenen Jahres, sollen 2050 160.000 Passagierdrohnen unterwegs sein. Weltweit fließen Milliarden US-Dollar in Start-ups und Entwicklungsprojekte – und deren Versprechen.
Die Firma Lilium aus dem bayerischen Oberpfaffenhofen will bereits 2025 in mehreren Städten weltweit Flugtaxiverkehr betreiben. Die Firma Volocopter aus Bruchsal hat zuletzt im November einen öffentlichkeitswirksamen Testflug durchgeführt und sieht im eigenen Unternehmen nicht weniger als einen Teil einer weltverändernden Industrie. Und auch Mobilitätsdienstleister wie Uber spekulieren auf eine Zukunft, in der Passagierdrohnen das Auto ersetzen.
Wie das aussehen soll, zeigt ein Werbeclip der Firma aus dem Jahr 2017. In warmen Farben steigen Menschen auf Hochhausdächern in elektrisch betriebene Flugtaxis. Aus dem Fenster der komfortablen Fluglimousine blickt eine Passagierin auf den Feierabendverkehr hinab, in dem sich zahllose Autos Stück für Stück auf einer verstopften Ausfallstraße quälen.

Die Grenzen der Begeisterung

Die Drohne als effiziente, staufreie, klimaneutrale Alternative zum Auto? Robin Kellermann ist da skeptisch. Der Mobilitätsforscher an der TU Berlin hat Menschen in Deutschland zu ihren Einstellungen zum Einsatz von Drohnen befragt. Herausgekommen ist die Studie „The Sky is The Limit“. Das Ergebnis: Von der Euphorie rund um die Technologie, die Firmen und Teile der Politik verbreiten, ist in der Bevölkerung hierzulande wenig zu spüren.
„Sie wird im Gegenteil sehr kritisch beäugt, wenn nicht gar abgelehnt. Also es zeigt sich, dass die Mehrheit der Befragten den regulären Einsatz von Lieferdrohnen und von Flugtaxis ablehnt und eigentlich nur jeder vierte oder jede fünfte Befragte dem regulären Einsatz von solchen Technologien für Transportzwecke zustimmt.“
Die Bedenken der Befragten richteten sich auf die Sicherheit von Drohnen, aber auch auf zusätzliche Lärmbelästigung. Darüber hinaus sähen die meisten Befragten schlicht keine Vorteile im Alltag. Immerhin führen die meisten Menschen auch heute schon selten mit dem Taxi, sagt Kellermann. Ein Air Taxi könnten sich viele womöglich gar nicht leisten.
Drohnen für Privatpersonen im Verbrauchertest (15.12.2021)
CDU-Politiker Thomas Jarzombek war in der vergangenen Legislaturperiode Luft- und Raumfahrtkoordinator der Bundesregierung. Er fordert ebenfalls, dass die Technologie allen zugänglich sein solle. Er geht jedoch davon aus, dass sich das von alleine regele.
„Ich glaube, die Erfahrung, die wir mit jeder Technologie gemacht haben ist, am Anfang ist es teuer, und dann wird es immer billiger. Das war bei den ersten Handys, was haben die für ein Geld gekostet? Und was hat die Minute gekostet? Und das ist der ganz typische Verlauf. Das werden wir hier mit Sicherheit auch sehen.“
Mit dem damaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer stellte Thomas Jarzombek im Mai 2020 den Aktionsplan der damaligen Bundesregierung vor. Das automatisierte und vernetzte Fliegen solle in die Praxis gebracht werden, heißt es darin. Dabei dürfe man die Debatte nicht auf Passagierdrohnen verengen, betont Jarzombek.
„Es geht insbesondere darum, dass man spezielle Software entwickelt, um konkrete Anwendungen wie in der Landwirtschaft zu realisieren, dass man bestimmte Sensorik aufbaut, die man braucht, wo man mit einem normalen Foto am Ende die Risse in der Brücke nicht so gut erkennt. Da braucht man eine andere Form von Sensorik, mit der da gearbeitet wird. Hochqualifiziertes Personal, das die Geräte steuert, weil sie natürlich bei vielen dieser Anwendung eben nicht komplett automatisch fliegen.“
Die meisten deutschen Drohnenunternehmen sind Start-ups, die in den vergangenen Jahren teils rasant gewachsen sind. Aber auch Luftfahrtriesen wie Lufthansa oder Airbus, das auch am militärischen Drohnenmarkt beteiligt ist, investieren in die Technologie und dürften Arbeitsplätze in der Branche schaffen, sagt Jarzombek.
„Wir sind hier noch lange nicht am Ende. Also diese 15.000 Arbeitsplätze, die wir jetzt haben in der der Drohnen-Wirtschaft, wenn man es so nennen möchte, sind glaube ich nur ein Zwischenstand. Das wächst momentan ganz erheblich.“
Weltweit investieren Kapitalgeber in Drohnentechnologie. Es bleibt jedoch eine Wette auf die Mobilität der Zukunft, wie das Beispiel des US-Unternehmens Joby Aviation zeigt. Das Unternehmen wurde bei seinem Börsengang in diesem Jahr mit rund 6,6 Milliarden US-Dollar bewertet. Zu seinen Investoren zählt unter anderem der weltweit größte Autokonzern Toyota. Auch die Flugtaxi-Sparte von Uber, genannt Uber Elevate, gehört bereits zu Joby Aviation. Dabei hat das Unternehmen bislang lediglich Prototypen vorzuweisen.
Die Statistik zeigt das prognostizierte Marktvolumen der weltweiten Drohnenindustrie in den Jahren 2021 bis 2026. Gemäß der Quelle wird der Umsatz von Drohnen im Sektor Transport und Lagerung am meisten zunehmen, wo Drohnen Inspektions- und Wartungssaufgaben übernehmen können. Das Volumen des weltweiten Drohnenmarktes wird für das Jahr 2026 auf rund 41 Milliarden US-Dollar prognostiziert.
Die Statistik zeigt das prognostizierte Marktvolumen der weltweiten Drohnenindustrie in den Jahren 2021 bis 2026. Gemäß der Quelle wird der Umsatz von Drohnen im Sektor Transport und Lagerung am meisten zunehmen, wo Drohnen Inspektions- und Wartungssaufgaben übernehmen können. Das Volumen des weltweiten Drohnenmarktes wird für das Jahr 2026 auf rund 41 Milliarden US-Dollar prognostiziert. (Statista / DRONEII)

