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Die Unwahrheiten des DOSB

Das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hat sich über Münchens gescheiterte Olympiabewerbung und mögliche künftige Bewerbungen verständigt. Herausgekommen ist ein selbstgefälliges Fünfpunktepapier, in dem behauptet wird, die Bewerbung für die Winterspiele 2018 sei ein voller Erfolg gewesen.

Von Jens Weinreich | 16.07.2011
    Eine deutsche Bewerbung für Sommerspiele 2020 wird vom DOSB ausgeschlossen. Eine Entscheidung über eine erneute Bewerbung Münchens für die Winterspiele 2022 wird vertagt.

    Das von IOC-Vizepräsident Thomas Bach geführte DOSB-Präsidium überrascht mit einer Argumentation, die nicht in allen Punkten deckungsgleich mit der Wahrheit ist.

    Die Erklärung des DOSB-Präsidiums diente offensichtlich auch dem Ziel, eine breitere öffentliche Debatte über künftige Bewerbungen und die Fehler der Münchener Offerte zu beeinflussen. Hatten sich doch nach Münchens 25-Stimmen-Desaster gegen Pyeongchang einige lokale Medien für schnelle Olympiabewerbungen von Berlin und Hamburg starkgemacht.

    Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) stellte in einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel" die Frage, ob in der deutschen Sportpolitik noch "jemand versteht, wie das IOC denkt". Dies war unverhohlene Kritik am DOSB-Boss Thomas Bach, der sich nach der Wahlniederlage in Durban schwer schockiert präsentiert hatte. Ausgerechnet Bach aber war das Exklusivrecht zugekommen, Anfang der Woche die Bundeskanzlerin über die Hintergründe dieser IOC-Entscheidung zu informieren. Damit übte der DOSB, Hauptverantwortlicher für die Bewerbungspleite, die Kommunikationsherrschaft aus, wie man unschwer an den Äußerungen Angela Merkels erkennen konnte – und auch an der verwirrenden Argumentation nach der DOSB-Präsidiumssitzung.

    Der Wahrheitsgehalt dieses fünf Punkte umfassenden Pamphlets lässt zu wünschen übrig. Von Selbstkritik keine Spur. Dabei lassen sich einige Kernargumente des DOSB, die von vielen Medien kritiklos übernommen wurden, leicht korrigieren.

    Zum einen wird behauptet, eine neuerliche, also dritte Bewerbung Pyeongchangs sei 2007, als man München ins Rennen schickte, "eher unwahrscheinlich" gewesen.

    Natürlich war eine dritte Bewerbung Pyeongchangs damals, als sich der DOSB ohne Not auf München festlegte, bereits absehbar – entschieden haben sich die Südkoreaner aber erst später. Verwundert hat damals vor allem die deutsche Eile, denn nichts drängte ja, München so früh zu nominieren – nichts, außer offenbar den Privatinteressen des DOSB-Präsidenten. Bach musste eine Sommerbewerbung 2020 verhindern, weil diese auf der IOC-Session 2013 entschieden wird – auf jener Session also, die auch den Nachfolger von IOC-Präsident Jacques Rogge wählt. Bach ist erster Kandidat, was nicht nur Rogge, sondern viele andere IOC-Mitglieder längst öffentlich klargemacht haben.

    Bach machte Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit und dem damaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust deshalb deutlich, dass eine Sommerbewerbung nicht infrage käme. Von Beust blieb seinerzeit der DOSB-Vollversammlung in Hamburg fern. Auch Wowereit schmollte. Doch beide fügten sich dem Diktat des DOSB, der dann mit stalinistischer Geschlossenheit München für 2018 ins Rennen schickte. Von Beust und Wowereit versagten damals politisch – sie streuten die Geschichte nur in kleinen Kreisen, opponierten aber nicht öffentlich. Auch daran hat die deutsche Olympia-Debatte bis heute zu leiden.

    Eine wirkliche öffentliche Diskussion über Sinn und Unsinn einer Bewerbung über Sommer- oder Winterspiele hat es damals nicht gegeben - und diese Diskussion soll auch heute nicht geführt werden. Entschieden wird im Zirkel des DOSB-Präsidiums, das von Bach dominiert wird und in dem viele Personen sitzen, die weder durch eigene Meinung noch Kritikfähigkeit auffallen, die aber – wie etwa Schwimmverbandspräsidentin Christa Thiel – sportpolitisch mitunter abstruse Thesen vertreten und sich zu Höherem berufen fühlen.

    Im Grunde hat sich seit vier Jahren nichts geändert: 2007 musste eine Sommerbewerbung von Hamburg und/oder Berlin für 2020 verhindert werden. Und 2011 muss eine Sommerbewerbung von Hamburg und/oder Berlin für 2020 verhindert werden.

    In der Wahl seiner Argumente beugt das DOSB-Präsidium die Wahrheit. So wird behauptet:

    "Allerdings ist eine Bewerbung um die Spiele im Jahr 2020 freilich schon angesichts der bereits Ende Juli 2011 endenden Abgabefrist ausgeschlossen."

    Das ist nicht korrekt.

    Wahr ist vielmehr, dass Olympiabewerbungen für 2020 erst in sechs Wochen eingereicht werden müssen – keinesfalls schon Ende Juli.

    Wahr ist, dass Nationale Olympische Komitees Ende Juli allein ihre Bereitschaft signalisieren müssen: Sofern Daten außerhalb des offiziellen olympischen Zeitraums (15. Juli bis 31. August 2020) vorgesehen sind, soll das gemeldet werden. Außerdem wird schriftlich die Anerkennung des Sport-Weltgerichtshofes CAS und der WADA-Regularien verlangt. Nichts wäre ein Problem für einen deutschen Bewerber.

    Erst am 1. September müssen NOKs, müsste dann also auch der DOSB, einen Bewerber benennen. Am 15. September müssten die Gebühr von 150.000 Dollar hinterlegt und die Bewerbungs-Regularien unterzeichnet werden. Bewerbungsunterlagen werden erst Mitte Februar 2012 verlangt.

    Es ist gemäß IOC-Unterlagen also falsch, wenn der DOSB verbreitet, "Ende Juli 2011" ende die "Abgabefrist".

    Die Gründe für eine derartige Irreführung von Öffentlichkeit und Geldgeber Politik sind dieselben wie vor vier Jahren für den voreiligen Entschluss für München 2018: Eine kleine Clique deutscher Sportfunktionäre, dem DOSB-Präsidenten beinahe hörig, bestimmt den Lauf der Dinge.

    Die wenigen Fürsprecher einer Alternative – etwa DOSB-Ehrenpräsident Manfred von Richthofen, das ehemalige IOC-Mitglied Roland Baar oder Berlins LSB-Präsident Klaus Böger – werden keine Wende herbeiführen können.