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Sanktionen gegen Russland
Von Wirkung und Wirkungslosigkeit wirtschaftlicher Strafmaßnahmen

Seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine haben westliche Staaten zahlreiche Finanz- und Handelssanktionen gegen Russland verhängt. Wirken diese Strafmaßnahmen so stark, dass sie Putin absehbar einlenken lassen?

Von Florian Kellermann | 07.11.2022
Februar 2022: Ukrainische Demonstranten protestieren vor dem Weißen Haus gegen die Invasion Russlands in der Ukraine und fordern den Ausschluss Russlands auf dem SWIFT-System
Fünf Buchstaben, die zum Symbol für Finanz-Sanktionen gegen Russland geworden sind: Dortige Geschäftsbanken dürfen nicht mehr am internationalen Zahlungssystem SWIFT teilnehmen. (picture alliance / NurPhoto | Allison Bailey)
Vor etwa einem Jahr deutete sich eine Zäsur in der europäischen Geschichte an. Russland zog über 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammen. Nach eigener – russischer - Lesart geschah das lediglich zum Zweck von Truppenübungen.

Westliche Geheimdienste warnten: Präsident Wladimir Putin plane einen großangelegten Überfall auf die Ukraine. Die NATO-Staaten reagierten. Einhellig sprachen sie eine Warnung aus - ein Angriffskrieg werde einschneidende Konsequenzen für Moskau haben, allen voran: Wirtschaftssanktionen. Diese würden ein „noch nie dagewesenes Ausmaß“ erreichen, erklärte US-Präsident Joe Biden im vergangenen Dezember. Konkret wurde Biden dann vor Kriegsbeginn, kurz vor dem 24. Februar 2022. Russische Banken, so der US-Präsident, würden vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Als Moskau tatsächlich begann, die Ukraine mit Marschflugkörpern anzugreifen, wurde Biden noch nachdrücklicher:

 „Putin hat sich für diesen Krieg entschieden. Nun werden er und sein Land die Konsequenzen tragen. Heute ordne ich weitere starke Sanktionen an. Das wird die russische Wirtschaft sofort und langfristig schwer treffen. Die Vereinigten Staaten tun dies nicht allein. Wir haben eine Koalition von Partnern geschaffen, die für über die Hälfte der Weltwirtschaft stehen – um die Wirkung unserer Antwort zu verstärken.“
Die Koalition, so Biden, habe zwei Arten von Sanktionen beschlossen: Handelssanktionen und Finanzsanktionen. Bestimmte Warengattungen dürften nicht mehr nach Russland exportiert werden. Und: Russische Banken bekämen nur noch eingeschränkten Zugang zum internationalen Finanzsystem. Dadurch werde Russland Probleme bekommen, den Krieg in der Ukraine zu finanzieren - außerdem werde das Land von der technologischen Entwicklung abgehängt. Ähnliche Stimmen kamen aus der deutschen Politik. Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Fernsehansprache:

 „Bis zuletzt haben wir in der internationalen Gemeinschaft auf Dialog gesetzt und das Gespräch mit Moskau gesucht. Wir hatten Hoffnung, aber wir waren nicht naiv. Deshalb haben wir uns parallel auf diesen Ernstfall vorbereitet. Mit unseren Verbündeten und Partnern in der Europäischen Union, in der Nato und in der G7 haben wir uns auf ein ganzes Paket von Wirtschaftssanktionen verständigt. Unser Ziel: Der russischen Führung klarzumachen – für diese Aggression wird sie einen hohen Preis zahlen.“

Der russische Rubel – heute stärker als vor Kriegsbeginn

Mittlerweile ist es November, der Kriegsbeginn liegt mehr als acht Monate zurück. Zweierlei Fragen stellen sich: Greifen die Sanktionen, die im Februar angekündigt wurden? Und: Welche konkreten Auswirkungen haben sie auf die russische Wirtschaft?

Es fällt schwer, auf diese Fragen einfache Antworten zu geben. Das zeigt schon der Blick auf eine Größe, die häufig als Indikator für wirtschaftlichen Erfolg angesehen wird: der Wechselkurs einer nationalen Währung zum US-Dollar. In seiner Rede kurz nach Kriegsbeginn kam auch Joe Biden auf den Wechselkurs zu sprechen.  Der russische Rubel sei sofort auf den niedrigsten Stand in seiner Geschichte gefallen, so der US-Präsident.

