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Step-Studie
Handschrift der Kinder hat sich während Corona negativ verändert

Schon vor der Pandemie hatte fast die Hälfte der Jungen in Grund- und weiterführenden Schulen Probleme mit der Handschrift. Nun schreiben sie laut einer Studie noch langsamer, unstrukturierter und unleserlicher. Für die kognitive Entwicklung der Kinder ist die Handschrift allerdings wichtig.

Von Manfred Götzke |
Grundschüler schreibt mit einem Bleistift auf ein Blatt.
Laut einer Studie hat sich die Handschrift der Kinder während der Pandemie verändert (picture alliance/dpa)
Handschrift war und ist eher ein Jungen- als ein Mädchenproblem. Schon vor der Pandemie hatte fast die Hälfte der Jungs in Grund- und weiterführenden Schulen Probleme mit der Handschrift. Und diese Problemschreiber sind jetzt noch deutlich schlechter geworden, sagt Marianela Diaz Meyer, Geschäftsführerin des Schreibmotorik Instituts. Denn die Schülerinnen und Schüler, die im Unterricht eine spezielle individuelle Förderung gebraucht hätten, seien in der Pandemie weiter zurückgefallen.
„Das gilt besonders für die Jungen, hier machten drei Viertel der Lehrkräfte einen leichten oder sogar starken Einbruch der Leistungen beim Handschreiben aus“, sagt sie.

Lehrkräfte sehen negative Entwicklung bei Handschrift von Kindern

Das heißt konkret: Sie schreiben noch langsamer, unstrukturierter und noch unleserlicher. Selbst bei handschriftlich starken Schülerinnen und Schülern sieht jede vierte Lehrkraft eine negative Entwicklung. Bei vielen Grundschülern mussten die Lehrerinnen und Lehrer quasi von vorn anfangen, sagt die Handschriftexpertin. Durch den Distanzunterricht hätten sich diese Probleme weiter verstärkt.
„Ich darf eine Lehrerin zitieren, die sagt, sie habe ihren Schülern nach der langen Zeit des Homeschoolings Vieles erst wieder beibringen müssen. Dass man vom linken bis zum rechten Rand schreibt zum Beispiel.“
Ein weiterer Befund: Mit der Hand schreiben tut inzwischen vielen weh und macht müde. Die Kinder verkrampfen schneller. Die Lehrer hätten festgestellt, dass nicht mal die Hälfte länger als eine halbe Stunde ohne Beschwerden schreiben könne, sagt die Expertin.

Kinder mit wenig Förderung weiter zurückgefallen in der Pandemie

850 Lehrerinnen und Lehrer aus Grund- und Sekundarbereich haben der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und das Schreibmotorik-Institut für die Studie zu den Handschrift-Skills befragt. Die Gründe für die gestiegenen Probleme sehen fast alle im Distanzunterricht selbst. Schreibenlernen funktioniert einfach nicht besonders gut über Teams und Zoom, sagt Udo Beckmann, der VBE-Vorsitzende.

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„Es braucht die wertschätzende Begleitung einer Lehrkraft, die den kompletten Prozess im Auge behält. Die Korrektur einer falschen Sitzhaltung und zu dolles Aufdrücken kann nicht vom Bildschirm aus vorgenommen werden“, so Beckmann.  
Weitere Gründe für die zunehmende Unleserlichkeit: zu viel Zeit vor Rechner und Tablet und zu wenig Bewegung. Motorik üben Kinder nämlich genauso beim Ballspiel oder Skateboard fahren.  
Die Steps-Studie zeige einmal mehr, dass in der Pandemie vor allem die Kinder weiter zurückgefallen sind, die zuhause weniger gefördert wurden – und ohnehin schwächer waren, sagt Beckmann. „Der Befund, dass Abgehängte weiter abgehängt werden, bestätigt, was bereits andere Umfragen der letzten Jahre zutage gefördert haben, nämlich, dass die Bildungsungerechtigkeit weitergewachsen ist.“

Auch in der Sekundarstufe weiter Handschrift üben

Aber ist das Schreiben überhaupt noch so relevant? Schließlich haben durch die Corona-Pandemie ja nun selbst die digital eher rückschrittlichen Schulen in Deutschland in der Digitalisierung aufgeholt. Beckmann und Diaz-Meyer sagen ganz klar ja: Denn bei der Handschrift gehe es nicht nur um den Erhalt einer Kulturtechnik.
„Für das Lernen, für die kognitive Entwicklung der Kinder, ist es wichtig das Handschreiben zu nutzen, die Handschriftlichen Bewegungen. Es ist nachgewiesen, dass damit die Merkfähigkeit, das inhaltliche Verständnis, die Kreativität gesteigert werden. Das gilt auch bei Erwachsenen, nicht nur bei Kindern. Das haben diverse neurowissenschaftliche Studien bestätigt.“
Um die Handschrift wieder zu verbessern, empfiehlt Diaz-Meyer schon in der Vorschule spielerlisch kritzelnd anzufangen und länger zu üben. Es sei wichtig, Kinder auch nach der 5. Klasse zu unterstützen. „Studien zeigen, dass die vollständige Automatisierung des Handschreibens - dass man also nicht mehr darüber nachdenkt, wie man den Stift führt - erst mit 15 einsetzt“, so Diaz-Meyer.
Auch in der Sekundarstufe sollte Handschrift üben noch ein Thema sein – und zwar mindestens eine Stunde pro Woche. „Es geht nicht darum, ein neues Fach einzuführen. Lehrer sollten darauf achten, es sollte ein Querschnittsaufgabe sein."