Die Ampel-Regierung ist bisher eher zurückhaltend

Verglichen mit der Vorgängerregierung ist die Begeisterung der Ampel-Koalition bislang verhalten, wie ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt. Für Aufsehen sorgte zwar die vereinbarte Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen. Einsatzmöglichkeiten für zivile Drohnen sieht die Regierung demnach lediglich in der Landwirtschaft. Dass sich unbemannte und automatisiert fliegende Drohnen den Luftraum mit regulären Flugzeugen teilen, hält Grünen-Politiker Tobias Lindner, Drohnenexperte der Fraktion und Staatsminister im Auswärtigen Amt, bislang für technisch nicht umsetzbar.
„Sie müssen ja jede Drohne in den Luftraum quasi integrieren. Also wenn Sie mit einer Drohne in Deutschland wirklich in Höhen oder auf Luftverkehrsstraßen fliegen wollen, wo sich Verkehrsmaschinen befinden, dann haben sie eine Menge zu leisten, also eine Kollisionswarnung. Sie müssen das ja hinkriegen, dass quasi das automatisierte Flugsystem, das unbemannte Flugsystem, tatsächlich dort mitfliegt, wo auch bemannte Flieger fliegen. Und ich glaube, da ist noch ein ziemlicher Weg zu gehen, um ehrlich zu sein.“