Die Talfahrt der russischen Währung hielt tatsächlich bis zur zweiten Märzhälfte an. Doch seitdem hat sich der Rubel erholt. Mehr noch: Er notiert heute an der russischen Börse gegenüber dem US-Dollar und gegenüber dem Euro stärker als vor Kriegsbeginn. Dementsprechend selbstbewusst trat Russlands Präsident Wladimir Putin in der vergangenen Woche auf. Putin beim Waldai-Klub, einer russischen Diskussionsplattform:

„Der Westen hat diese Sanktionen verhängt und erwartet, dass die russische Wirtschaft zusammenbricht. Aber dieser Blitzkrieg ist nicht gelungen. Schaut her: Unsere Inflation in diesem Jahr wird zwölf Prozent betragen. Und sie geht nach und nach zurück. In den Ländern der Europäischen Union mit einer hochentwickelten Wirtschaft ist die Inflation höher: In den Niederlanden 17 Prozent, in manch anderem Land 21 oder 23 Prozent, doppelt so hoch wie bei uns.“

Die vergleichsweise mäßige Inflation ist eine Folge des starken Rubel. Aber steht beides, der starke Rubel und die mäßige Inflation, tatsächlich für wirtschaftliche Stärke? Unabhängige Wirtschaftswissenschaftler sehen das anders, so Sergej Gurijew vom Institut für politische Studien in Paris. In einer seiner Video-Lektionen im Internet führt er aus: Der Rubel ist nur deshalb stark, weil kaum jemand in Russland derzeit US-Dollar oder Euro kauft. Und das schlicht deshalb, weil kaum jemand in Russland derzeit etwas mit fremden Währungen anfangen kann. Gurijew erklärte in seinem Podcast im Internet:

„Im starken Rubel drückt sich aus, dass Russland kaum etwas importieren kann. Russland würde gerne Ersatzteile für Autos oder Flugzeuge importieren. Aber das geht nicht – wegen der Sanktionen, und weil viele westliche Firmen Russland freiwillig verlassen haben. Es ist ein Symptom dafür, dass die russische Wirtschaft von der Weltwirtschaft abgetrennt ist. Der starke Rubel ist kein Signal für eine starke Wirtschaft. Er ist vielmehr ein Signal dafür, dass die russische Wirtschaft leidet und weiterhin leiden wird.“

Sanktionen gegen Russlands Finanzsektor

Die tatsächliche Wirkung von Sanktionen ist in vielen Fällen also nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Das gilt vor allem für Sanktionen im Finanzsektor.

Im Falle Russlands richteten sich die zum einen gegen die russische Nationalbank. Die EU und die USA froren die Devisenreserven der Nationalbank, die sich auf Konten im Ausland befinden, ein. Zum anderen richten sich die Sanktionen gegen einen Großteil der russischen Geschäftsbanken. Sie dürfen nicht mehr am internationalen Zahlungssystem SWIFT teilnehmen.
Die Finanzsanktionen hätten zu einer historisch bisher einmaligen Konstellation geführt, sagt Wladimir Klimanow. Er ist Direktor des Zentrums für Regionalpolitik an der Russischen Akademie für Nationalökonomie und Öffentlichen Dienst in Moskau.

„Russland erklärt seine Bereitschaft, seine Auslandsschulden zu bedienen. Aber die Sanktionen gegen die Finanz-Infrastruktur erlauben das nicht mehr. Daher kam im Sommer die Nachricht, dass Russland technisch zahlungsunfähig ist. Das hat erhebliche Folgen für die russische Wirtschaft.“

Denn damit verliert der Staat international an Kreditwürdigkeit – und das wirkt sich auch auf russische Firmen aus. Sie kommen schwerer an Kapital im Ausland und müssen höhere Zinsen bezahlen, selbst in Ländern, die keine Sanktionen gegen Russland verhängt haben. Dieser Imageschaden dürfte Russland auch nach einem Ende der Sanktionen lange nachhängen. Zu beobachten ist aber auch: Das Finanzsystem in Russland ist - zumindest bisher - nicht zusammengebrochen.

