Erdgasunabhängiges Heizen in Deutschland
Wie die Wärmewende gelingen kann

Deutschland nutzt einen Großteil seiner Energie zum Heizen von Gebäuden und für Warmwasser. Fast 70 Prozent der Wärme werden dabei noch mit fossilen Brennstoffen erzeugt. Die Wärmewende ist daher auch ein wichtiges Instrument, um sich aus der Abhängigkeit von russischem Erdgas zu befreien.

    Der Thermostat einer alter Heizung in einem Gebäude.
    70 Prozent der Heizungen in Deutschland werden mit Erdgas oder Öl betrieben. (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
    Damit Deutschland seine Klimaziele erreicht, ist es nötig, die Wärmeversorgung hierzulande zu verändern. Aktuell ist das Beheizen von Gebäuden für rund ein Viertel der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dieser Anteil hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten kaum verändert. Ein Großteil der deutschen Heizungen wird noch immer mit Erdgas oder Öl betrieben, obwohl es Alternativen gibt. Zudem sind viele Gebäude noch immer nicht oder schlecht gedämmt.
    Weil mehr als 55 Prozent des in Deutschland genutzten Erdgases aus Russland kommt und der Wärmesektor den größten Anteil am Erdgasverbrauch in Deutschland hat, sind grundlegende Veränderungen bei der Wärmeversorgung, die sogenannte Wärmewende, ein wichtiger Faktor auf dem Weg zur Unabhängigkeit von Russland.

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    Der Gebäudesektor hat auch 2021 die Klimaziele der Bundesregierung verfehlt. Um das Ziel für 2030 zu erreichen, muss der CO2-Ausstoß beim Heizen halbiert werden. 2045 soll der CO2-Ausstoß bei null liegen. Technisch wäre die Wärmewende durchaus möglich und als erster Schritt vor dem Umstellung der Industrie auf erneuerbare Energien äußerst wichtig. Doch es fehlen Anreize und Vorgaben aus der Politik.

    Welche technischen Möglichkeiten gibt es?

    Es gibt bereits einige Möglichkeiten, um klimafreundlich zu heizen: Wärmepumpen, Fernwärmeausbau, Erd- und Solarkollektoren, energetische Gebäudesanierung - oder mit klimaneutralen Gasen.

    • "Grüner Wasserstoff" oder Biogas statt Erdgas

    "Grüner Wasserstoff" wird mit einem Elektrolyse-Prozess mit Wind- und Solarstrom aus Wasser hergestellt und erzeugt beim Verbrennen nur Wasserdampf. Er könnte durch das bestehende, leicht modifizierte Erdgasnetz in die Haushalte geleitet werden. Allerdings ist Wasserstoff teuer und rarund wird künftig wahrscheinlich zunächst in der Industrie, im Flugverkehr und Schwerlastverkehr eingesetzt, also in Sektoren, wo es keine Alternativen gibt, geben Experten zu bedenken. Energieexpertein Claudia Kampfert warnt zudem, dass synthetische Gase im Wärmebereich eine enorme Verschwendung seien. Bei der Umwandlung gehe zu viel Energie verloren.
    Außerdem fehlen Produktionsanlagen, das gesamte System für die Wasserstoffherstellung und -Verteilung via Tanker und Pipelines müsste in großem Maßstab aufgebaut werden. Große Mengen an Wasserstoff müssten also zunächst zum Beispiel aus afrikanischen Ländern oder der Golfregion importiert werden.
    Grafik zeigt den Primärenergieverbrauch in Deutschland
    Primärenergieverbrauch in Deutschland (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
    Auch Biogas, gewonnen aus Mais und Gülle und mit Motoren verstromt, ist eine nachhaltige Alternative zu Erdgas. Allerdings taugt auch Biogas eher als Brückentechnologie.

    • Holzpellets als Brennstoff

    Rund fünf Prozent der deutschen Haushalte heizt mit Holzpellets, für mehr als zehn würde das Abfall- und Restholz langfristig nicht reichen. Die Umstellung auf eine Holzpelletanlage wird gefördert, ist dennoch sehr kostspielig. Zudem sind Holzpellets zwar derzeitig noch günstiger als Öl oder Gas, doch das dürfte sich ändern, sobald die Industrie fossile Energie durch Biomasse ersetzen muss.
    Eine Holzpelletheizung ist anders als oft behauptet, alles andere als klimaneutral. Zwar wird argumentiert, dass Holz ein nachwachsender Rohstoff ist und der Kohlenstoff, der beim Verbrennen freisetzt wird, zuvor vom Baum beim Wachstum aus der Luft gebunden wurde. Unberücksichtigt bleiben dabei aber zum einen Emissionen, die etwa beim Holzeinschlag oder beim Transport entstehen. Zum anderen wird beim Verbrennen das zuvor gebundene C02 wieder freigesetzt und gelangt in die Atmosphäre; zudem entsteht Feinstaub. Laut Claudia Kempfert vom Deutschen Institut für Wirschaftsforschung sind Holzpellets daher als Wärmequelle nur die "allerletzte Wahl".

