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Menschenrechte
Aserbaidschan sonnt sich im Lichte des Sports

Das Land geführt von einem Autokraten, in der Rangliste der Pressefreiheit rangiert Aserbaidschan auf Platz 163 von 180. Andersdenkende lässt Präsident Ilham Alijew verhaften. Im Gefängnis finden sich Oppositionspolitiker, Bürgerrechtler, Anwälte, Journalisten. Sein Image poliert Aserbaidschan gern mit dem Sport auf. Doch der schweigt zu den Zuständen am Kaspischen Meer.

Von Robert Kempe | 25.03.2017
    Rote Ballons steigen in den Himmel über dem Stadion in Baku/Aserbaidschan während der Eröffnungsfeier der Europaspiele
    Rote Ballons steigen in den Himmel über dem Stadion in Baku während der Eröffnungsfeier der Europaspiele in Aserbaidschan 2015 (picture-alliance / dpa / Bernd Thissen)
    Aserbaidschan - am Kaspischen Meer. Der Herrschaftsbereich von Präsident Ilham Alijew. Menschenrechtsorganisationen beschreiben das Land als unfrei, kritisieren eklatante Menschenrechtsverletzungen, wie Wenzel Michalski von Human Rights Watch. "Es gibt keine Meinungsfreiheit, es gibt keine Freiheit sich irgendwie zu versammeln, zu demonstrieren. Jede Opposition wird ausgeschaltet. Journalisten verschwinden im Gefängnissen. Aktivisten werden jahrelang irgendwo festgehalten unter fadenscheinigen Gründen. Dieses Land ist wirklich eines der schlimmsten Menschenrechtsverbrecher, die es unter den Staaten in der internationalen Gemeinschaft gibt."
    Über 100 politische Gefangene zählen aserbaidschanische NGOs im Land. Vor den Europaspielen 2015 kamen Dutzende hinzu. Auch Anar Mammadli saß über zwei Jahre im Gefängnis. Der prominente Bürgerrechtler wurde 2014 mit dem Vaclav-Havel-Menschrechtspreis ausgezeichnet. Da war er bereits verurteilt. Mammadli kritisierte die Präsidentschaftswahlen 2013. Wenig später erhielt er über fünf Jahre Haft. Willkürjustiz.
    "Das Regime ist korrupt, das gesamte politische System ist korrupt"
    Das Regime gehe systematisch gegen Kritiker vor, so Mammadli diese Woche gegenüber dem Deutschlandfunk. "Wenn sie kritische Stimmen unterdrücken. Ist es für ihr Vorgehen viel besser und einfacher. Das Regime ist korrupt. Das gesamte politische System wurde Teil der Korruption des Landes. Und Sie können nicht anders. Das Regime weiß, dass wenn man über Probleme des Landes schreibt, würde die öffentliche Achtsamkeit wachsen. Dann würde es schwieriger für sie sein, alles zu kontrollieren. Aber ich bin absolut pessimistisch, dass es eine Hoffnung gibt für die Zukunft des Landes."
    Mammadli lebt weiterhin in Aserbaidschan. Heute kümmert er sich vor allem um die Familien der politischen Gefangenen - auch um die des führenden Oppositionspolitikers im Land. Seit drei Jahren ist Ilgar Mammadov im Gefängnis. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kam zu dem Schluss, dass seine strafrechtliche Verfolgung politisch motiviert war und darauf abzielte ihn für Kritik an der Regierung zu bestrafen. Internationale Forderungen, Mammadov freizulassen, ignoriert Präsident Alijew. Auch die des Europarats, in dem Aserbaidschan Mitglied ist.
    Ein Polizist im Athletendorf der Europaspiele in Baku (10.06.2015).
    Ein Polizist bewacht das Athletendorf während Europaspiele in Baku 2015 (dpa / picture-alliance / Mikhail Japaridze)
    Repressionen für Kritiker im Ausland
    Dem Politiker gehe es gesundheitlich im Gefängnis schlecht, er erhalte nicht die notwendige Krankenversorgung, so der Bürgerrechtler Anar Mammadli. "Im Gefängnis sind die Bedingungen sehr schlimm. Es gibt kaum Elektrizität. Einen Mangel an medizinischer Versorgung. Die Lebensbedigungen sind minimal. Für eine schwierige medizinische Behandlung müsste man ins Krankenhaus. aber das erlauben sie den politischen Gefangenen nicht."
    Doch das Regime versucht auch immer wieder Kritiker im Ausland mundtot zu machen. Das erlebte kürzlich Ordukhan Teymurkhan. Aserbaidschan verließ er vor 30 Jahren - noch zu Zeiten der Sowjetunion. Heute hat er einen niederländischen Pass, ist einer der führenden Organisatoren von regimekritischen Demonstrationen. Nach einem Protestmarsch im Februar in Köln, bekam er einen Anruf aus Aserbaidschan. Zwölf Mitglieder seiner Familie befanden sich in Polizeigewahrsam darunter seine zweijährige Nichte. Die Polizei verlangte, dass er mit seinen Protesten aufhört.
    Europaspiele, Formel 1 und EM-Spielort
    Ordukhan Teymurkhan hat die Gespräche aufgezeichnet und im Internet veröffentlicht. "Es passiert nahezu mit allen Aktivisten, die in Europa, Amerika oder anderen Ländern gegen den Diktator Ilham Alijew kämpfen. Die Polizei und der Geheimdienst in Aserbaidschan versuchen viel die Angehörigen zu verängstigen. Wegen dem was wir machen."
    Der Sport kommt dennoch gern nach Aserbaidschan. Zuletzt die Europaspiele, regelmäßig Formel 1. Viel Geld fließt in den Sport, trotz der Wirtschaftskrise im Land, viel kommt vom staatlichen Ölkonzern Socar. Die Schatulle von Präsident Ilham Alijew. Socar ist Sponsor der UEFA, soll insgesamt zirka 80 Millionen Euro zahlen. Für Alijew gut investiertes Geld. 2020 kann sich Baku als mehrfacher EM-Spielort der Welt präsentieren.
    Der Sport, er schweigt. Auch der Deutsche Fußball-Bund. Auch jetzt, kurz vor dem Qualifikationsspiel in Aserbaidschan, hat er sich zur Menschenrechtssituation nicht geäußert. Gegenüber dem WDR-Magazin "sport inside" verwies man auf diplomatische Beziehungen zwischen Berlin und Baku und verbat sich jede weitere Nachfrage zu den Menschenrechten.
    Der DFB äußert sich nicht
    Für Wenzel Michalski von Human Rights Watch nicht nachzuvollziehen. "Ich finde das ist eine jämmerliche Haltung. Der DFB kann sich auch nicht damit herausreden, dass er von der Sache nichts weiß. Denn in der Presse steht sehr viel. Wir haben öfter schon über die Situation in Aserbaidschan berichtet. Wer dort hingeht als Sportverband und den Mund hält, macht sich zum Werkzeug der Propaganda des Regimes in Aserbaidschan. Das muss man leider so hart sagen. Denn Sport wird zu Propagandazwecken in Aserbaidschan missbraucht."
    Auch die SPD-Fraktion im Bundestag fordert den DFB und seinen Präsidenten Reinhard Grindel auf, sich endlich klar zu positionieren. Der ehemalige Journalist und Bundestagsabgeordnete hat dazu noch wenige Stunden Zeit.