Dienstag, 30. April 2024

Dopingverdacht
Weiterhin viele Widersprüche im Fall von Leichtathletin Benfares

Seit Wochen steht die Läuferin Sara Benfares unter Doping-Verdacht: Bei der Leichtathletin wurden EPO und Testosteron gefunden, angeblich wegen einer Erkrankung. Doch seit Beginn gibt es Widersprüche und offene Fragen. Auf einige hat jetzt ihr Anwalt reagiert.

Von Christian von Stülpnagel | 06.04.2024
Die deutsche Leichtathletin Sara Benfares prescht über die Tartanbahn.
Die Läuferin Sara Benfares steht seit mehreren Wochen im Zentrum eines diffusen Leichtathletik-Skandals. Gegen sie und auch ihre Schwester Sofia laufen NADA-Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen das Anti-Doping-Gesetz. (picture alliance / Laci Perenyi / Laci Perenyi)
Der Fall Sara Benfares ist voller Wendungen. Erst hatte die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) Ende Januar eine positive Dopingprobe der Läuferin öffentlich gemacht, kurz darauf meldete sich ihr Vater, Manager und Trainer Samir Benfares: Seine Tochter habe Knochenkrebs, EPO und Testosteron sei Teil der Therapie.
Mitte März heißt es dann, das alles sei ein Missverständnis: Knochenkrebs könne zwar nicht ausgeschlossen werden – eine genaue Diagnose liege aber nicht vor. Sara Benfares leide an einer „diffusen Knochenkrankheit, für die weder die Ärzte noch ihr Vater eine plausible Erklärung hatten“, schreibt ihr Anwalt auf Anfrage.
Warum der Vater dann von Krebs gesprochen habe? „Herr Benfares war insgesamt mit der Erkrankung seiner Tochter und der media[l] thematisierten Dopingkontrolle überfordert“, so der Anwalt.

Journalistin Baudrier: "Samir Benfares hat von Krebs gesprochen"

Ein Eindruck, den Odile Baudrier nicht bestätigen kann: Sie ist Herausgeberin des Leichtathletik-Magazins SPE15, das vor allem über Doping im Sport berichtet. Ihr hat Samir Benfares am Telefon von der Krebserkrankung seiner Tochter erzählt: „Vielleicht war er überfordert, aber nicht in dem Maße, dass er einen Krebs mit einer simplen Knochenkrankheit vertauscht. Er hat sehr deutlich von einem Krebs gesprochen, von einer Chemotherapie, von Haarausfall. Er hat davon gesprochen, dass sie in Deutschland behandelt werde – und jetzt heißt es sie werde in Frankreich behandelt.“
Außerdem heißt es jetzt: Der Vater sei in den Fall kaum involviert – Sara Benfares selbst habe das mit dem Arzt besprochen: „Die Eltern wussten nichts von der Einnahme der Mittel. Insgesamt war die Einnahme wenig durchdacht und geschah aus Verzweiflung", schreibt der Anwalt.
Für Odile Baudrier kaum vorstellbar – vor allem, seit auch Saras jüngere Schwester Sofia positiv auf Epo getestet wurde: „Von dem, was ich weiß, hat der Vater die Richtung vorgegeben. Er hat die Entscheidungen getroffen. Dass die Mädchen das selbst gemacht haben sollen, passt überhaupt nicht zu dem Charakter, der einem auch von Leuten aus seinem Umfeld beschrieben wird. Das würde mich wundern."
Für den Deutschlandfunk war Samir Benfares bislang nicht zu erreichen.