    • Energetische Sanierung, solare Wärme

    Bei einer energetischen Sanierung werden bestehende Gebäude nicht nur wärmeisoliert, gedämmt oder mit einer neuen Heizung ausgestattet. Auf dem Dach können Photovoltaik-Elemente Strom und Solarthermie-Module Wärme sammeln. Diese Module erwärmen Wasser mithilfe des Sonnenlichts und unterstützen somit die Warmwasseraufbereitung und auch beim Heizen. Solarthermie ist sinnvoll in Privathaushalten oder auch für die Einspeisung in Wärmenetze. Nachteil: Im Winter reicht die Sonneneinstrahlung oft nicht aus und die Installation ist wegen der Rohrverlegung aufwendig. Die nicht verbrauchte Wärme - etwa im Sommer - kann aber gespeichert und bei Bedarf über Erdwärmepumpen wieder entladen werden.

    • Wärmepumpen

    Wärmepumpen beziehen ihre Energie aus einer Wärmequelle aus der Umgebung, also etwa über die Erde, die Luft oder aus dem Wasser. Das können Erdkollektoren oder hunderte Meter tiefe Bohrlöcher sein. Sie wandeln die Energie durch Wärmetauscher in höhere Temperaturen um. Dafür benötigen sie Strom. Laut dem Bundesverband Wärmepumpe erzeugt eine Wärmepumpe mit einer Kilowattstunde Strom ungefähr drei bis vier Kilowattstunden Wärme.

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    Am besten funktionieren Wärmepumpen mit Fußbodenheizungen und großen Flachheizkörpern. In Neubauten hat die Wärmepumpe laut Bundesverband inzwischen einen Anteil von mehr als 50 Prozent erreicht und ist damit die am häufigsten eingesetzte Heizungstechnik. Für ungedämmte Häuser sind sie allerdings nicht gut geeignet, der Anteil von Wärmepumpen liegt daher auch erst bei fünf Prozent. Um klimaneutral zu sein, müssten sie zudem mit grünem Strom laufen. Bislang gibt es jedoch noch nicht genug Solarzellen und Windräder, um die wachsende Zahl von Wärmepumpen vollständig mit erneuerbarem Strom zu versorgen.
    Die Statistik zeigt den Anteil der Wärmepumpen im Neubau in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2020. Im Jahr 2020 lag der Anteil von fertig gestellten Wohngebäuden, die durch Wärmepumpen beheizt werden, bei rund 45,8 Prozent an der Gesamtzahl aller in diesem Jahr neu gebauten Wohngebäude in Deutschland.
    Die Statistik zeigt den Anteil von Wärmepumpen in Neubauten in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2020 (Statistisches Bundesamt/statista.de )
    Weil jedoch auch die Fernwärme in Zukunft eine immer größere Rolle spielen soll, sollte man sich vor dem Einbau einer Wärmepumpe die kommunale Wärmeplanung ansehen. Denn wenn ein solches Wärmenetz für ein bestimmtes Viertel oder einen Straßenzug geplant wird, werden andere Konzepte wie eine Wärmepumpe nicht mehr gefördert.

    • Nah- und Fernwärme, Geothermie

    Fernwärme ist neben Gas- und Ölheizungen die dritte Säule der Wärmeversorgung. Die netzgebundene Wärmeversorgung kommt vor allem in Ballungsgebieten zum Einsatz. Erhitztes Wasser wird über Rohre direkt in Häuser geleitet und dann in das Wärmeverteilsystem des Gebäudes. Bislang basiert das oft noch auf fossilen Energien, soll aber umgestellt werden. Zentraler Gedanke dabei: Geothermie - also die Erdwärme sowie die Abwärme von Industrieanlagen oder Rechenzentren nutzen. Diese Wärme wird dann nicht mehr in die Luft oder ins Wasser abgegeben.

