Freitag, 26. April 2024

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Biologische Reststoffe
Wie aus Abfällen Treibstoff wird

Deutschland will ab dem Jahr 2045 keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre schicken. Dafür braucht es mehr öffentliche Verkehrsmittel, mehr Radwege und Elektroautos. Für Lkw, Busse und Schiffe, die weite Strecken zurücklegen, entwickeln Forscher deshalb klimaneutrale Kraftstoffe aus biologischen Abfällen.

Von Hellmuth Nordwig | 06.01.2022
    Eine Lagerhalle in Sulzbach-Rosenberg, Oberpfalz. Bis vor 20 Jahren wurde an diesem Standort Stahl produziert. Heute forscht hier das Fraunhofer-Institut UMSICHT unter anderem an den Kraftstoffen der Zukunft. Robert Daschner gewinnt sie zum Beispiel aus grob geschnittenen Holzschnipseln, die hier in großen Plastiksäcken lagern.

    "Hier ist so ein holziger Rückstand, das ist etwas mit ganz vielen Feinanteilen drin, viel Rindenanteil, wo die eine oder andere Feuerung bestimmt auch Probleme hat. Und solche minderwertigen Einsatzstoffe sind das, was wir uns anschauen, um da einfach noch die maximale Wertschöpfung rauszuholen."

    Leimleder und Schweinegülle

    Das Team des Maschinenbauers erzeugt Benzin, Diesel und Kerosin aus biologischen Abfällen. In vielen verschiedenen Gläschen zeigt Robert Daschner, was außer den Rindenresten noch als Rohstoff taugt. Zum Beispiel Klärschlamm; die Reste von Rapssamen nach der Ölgewinnung; oder: 

    "Biertreber - jeder kennt Bier, bei der Produktion fällt dieser Treber an. Leimleder aus der Lederherstellung: Das ist das, was von den Häuten noch abgezogen wird, das Fettgewebe. Man kann sich vorstellen: Kein appetitlicher Einsatzstoff, aber durchaus sehr energiereich. Schweinegülle-Pellets, da kann man sich selber vorstellen, was da dahintersteckt. Die Mitarbeiter freuen sich zum Teil sehr, wenn sie diese neuen Einsatzstoffe testen können. Aber es ist wichtig, nachhaltige Alternativen zu finden, Einsatzstoffe, die man sonst nicht oder nur minderwertig nutzt, nutzbar zu machen."

    Das unterscheidet das Konzept hier von dem anderer Forschungsinstitute: Die Wissenschaftler verwenden kein schönes Stroh oder sauberes Sägemehl, sondern Biomaterialien, die sich oft nicht mal zum Kompostieren eignen. Sie werden in einer Anlage Marke Eigenbau zunächst unter Sauerstoffabschluss erhitzt. Dabei entstehen drei Dinge: Kohle, die landwirtschaftliche Böden verbessern könnte; außerdem sogenanntes Synthesegas, interessant für die Chemieindustrie; und ein Öl, so dunkel wie das im Automotor. Damit man es als Kraftstoff nutzen könnte, muss es erst noch mit Wasserstoff behandelt werden. Und je nach Rohstoff müssen Verunreinigungen entfernt werden wie Stickstoff oder Schwefel.

    "Und man erhält dann einen reinen Kohlenwasserstoff, den man über eine Destillation in eine Benzin- und eine Dieselfraktion auftrennen kann. Aber auch eine Kerosinfraktion. Wie bei einer großen Mineralöl-Raffinerie: Da fällt ja immer das ganze Produktspektrum an. Das ist bei uns ähnlich, sodass wir hier auch eine breite Palette erzeugen."

    Biologische Reststoffe, die "eh da" sind

    Eine Bio-Raffinerie ist also das Ziel, die biologischen Rest-Müll verwertet. Der Kraftstoff aus Biertreber oder Schweinegülle erfüllt alle Normen für heutige Verbrennungsmotoren. Trotzdem funktioniert das Ganze erst mit kleinen Mengen. Vor allem was die Energiebilanz angeht, hakt es noch: In den Treibstoffen landet nur rund ein Drittel der Energie aus den Bioabfällen. Das liegt unter anderem daran, dass der Prozess für jeden Reststoff neu angepasst werden muss und bei weitem noch nicht für alle optimiert ist. Aber dafür können die Forschenden rund 70 verschiedene Ausgangsmaterialien verarbeiten, mit denen sonst kaum einer was anfangen kann.

    "Man spricht da bei den biogenen Reststoffen von "Eh da"-Potenzialen, weil diese Biomasse oder diese Einsatzstoffe eh da sind, weil die sowieso anfallen als Reststoff, und da hat es natürlich umso mehr Sinn, diese zu nutzen."

    Das ist bei herkömmlichem Bioethanol oder Biodiesel anders: Dafür werden eigens Pflanzen angebaut, die Platz, Wasser und Dünger benötigen. Berechnungen des Bundesumweltministeriums zeigen allerdings auch, dass die Biokraftstoffe aus Abfällen den Bedarf an Kraftstoffen bei weitem nicht abdecken werden. Bestenfalls zehn Prozent könnten sie künftig einmal beisteuern. Als ein Baustein von vielen für die Energiewende im Verkehrssektor könnten sie dennoch wichtig werden.