Knie in degenerativem Zustand? Benfares lief trotzdem

Es sind nicht die einzigen augenscheinlichen Widersprüche in diesem Fall. So schreibt der Anwalt von Sara Benfares zu ihren Beschwerden: Das linke Knie habe sich seit Oktober 2023 in einem degenerativen Zustand befunden. Dennoch hat Sara Benfares Anfang Dezember an einem traditionellen Straßenlauf in der Schweiz teilgenommen, dem Course de l’Escalade in Genf: Rund 7,3 Kilometer, 155 Höhenmeter. Benfares brauchte dafür 24 Minuten und 30 Sekunden, landete auf Platz sechs.
„Einen Monat lang ging es ihr zeitweise besser“, begründet ihr Anwalt die Anstrengung trotz der beschriebenen Beschwerden. Und: „Rückblickend wäre es besser gewesen, sich weiter zu schonen. Fällt Sportlern allgemein schwer. Nach dem Lauf konnte sie nicht einmal mehr auslaufen, da sie solche Schmerzen hatte.“
Trotzdem gibt Sara Benfares nach diesem Lauf der Saarbrücker Zeitung ein Interview, spricht von einer Olympiaqualifikation noch im Laufe des Dezembers. „Da war sie zu optimistisch und hat ihre gesundheitliche Situation nicht ehrlich reflektiert“, heißt es dazu von ihrem Anwalt.

Benfares' Instagram-Posts werfen viele Fragen auf

Weitere Fragen wirft das Instagram-Profil von Sara Benfares auf. Dort postet sie in unregelmäßigen Abständen Bilder von Trainingseinheiten: Bergintervalle mit ihrer Schwester, in kurzer Hose bei Sonnenschein am 29. Oktober. Am 9. Dezember, sieben Tage nach dem Course de l’Escalade, nach dem sie sich laut ihrem Anwalt vor Schmerzen nicht mehr auslaufen konnte: Ein Dauerlauf über 20 Kilometer – mit einem Schnitt von 3:33 Minuten pro Kilometer. Aufgenommen angeblich in Font Romeu, der Ort ist für Trainingslager in der Höhe beliebt.

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Dazwischen im November ein Dauerlauf im Regen südöstlich von Paris, am 31. Dezember ein Lauf im Schnee mit dem Kommentar: „Um das Jahr auf einem Höhepunkt zu beenden, ein langer Lauf mit einem Höhengewinn von 800 Metern. Immer besonders auf 2100m Höhe.“
Business, schreibt der Anwalt: Das sei die Pflicht ihren Sponsoren gegenüber. Nike hat auf eine Anfrage diesbezüglich nicht geantwortet. Aber wie passen die Posts zum angeblichen Gesundheitszustand von Sara Benfares in dieser Zeit?

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Auf genauere Nachfrage, wann die Bilder aufgenommen wurden, schickt der Anwalt ein Zitat von Sara Benfares: „Die Fotos stammen aus dem Jahr 2021 und wurden während einer Sitzung aufgenommen.“
Unklar bleibt, wieso in den Postings offensichtlich falsche Zeitbezüge hergestellt werden, warum es mal regnet und mal Schnee liegt, wieso mal ein Vorort von Paris zu sehen ist, ein anderes Mal Berge wie in den Alpen – und das Wetter an den Orten zu den jeweiligen Tagen passt, an denen die Bilder gepostet wurden.
Auch die zeitlichen Abläufe bleiben undeutlich: Wann wurde welche Diagnose gestellt, wann war Sport möglich, wann nicht? Von wem ging die Entscheidung aus, Medikamente mit Epo und Testosteron einzunehmen? Der Anwalt gibt zu: „Ja, die Kommunikation war suboptimal.“

LC Rehlingen hat Benfares-Schwestern ausgeschlossen

So oder so, in der deutschen Leichtathletik ist der Schaden angerichtet – sagt Richard Ringer, Marathon-Europameister, der wie die Benfares-Schwestern für den LC Rehlingen startet, am Rande eines Wettkampfs in Leverkusen: „Es gilt jetzt, das Vertrauen zurückzugewinnen. Gerade auch bei den Jugendlichen. Weil, wenn du im Verein bist, als 10-jähriges Kind, und denkst: Die oben machen ja was ganz anderes? Da muss man jetzt auch Vertrauen versuchen aufzubauen, dass das eben nicht die Normalität ist.“
Der LC Rehlingen hat die Benfares-Schwestern mittlerweile ausgeschlossen – auch wenn das Verfahren bei der Nada noch nicht abgeschlossen ist. Die Verbindung zu den Benfares-Sportlinnen sei sowieso nie stark gewesen, heißt es vom Verein – sie trainierten vor allem mit dem Vater in Frankreich.