Das liegt einerseits an Maßnahmen, die die russische Zentralbank und die russische Regierung mit Beginn der Sanktionen ergriffen haben. Es liege aber auch daran, dass das Sanktionsregime nicht entschieden genug gewesen sei. Das sagen Kritiker. So seien die Finanzsanktionen nur schrittweise zustande gekommen. Tatsächlich ist die größte russische Bank, die Sberbank, erst seit Juni mit Sanktionen belegt.
Die Grafik zeigt die Anzahl der gegen Russland von ausgewählten Ländern verhängten Sanktionen im Zeitraum vom 22. Februar 2022 bis zum 02. November 2022
Die Grafik zeigt die Anzahl der gegen Russland von ausgewählten Ländern verhängten Sanktionen im Zeitraum vom 22. Februar 2022 bis zum 02. November 2022 (OpenSanctions.org, correctiv, statista)
Hinzu kommt: Der Westen hat bisher auf einige besonders schmerzhafte Sanktionen verzichtet, vor allem gegen das Nationale Verrechnungszentrum bei der Moskauer Börse. Kämen sie, hätte Russland keinen Handelsplatz für US-Dollar und Euro mehr. Der Import und Export von Waren würde noch einmal massiv erschwert. Die Leiterin der Nationalbank, Elvira Nabiullina, versuchte schon im Sommer, die russische Finanzwelt auf die Auswirkungen einzustimmen – und gleichzeitig zu beschwichtigen:

„Selbst in diesem apokalyptischen Szenario wird es immerhin noch Bargeld in US-Dollar geben, das im Umlauf sein wird. Wir schätzen, dass unsere Bürger über Euro und US-Dollar in einer Größenordnung von 85 Milliarden US-Dollar verfügen. Die Banken werden also weiterhin diese Währungen kaufen und verkaufen können. Wir regen aber die Banken und Unternehmen an, sich aus diesen Währungen zurückziehen. Wenn nicht auf Rubel, dann sollten sie in Währungen von freundlich gesinnten Staaten umschichten.“

Beschlossenes Öl-Embargo gilt erst ab Dezember

Kremlkritische russische Ökonomen verwiesen schon kurz nach Kriegsbeginn auf eine Maßnahme, die russische Seite noch weit stärker zu destabilisieren: Indem die Einnahmen gedrosselt würden. Der Westen hätte den Import von Öl und Gas sofort stoppen sollen, hieß es in einem offenen Brief, den zwei angesehene Ökonomen schon im März veröffentlichten. Sergej Gurijew vom Institut für politische Studien in Paris war einer von ihnen. Gurijew einige Monate später:

„Bei einem Embargo verstehen alle Marktteilnehmer sofort, dass im russischen Staatshaushalt ein großes Loch entstehen wird. Die russische Regierung kann dann entweder die Gehälter der Polizisten und den Sold der Soldaten senken, die sie in die Ukraine schickt. Oder sie beginnt, Geld zu drucken. Aber das heizt unmittelbar die Inflation an. Deshalb denke ich, dass ein Embargo auf Öl ein Mittel ist, um den Krieg schnell zu beenden.“

Ein solches Embargo beschlossen die Staaten der EU erst Anfang Juni - in ihrem sechsten Sanktionspaket. Und das wird erst am 5. Dezember wirksam. Dann soll die Einfuhr von russischem Rohöl in die EU um etwa 90 Prozent zurückgehen. Also nicht vollständig, für einige Länder im Osten der EU wird es Ausnahmen geben.

Die Sanktionen, die sich unmittelbar auf das russische Finanzsystem auswirken sollen, werden also wohl erst im kommenden Jahr einen durchschlagenden wirtschaftlichen Effekt erzielen. Vorboten dafür, dass Russland das Geld ausgeht, gibt es jedoch bereits. Der Staatshaushalt schreibt seit Juni rote Zahlen – und das trotz des derzeit hohen Weltmarktpreises für Rohöl.