Testraum über Hamburg und Seoul

Wie unbemannte und automatisiert fliegende Drohnen sich ohne Zusammenstöße am Himmel bewegen können, wird derzeit in Hamburg in einem sogenannten U-Space-Reallabor erprobt. Der U-Space ist Teil des Aktionsplans der Bundesregierung und ein Versuch Sicherheitsstandards zu etablieren.
Für viele Beobachter ist indes nicht nur die Frage, ob und wann Drohnen zum Einsatz kommen, sondern vor allem wo. Das Unternehmen Volocopter aus Baden-Württemberg hat seinen ersten Drohnenflug in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul absolviert. Lilium aus dem bayerischen Oberpfaffenhofen hat angekündigt, 220 Flugtaxis an die brasilianische Airline Azul zu verkaufen. Dort könnten Drohnen Helikopter ersetzen, indem sie die bereits vorhandene Infrastruktur nutzten. Volker Thum vom Bundesverband der Luftfahrtindustrie:
„Ich glaube, es wird damit beginnen – wie in São Paulo, nehmen wir das Beispiel – dass sie auf den Dächern von Hochhäusern Start- und Landeplätze haben werden. Warum? Dort ist die Lärmbelästigung nach unten die geringste, und sie haben viele Menschen als potenzielle Kunden, die das Gerät direkt verwenden können.“
Zwei Drohnen fliegen über dem Hamburger Hafen.
Zwei Drohnen fliegen über dem Hamburger Hafen (picture alliance/dpa|Marcus Brandt)
Ganz wie im Werbefilm von Uber. Für Deutschland sei das jedoch kein realistisches Szenario.
„Es gibt natürlich auch immer wieder die Überlegungen auf Bahnhofsdächern, diese Starts und Landungen zu machen. Nur wenn sie dann mal mit einer funktionierenden Infrastruktur in Deutschland überlegen, Sie müssen mit welchen öffentlichen Verkehrsmitteln auch immer zu einem Bahnhof kommen, um dort dann ein Air Taxi zu besteigen, um dann zum Flughafen zu fahren. Dann sind sie fast auch anders schon dort.“
Aktuelle Modellberechnungen der Technischen Universität München zeigten, dass Passagierverkehr mit Drohnen in der Metropolregion München kaum Zeit sparen würde. Darüber hinaus würden An- und Abfahrt zu Start- und Landeplätzen von Drohnen sogar für zusätzliche gefahrene Kilometer mit dem Auto sorgen.

Die Klimabilanz ist nicht zwingend gut

Genau wie das Auto muss sich auch ein potenziell neuer Verkehrsträger wie die Drohne angesichts der Klimakrise fragen lassen: Ist das nachhaltig? Auch Mobilitätsforscher Robin Kellermann von der Technischen Universität Berlin warnt vor den Versprechen der Industrie.
„Eine Konfliktlinie besteht darin, Drohnen pauschal als saubere Technologie zu verkaufen im wahrsten Sinne des Wortes. Weil tatsächlich wir viel mehr Differenzierung brauchen, wann und wo genau das der Fall ist, wo Verkehre tatsächlich auch substituiert werden können, die konventionell mit einem Verbrenner auf der Straße stattfinden und jetzt vielleicht in der Luft transportiert werden könnten.“
Das gelte auch für Lieferdrohnen. Viele Drohnenmodelle könnten nur ein Paket pro Flug transportieren. Müssen jedoch mehrere Pakete in eine Nachbarschaft geliefert werden, sei es unter Umständen klimafreundlicher, einen Diesel-Transporter mit großem Laderaum zu nutzen, anstatt für jede Lieferung einen eigenen Flug zu absolvieren, sagt Robin Kellermann.
„Im Moment sind wirklich sehr, sehr schmale Einsatzkorridore aus Sicht der Forschung überhaupt denkbar. Trotzdem wird pauschal behauptet, die Technologie wäre sauber. Ganz davon zu schweigen, dass natürlich die Debatte um Elektromobilität auf der Straße auch wesentlich kritischer geführt werden muss und ja auch geführt wird hinsichtlich der Energie, die tatsächlich den Akku auflädt, hinsichtlich der Frage können Batterien recycelt werden, hinsichtlich der Frage, wie sieht es mit dem Lebenszyklus dieses ganzen Fahrzeugs aus? Diese Debatten, die müssten auch in der Luftfahrt geführt werden.“