    Welche Anreize braucht es für Hausbesitzer und Vermieter?

    Zwei Drittel aller Häuser wurden vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung gebaut, also vor 1979. Eine gute Dämmung kann den Energieverbrauch um bis zu zwei Drittel reduzieren. Bevor man eine Heizung komplett austauscht, sollte man Altbauten sanieren. Doch eine energetische Sanierung verschlingt viel Geld, dazu gibt es Vorbehalte wegen des Brandschutzes oder der Lebensdauer von Dämmfassaden. Zudem müssen historische Gebäude mit ihren alten Fassaden von innen gedämmt werden, was noch aufwändiger ist. Vermieter und Hausbesitzer brauchen hier klare Vorgaben für die Sanierung und ausreichende Fördermittel.
    Eine Lösung für Vermieter, um die hohen Investitionskosten nicht ausschließlich mit Mieterhöhungen refinanzieren zu müssen, wäre eine temperaturabhängige Warmmiete, schlägt Georg Thomassen von Agora Energiewende vor: "Eine temperaturbasierte Miete hätte dann Anreize für beide Akteure perfekt gesetzt, weil der Mieter dann eben den Anreiz hat, wenig zu heizen, sparsam zu sein, und der Vermieter den Anreiz hat, den Energiebedarf des Hauses zu senken."
    Stefan Thomas vom Wuppertal-Institut hält es für sinnvoll, dass die Wärmedämmung zur Pflicht gemacht wird und jeder Hausbesitzer einen individuellen Sanierungsfahrplan erhält. "Ich denke, dass man das vorbereiten sollte, zum Beispiel, indem man auch einen solchen individuellen Sanierungsfahrplan sich besorgt. Ich erwarte, dass in wenigen Wochen oder Monaten dann auch die Förderung von der Bundesregierung entsprechend gestaltet sein wird, dass es sich lohnt loszulegen", sagte Thomas im Dlf.

    Höhere finanzielle Anreize, Senkung der Strompreise

    Auch beim Thema Wärmepumpe gibt es hohe Hürden für Vermieter oder Hausbesitzer: Bis 2030 sollen sechs Millionen Wärmepumpen installiert sein, so das Ziel der Politik. Doch eine Aufrüstung kostet mindestens einen fünfstelligen Investitionsbetrag, hinzu kommen die Betriebskosten, also hohe Stromkosten. Angesichts steigenden Öl- und Erdgaspreise und voraussichtlich weiter steigender CO2-Preise könnten Wärmepumpen langfristig aber kostengünstiger werden.
    Im Altbau kommen noch zusätzlichen Arbeiten dazu: Nicht jede Heizungsanlage ist für eine Umrüstung geeignet, alte Heizelemente müssen eventuell ausgebaut und zum Beispiel durch Fußbodenheizungen ersetzt werden. Das bedeutet einen großen Aufwand und eine wochenlange Großbaustelle in der Wohnung oder im Haus. Die Installation wird zwar gefördert, aber die Förderung müsste noch deutlich ausgeweitet werden, fordert etwa Greenpeace.
    In anderen europäischen Ländern wie in Skandinavien, Italien, Frankreich oder Spanien ist der Anteil der auf Wärmepumpen umgestellten Anlagen deutlich höher als in Deutschland. Dort gibt es stärkere Kaufanreize und niedrigere Strompreise.

    Müssen Planungsverfahren und Bauvorschriften angepasst werden?

    Ja. Neubauten müssen zwar schon seit längerem gedämmt werden und mittlerweile gibt es schon Nullenergiehäuser, die komplett ohne Energie zum Heizen auskommen. Bei den rund 20 Millionen Altbauten in Deutschland sieht es dagegen anders aus: Ein Drittel ist kaum oder gar nicht wärmeisoliert. Das Ziel von zwei Prozent Altbausanierungen pro Jahr ist längst nicht erreicht, die Rate stagniert bei etwa der Hälfte. Bauingenieurin Christine Lemaitre von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen fordert deshalb ein stärkeres und aktiveres Bauministerium als in der Vergangenheit, um die Altbausanierung deutlich zu beschleunigen.
    Zudem gibt es Vorschriften, die die Wärmewende mit ausbremsen: Zum Beispiel Brandschutzvorgaben, die verbieten, dass Rohre, die Solarkollektoren auf dem Dach mit der Heizung im Keller verbinden, durch den Schornstein geführt werden können. Agora Energiewende fordert daher, dass Bauvorschriften dringend auf den Prüfstand und Planungsverfahren beschleunigt werden müssen, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann.