Die Handelssanktionen – eher mittel- bis langfristig wirksam

Soweit zu den Auswirkungen der Finanzsanktionen. Was die Handelssanktionen betrifft, so werden auch die eher mittel- bis langfristig wirken. Trotzdem sind gerade sie für sehr viele Russinnen und Russen bereits spürbar - so für Denis, der seinen Nachnamen nicht nennen will. Denis ist Immobilieninvestor aus Wladiwostok - im russischen Fernen Osten:

„Wir bauen Cottages, also Einfamilienhäuser, entweder im Auftrag oder um sie weiterzuverkaufen. Einige japanische Firmen haben begonnen, bestimmte Materialien nicht mehr zu liefern, etwa für die Verkleidung der Wände. Trotzdem kann man manche noch über Umwege einführen. Aber das kostet dann erheblich mehr.“

Die Immobilienbranche ist ein Beispiel dafür, wie die Sanktionen zusammen mit anderen Faktoren das Geschäft belasten. Bei manchen Waren haben die EU und die USA die Einfuhr verboten. Das gilt, bezogen auf diese Branche, etwa für Stahl und Zement. Außerdem haben viele Hersteller den russischen Markt verlassen, obwohl sie dazu nicht verpflichtet gewesen wären. Sie liefern nicht mehr nach Russland oder haben ihre Werke dort stillgelegt. Inzwischen betrifft dies mehr als 1.000 westliche Firmen, wie aus einer Liste der „Yale School of Management“ hervorgeht.

Doch damit nicht genug: Die Menschen seien wegen des Krieges verunsichert, sagt Denis, gerade seit der russische Präsident Wladimir Putin im September eine Teilmobilmachung ankündigte. Seitdem sei die Nachfrage nach einem neuen Haus praktisch komplett eingebrochen. Es mache sich auch bemerkbar, dass viele Besserverdienende das Land verlassen hätten. Und nicht zuletzt würden in manchen Unternehmen die Arbeitskräfte knapp – weil die Männer eingezogen wurden.

„Bei uns arbeiten viele Immigranten - die Betonbauer, Maurer, Zimmermänner, die kommen aus Usbekistan und Tadschikistan und sind nicht betroffen. Ich sorge mich um die Ingenieure, Meister und Poliere, die russische Staatsbürger sind. Bei uns ist bisher noch niemand eingezogen worden. Aber bei anderen Firmen schon, die kämpfen daher mit Schwierigkeiten.“

Die Handelssanktionen treffen die russische Wirtschaft, weil eben die sich in den vergangenen 30 Jahren in enger Zusammenarbeit mit westlichen Lieferanten entwickelt hat. Auch Experten seien über das wahre Ausmaß überrascht gewesen, so Wladimir Klimanow von der Russischen Akademie für Nationalökonomie: 

„Niemand hätte gedacht, dass bei der Herstellung von Büchern Importartikel eine so große Rolle spielen und praktisch nicht zu ersetzen sind. Das gilt für die Farbe. Und das gilt für einige Maschinen. Wenn sie beschädigt sind, können die Hersteller keine Ersatzteile beschaffen. Selbst in der Landwirtschaft gibt es Defizite bei bestimmten Sorten von Samen.“

Ausländische Autobauer haben ihre Werke geschlossen  

Wie ganze Industriezweige jetzt in große Schwierigkeiten geraten sind, zeigt die Automobilproduktion. Die deutschen, französischen und japanischen Hersteller haben ihre Werke geschlossen. Und die beiden verbliebenen russischen Werke mussten feststellen, dass sie viele Komponenten aus dem Ausland bezogen. Auch sie hätten die Fertigung deshalb vorübergehend eingestellt, sagt Sergej Aslanjan, Journalist und Automobil-Experte:

„Wenn man bei Awtowas, also dem Lada-Hersteller, ein Kraftstoffsystem für ein neues Modell brauchte – oder ein neues Getriebe, dann hat man das einfach im Ausland eingekauft. Aber jetzt bekommen wir nichts mehr von Bosch und auch nicht von Siemens. Jetzt müssten wir eigentlich alles selbst erfinden, aber das klappt nicht. Es gibt die entsprechenden Ingenieure nicht, und es fehlt an der notwendigen Technologie.“
Denn auch chinesische Hersteller füllten die Lücke nicht, sagt Sergej Aslanjan. Die wüssten genau, dass sie dann Probleme mit den USA und mit der Europäischen Union bekämen. China hält sich auch in anderen Branchen damit zurück, Russland zur Seite zu springen. Chinesische Banken finanzieren den Kauf von Rohstoffen aus Russland nicht mehr. Chinesische Energiefirmen haben auch ihre Kooperationen in Russland eingefroren. Die russischen Autohersteller hätten jedoch nach einigen Monaten Stillstand ihre Produktion wiederaufgenommen, sagt Sergej Aslanjan:

„Bei den Modellen, bei denen es möglich ist, wird wieder produziert – wenn auch in deutlich abgespeckter Form, also ohne ABS, ohne Airbags, auch ohne das russische Navigationssystem Ero-Glonass, für das die Chips aus China kamen. Die Autos sind in etwa wieder auf dem Stand von 1966. Natürlich ohne irgendwelche Emissionsstandards. Denn, ohne die Technik von Siemens oder Bosch ist es unmöglich, eine Norm wie Euro-5 einzuhalten. “

Bislang ist schwer auszumachen, wie sich die Sanktionen auf die Luftfahrt auswirken. Die russischen Fluggesellschaften bekommen von Boeing oder Airbus keine Ersatzteile mehr. Internationale Medien recherchierten, dass die Fluggesellschaften deshalb bereits seit Monaten Flugzeuge zerlegten, um andere Maschinen mit den Ersatzteilen reparieren zu können. Bestätigte Informationen dazu gibt es nicht.

Trotz schwer greifbarer Zahlen: Die Sanktionen wirken auf fast jeden Wirtschaftszweig in Russland ein - in manchen Sektoren, wie dem Automobilsektor, sind die Auswirkungen schneller und klarer nachzuvollziehen, in anderen langsamer, wie beim Verschleiß der Flugzeugflotte oder bei den Staatsfinanzen.

Probleme, den Haushalt auszugleichen, wird Russland erst im kommenden Jahr bekommen.

Oleg Izchoki, russicher Ökonom und Professor an der Universität von Kalifornien
Die russische Regierung und regierungsnahe Ökonomen glauben: Russland könne diesen Trend mittelfristig umkehren. Sie benutzen dafür den russischen Begriff „importosameschenje“ – das Ersetzen von bisher importierten Waren durch einheimische Produkte. Befürworter verweisen auf die reichen Rohstoff-Vorkommen in Russland. Ein Beispiel für Autarkie soll der Flugzeugbau werden: In nur acht Jahren will der staatliche Flugzeugkonzern OAK allein an die Fluggesellschaft „Aeroflot“ 339 neue Flugzeuge ausliefern. Der Staatshaushalt soll das Investitionsprogramm mit vielen Milliarden Euro bezuschussen.

Kritiker im Ausland halten solche Pläne dagegen für nichts Anderes als Wunschdenken. Russland habe es nicht geschafft, eine annähernd unabhängige und technisch hoch entwickelte Wirtschaft aufzubauen, sagen sie – und das in Zeiten, in denen es keine Sanktionen gab, in denen die Öl- und Gaseinnahmen sprudelten. Umso weniger werde das in Zukunft gelingen.

Offen bleibt die Frage, ob sich das Sanktionsregime auf die Bereitschaft der russischen Regierung auswirkt, den Krieg zu beenden – so, wie von der Koalition beabsichtigt. Der russische Ökonom Oleg Izchoki, Professor an der Universität von Kalifornien in Los Angeles, hält das zum jetzigen Zeitpunkt für unrealistisch. Dem unabhängigen Fernsehsender „Doschd“ sagte er:

„Bisher ist nicht zu sehen, dass die wirtschaftlichen Probleme Russland einschränken, es begrenzen. Der Fortgang des Kriegs wird erst einmal weiter an der Front entschieden werden. Probleme, den Haushalt auszugleichen, wird Russland erst im kommenden Jahr bekommen. Ich schätze, dass die Wirtschaft zumindest in den kommenden sechs Monaten nicht der entscheidende Faktor sein wird, der Putin dazu zwingen könnte, seine Kriegsstrategie zu ändern.“