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Klimafreundliche Treibstoffe
Kraftstoffe aus Kohlendioxid

Bei dem Versuch, das Treibhausgas Kohlendioxid in Kraftstoff zu verwandeln, gelang Chemikern aus Stanford vor acht Jahren einen Durchbruch - dank Nanokupfer. Seitdem hat die Herstellung klimafreundlicher Treibstoffe rasant Fahrt aufgenommen.

Von Hellmuth Nordwig | 25.10.2022
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E-Fuels, hergestellt aus Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe von erneuerbaren Energien, schonen das Klima, sind aber noch teuer in der Herstellung. (picture alliance/dpa)
Kohlendioxid soll nicht mehr das Treibhaus Erde aufheizen, sondern für Treibstoffe verwendet werden: für Schiffsdiesel zum Beispiel oder Kerosin. Vor zehn Jahren war das nicht viel mehr als eine Idee. Heute ist die Umsetzung weit vorangeschritten. CO2 wird in Pilotanlagen bereits dort abgefangen, wo es massenhaft anfällt: etwa bei der Stahlproduktion von Thyssenkrupp in Duisburg oder beim Rohrdorfer Zementwerk in der Nähe von Rosenheim.

Und Kohlendioxid wieder zu nutzen, ist viel besser, als es unter der Erde zu lagern, meint Matthias Beller, Direktor des Leibniz-Instituts für Katalyse in Rostock: "Weil ich eben Kohlendioxid auf die Weise auch zu Wertstoffen umwandle. Grundsätzlich sind die Technologien für die Umwandlung von CO2 mit grünem Wasserstoff zu sogenannten E-Fuels bekannt. Das ist keine visionäre Forschung. Die existieren. Aber die heute vorhandenen Technologien sind noch zu teuer, um mit den klassischen fossil basierten Rohstoffen zu konkurrieren."

Herstellung von E-Fuels: etablierte Technik, aber teuer

Es gibt mehrere Technologien, um Kohlendioxid in Kraftstoff umzuwandeln. Drei Dinge brauchen sie alle. Erstens: Wasserstoffatome. Die fehlen in den CO2-Molekülen, in Treibstoffen müssen sie aber drin sein. Meist wird grüner Wasserstoff als Quelle verwendet. Zweitens: Viel regenerativ erzeugter Strom, daher die Bezeichnung E-Fuels. Und drittens: Katalysatoren, erklärt Matthias Beller:

"Katalyse ist eine Technologie, die bei all diesen Umwandlungen eine wesentliche Rolle spielt. Katalyse bezeichne ich oft als die Wissenschaft von der Kontrolle chemischer Reaktionen. Und wenn wir grünen Wasserstoff aus Wasser erzeugen, wenn wir Kohlendioxid mit diesem Wasserstoff umsetzen zu grünem Diesel, dann sind das natürlich auch alles chemische Reaktionen."

Renaissance der hundert Jahre alten Fischer-Tropsch-Synthese

Eines der möglichen Verfahren besteht darin, vom Kohlendioxid-Molekül CO2 ein Sauerstoffatom abzuspalten. Dabei entsteht Kohlenmonoxid, CO. Zusammen mit Wasserstoff bildet es das sogenannte Synthesegas. Es ist lange bekannt und heißt deswegen so, weil man vieles daraus herstellen kann.
Zum Beispiel Kraftstoffe, sagt Ulf-Peter Apfel, Professor für Anorganische Chemie an der Ruhr-Universität Bochum: "Da gibt es ein Verfahren, das nennt sich Fischer-Tropsch-Chemie. Das ist eigentlich schon sehr alt, hundert Jahre. Da können Sie aus Kohlenmonoxid wieder wertvolle Chemikalien generieren. Ob das nun Kraftstoffe sind oder andere Chemikalien, kommt immer ganz darauf an, wie sie den Prozess führen."
Das Start-Up-Unternehmen Ineratec in Karlsruhe zum Beispiel baut containerbasierte Systeme, die mittels Fischer-Tropsch-Synthese E-Fuels produzieren.

Die Suche nach preiswerteren Katalysatoren

Es gibt aber auch andere Reaktionswege vom CO2 zu Kraftstoffen - und für jeden davon eine Vielzahl möglicher Katalysatoren. Der Trend geht dabei weg von teuren Edelmetallen hin zu kostengünstigeren Alternativen, darunter Nanokupfer.
Matthias Beller vom Leibniz-Institut für Katalyse arbeitet an einer anderen Option: "Wir selber bearbeiten in unserem Forschungsinstitut Mangan-basierte Katalysatorsysteme, die aus unserer Sicht sehr vielversprechend aussehen. Mangan ist das dritthäufigste Element in der Erdkruste, noch ein bisschen günstiger als Kupfer und auch besser verfügbar, toxikologisch weniger bedenklich im Abwasser. Also da passiert eine Menge. Aber am Ende werden bei all diesen Prozessen Metall-basierte Katalysatoren gebraucht."
Der Katalysator allein sei allerdings nicht das bestimmende Element, sagt Ulf-Peter Apfel von der Ruhr-Uni Bochum: "Da gehört viel mehr dazu: Der Katalysator muss in die richtige Umgebung eingebettet sein. Und dann müssen Sie noch das richtige Reaktions-Setup haben, um die Reaktion durchzuführen." Sein Team versucht, das CO2-Molekül direkt mit Strom zu zerlegen, durch Elektrolyse. Auch dabei kann - je nach Reaktionsumgebung und Katalysator - eine Vielzahl von Produkten erzeugt werden, unter anderem Treibstoffe. 

Welches Verfahren wird das Rennen machen?

Welche Technologie sich letztlich durchsetzen wird, ist derzeit offen. Demonstrationsanlagen, die aus Kohlendioxid und Wasserstoff E-Fuels produzieren, laufen schon seit Jahren. Und wenn es gelingt, sie in größerem Maßstab zu realisieren, sollten die Kraftstoffe dann auch preisgünstiger werden. Matthias Beller ist daher sicher: E-Fuels werden kommen, und sie werden auch aus CO2 hergestellt. Ihr großer Vorteil: Ihr Einsatz braucht keine neue Infrastruktur.
"E-Fuels sind chemisch nahezu identisch zu den heutigen Treibstoffen. Ich brauche auch keine neue Motorentwicklung zu betreiben, sodass sie durchaus insbesondere für den Schiffstransport, aber auch für emissionsfreies Fliegen aus meiner Sicht eine sehr gute Option darstellen." - Denn da ist ein elektrischer Antrieb nicht immer möglich. Aber die Motoren können schon bald mit klimaschonenden Kraftstoffen angetrieben werden, die nicht aus fossilen Quellen stammen, sondern aus dem Treibhausgas CO2.