Deutschland eignet sich eher nicht als Testfläche

Deutsche Hersteller von Drohnen treibt indes ein weiteres Problem um. Zwar genießen medizinische Transporte – anders als Flugtaxis – eine hohe Akzeptanz. Doch bislang machten hohe Sicherheitsanforderungen und Zulassungsregeln dem Drohnenverkehr in Deutschland einen Strich durch die Rechnung, sagt Selina Herzog von der Firma Wingcopter.
 „Es gibt einige Drohnenunternehmen in Deutschland und alle gehen ins Ausland, um dort ihre Drohnen zu fliegen, weil Deutschland es einem nicht besonders einfach macht.“
Herzog berichtet von einem Projekt mit dem Chemiekonzern Merck. Um Chemie-Proben von einem Standort zum anderen zu transportieren, brauchte die Firma zahlreiche Genehmigungen von Behörden. Dafür benötigte sie für jede Flugroute einer Drohne eine spezielle Risikoanalyse.
„Da wird dann eine sogenannte Risk Analysis gemacht. Also unsere Piloten schauen sich dann genau an: Wenn wir von A nach B fliegen, wie können wir am besten um alle möglichen Menschen, Häuser, Ansammlungen, ja auch Einkaufszentren, Tankstellen – wie können wir die am besten überfliegen oder umfliegen?“
Für Pilotprojekte sei das praktikabel, für den regulären Einsatz jedoch nicht, sagt Herzog. Immerhin hat die Politik darauf in diesem Jahr reagiert. Im Mai hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD die EU-Drohnenverordnung in deutsches Recht umgesetzt. Das ermöglicht es Firmen wie Wingcopter unter anderem eine Betriebsgenehmigung zu beantragen, mit der sie nicht mehr jede einzelne Route genehmigen lassen müssen.
Doch abgebaut seien die Hürden damit noch lange nicht, sagt Volker Thum vom BDLI: „Ob das in der Landwirtschaft ist, ob es bei der Überwachung von Bahnanlagen zum Beispiel ist, jedes Mal müssen sie Ländergrenzen überschreiten. Teilweise liegt auch die Zuständigkeit bei Bezirksbehörden. Dieses für uns sicherlich als Staat interessante föderale System kommt hier natürlich brutalst an seine Grenzen.“
Ein zentraler Ansprechpartner auf Länderebene könnte die Zulassung vereinfachen. Doch auch die Kommunen müssten gegebenenfalls über die Zulassung mitentscheiden dürfen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten der Technischen Universität Braunschweig im Rahmen des Projekts „The Sky is The Limit“. Insbesondere in Städten, in denen der öffentliche Raum oft bereits umkämpft ist, könnte sich hier ein neuer Konflikt auftun, sagt Robin Kellermann von der TU Berlin.
„Und dort gibt es sicherlich auch eine Konfliktlinie zwischen den kommunalen Interessen einerseits und den wirtschaftlichen Interessen von einigen Firmen, die den Luftraum als Raum nutzen wollen, um Gewinne und Profite zu erzielen, um zu wirtschaften.“
Dabei dürfe man den Einsatz der Technologie nicht überstürzen, sagt Industrievertreter Thum:
„Landwirtschaft, Sicherheit, Arzteinsatz, Katastrophenschutz – es gibt Unmengen von Anwendungen. Das heißt, wir haben überhaupt keine Angst vor einem wachsenden Markt. Und wenn dann die Akzeptanz besser wird und wir dann zum Schluss kommen und sagen ‚Pass auf, wir fangen jetzt dann auch mit den Air Taxis an‘. Gerne! Aber lassen Sie uns erst mit den akzeptierten Themen beginnen.“