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Afrikanische Heilpflanzen
Forscher ergründen die Wirkung von Wilder Mango, Stinkholz und Cola-Nuss

Traditionelle Medizin und Heilpflanzen haben in Afrika einen hohen Stellenwert. Auf Märkten werden Pflanzenteile oder Baumsamen gegen Hepatitis, Malaria und nicht zuletzt Corona verkauft. Ein vom DAAD gefördertes Forschungsnetzwerk in Kamerun belegt nun, dass viele Pflanzenextrakte tatsächlich Wirkung zeigen.

Von Susanne Lettenbauer | 05.01.2022
Nebel über einer Lichtung im Regenwald, Lobéké-Nationalpark / Kamerun
Nebel über einer Lichtung im Regenwald, Lobéké-Nationalpark / Kamerun (imago images / imagebroker)
Auf langen Planen liegen die einzelnen Naturstoffe neben den drei Laboren des Graduiertenkollegs an der Universität in Yaoundé: Baumrinde, Baumsamen, Blätter und Gräser. Afrikanisches Stinkholz, african cherry, Enantia chlorantha und andere Pflanzen mit nahezu unbekannten lateinischen Namen aus den Regenwäldern Kameruns. Die junge Forscherin Kashe Fortain Soreo gehört zu einem Team von zehn ausgewählten Doktoranden, die hier sechs Monate lang den Umgang mit modernster Analysetechnik lernen können.
"Ich erforsche hier das Potential von antimykotisch wirkenden Heilpflanzen wie die Chromolaena odorata. Mittlerweile habe ich viele davon analysieren können. Das Ziel meiner Arbeit ist die Bekämpfung des Soorpilzes, der viele Pilzerkrankungen hervorrufen kann. Die Pflanze, deren Blätter ich sequenziert habe, zeigen bereits eine gute Wirksamkeit."

Traditionelle Heilpflanzen aus dem ganzen Land werden untersucht

Während Exkursionen in alle Landesteile sammelten die jungen WissenschaftlerInnen in den vergangenen Wochen in Wäldern, aber auch auf lokalen Märkten Heilpflanzen, die traditionell von der Bevölkerung gegen Krankheiten genutzt werden, etwa gegen Malaria, Hepatitis, Leberschäden, Fieber oder Erbrechen, erklärt Bruno Lenta, Chemieprofessor an der Universität Yaoundé: "Wir haben 600 Extrakte von rund 180 Medizinalpflanzen hergestellt und analysiert. Diesen Pflanzen wird eine antibakterielle Wirkung zugeschrieben, die wir nun untersuchen."

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Bruno Lenta erforscht seit 2016  gemeinsam mit seinem 13-köpfigen Team, warum und wie die einzelnen Bestandteile der Heilpflanzen wirken: "Wir haben In-Vitro-Screenings vorgenommen wie auch In-Vivo-Untersuchungen und haben sie verglichen. Das befähigt uns jetzt, exakt die Konzentration der Wirkstoffe in den einzelnen Pflanzenteilen zu bestimmen, ihre Toxität wie auch die Wirkung auf den Menschen, so dass wir auf eine Zulassung durch das Ministerium hoffen."

400 der untersuchten Pflanzenextrakte wirken antibakteriell

Auf diese Weise konnte Lentas Team belegen, dass mehr als 400 der untersuchten Pflanzenextrakte tatsächlich gegen Bakterien wirken - und dass 70 der hergestellten Extrakte erfolgreich gegen Parasiten eingesetzt werden können, die Malaria auslösen.
Untersucht werden unter anderem die Wirkbestandteile der Cola-Nuss, aber auch des Moabi-Baumes oder der wilden Mango. Traditionell werden zum Beispiel Cola-Nüsse gebrochen und zerkaut. Der hohe Anteil an Koffein sorgt für Linderung bei Kopfschmerzen, Durchfall oder Fieber.
Synthetische Medikamente gegen diese Beschwerden stünden im Kamerun oft nicht zur Verfügung, sagt Bruno Lenta: "Deshalb spielen Naturheilpflanzen eine Schlüsselrolle. Sieben Forschungsgruppen haben schon an diesem Thema gearbeitet, der Wirkung der Naturmedizin auf die Menschen. Aber eben nicht mit der notwendigen, wissenschaftlichen Genauigkeit. Warum? Es waren einfach nicht die technischen Voraussetzungen da, für eine Analyse auch kleinster Bestandteile."

Das erste Produkt der Forschung: Eine desinfizierende Seife

Mit der Herstellung von antibakterieller Seife konnte das Graduiertenkolleg bereits ein erstes eigenes Produkt kreieren, das als nicht genehmigungspflichtiges Fungizid in der Frauenheilkunde verwendet werden kann. Die Doktoranden sollen befähigt werden, mit den Erkenntnissen auch eigene Startups für den wachsenden Mark der Naturprodukte zu gründen, heißt es auch vom Kooperationspartner, der Universität Bielefeld. Das Team in Kamerun ist überzeugt: In den Regenwäldern des Kongobeckens warten noch einige Überraschungen für die Pflanzenmedizin - aufgrund der hohen Biodiversität gerade auch im Regenwald Afrikas.
Die Laufzeit des Projektes wurde gerade bis 2025 verlängert. Denn der Trend hin zu afrikanischen Naturarzneimitteln als wichtiger Bioressource wird seit Längerem auch in Europa erkannt. Am Ende soll dann unter anderem ein Arzneimittelbuch für Naturheilstoffe aus Kamerun entstehen, eine Handreichung für eine bessere Qualitätskontrolle auf den lokalen Märkten.