    Was bedeutet es, wenn ab 2026 keine neuen Ölheizungen mehr installiert werden dürfen?

    Die Marktanteile für Ölheizungen sind bereits rückläufig, denn ab 2026 ist die Installation von neuen Ölheizungen in Deutschland verboten. Gas-Kritiker sehen darin einen ersten Schritt hin zu einem Gasheizungs-Verbot: Ein Kessel hat eine Lebenszeit von 20 Jahren - und 2045 soll Klimaneutralität erreicht werden. Allerdings gibt es bisher noch keine praktikable Alternative zum Erdgas - und bis 2026 werden nicht alle Altbauten saniert sein.

    Stehen genügend Fachkräfte zur Verfügung?

    Nein. Beim Umbau einer Heizungsanlage müssen viele Faktoren beachtet werden, die nur ein kompetenter Installateur im Blick hat: Zum Beispiel die Art der Wärmequelle und -pumpe und der benötigte Umfang der Leistung. In Deutschland gibt es 50.000 Betriebe aus dem Bereich Heizung und Sanitär. Der Bundesverband Wärmepumpe schätzt, dass sich davon aber nur rund ein Zehntel davon mit Wärmepumpen auskennt.
    Die Statistik zeigt die Entwicklung der Anzahl der tätigen Personen in der Energie- und Wasserversorgung in Deutschland in den Jahren 1995 bis 2021. Im Jahr 2021 waren rund 256.000 Personen in der Energie- und Wasserversorgung in Deutschland tätig.
    Auch die Sanierung von Gebäuden, das Dämmen von Fassaden, Dächern und Innenräumen, der Austausch alter Fenster und Türen und das Zusammenspiel von Heizungsanlage, Solarkollektoren und Raumthermostaten muss von Fachpersonal begleitet und erledigt werden: Energieberater, Architekten, IT-Experten, Installateure, Handwerker und Bauarbeiter. Das Beratungsunternehmen Prognos hat 26 Schlüsselberufe identifiziert, bei denen in der Mehrzahl gravierende Engpässe herrschen. Greenpeace rechnet mit 500.000 neuen Arbeitsplätzen für Fachkräfte, die geschaffen werden müssten.

    Was bedarf es, um die Klimaziele der Bundesregierung in diesem Bereich zu erreichen?

    Kommunen müssten Wärmenetze fördern und ausbauen, Öl- und Gasheizungen müssten zudem verboten werden, fordert die Inititative Scientists for Future. Dazu bedürfe es einer stark beschleunigten Verbreitung von Wärmepumpen in Verbindung mit einer Ausbildungsoffensive im Handwerk, auch finanzielle Anreize und gezielte Förderprogramme seien erforderlich.
    Auch Greenpeace stellt in einer vom Wuppertal Institut durchgeführten Studie "Heizen ohne Gas und Öl bis 2035" ähnliche Sofortmaßnahmen auf dem Weg zur Wärmewende vor:
    • Ausstiegsgesetz für Öl- und Gasheizungen (kein neuer Einbau ab 2024, schrittweises Ersetzen alter Heizungen) kombiniert mit einem Förderprogramm für erneuerbare Wärmequellen (Wärmepumpen und Solarthermie)
    • Sanierungspflicht für ineffiziente Bestandsgebäude in Verbindung mit einem Förderprogramm zur Gebäudesanierung
    • Erneuerbare-Wärmenetze-Gesetz kombiniert mit einem Wärmenetze-Förderprogramm
    Beim Fachkräftemangel müsste es flankierende Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt geben, etwa eine Ausbildungsoffensive für den Wärmepumpeneinbau. Gleichzeitig müssen Wind- und Solarenergie weiter ausgebaut werden - wie von der Bundesregierung angekündigt, um den gestiegenen Stromverbrauch für die Wärmepumpen "grün" zu halten.
    Der Bundesverband Erneuerbare Energien fordert zudem in seinen "Etappenzielen für die Wärmewende" die Einstellung der Förderungen für rein fossil betriebene Heizungen, Boni für besonders effiziente Wärmetechnologien mit erneuerbaren Energien, die Innovationen fördern sollen und eine Erhöhung der Förderung von Wärmenetzen.
    Quellen: Frank Grotelüschen, Dirk Asendorpf, Agora Energiewende, Greenpeace, Scientists for Future Deutschland, Bundesverband Erneuerbare Energien, Verbraucherzentrale, og