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Fernwirkung von Waldbränden
Megafeuer fördern Extremwetter in den USA

An der US-Westküste häufen sich verheerende Waldbrände - mit weitreichenden Folgen. Eine neue Modellstudie zeigt, dass ferntransportierte Feuchtigkeit und Rußpartikel Gewitter und Hagelstürme an ganz anderer Stelle deutlich krasser ausfallen lassen.

Von Volker Mrasek | 18.10.2022
USA, Genesee: Die Flammen des Feuers in Kalifornien breiten sich aus.
Waldbrände wie hier in Kalifornien haben Auswirkungen weit übers Lokale hinaus (AP / Robert Michael)
Ende Juli 2018 wüteten in Kalifornien und Oregon drei riesige Waldbrände gleichzeitig. Schon nach wenigen Tagen verheerten sie eine Fläche so groß wie Berlin. Gut tausend Kilometer weiter östlich waren die Bedingungen damals auch extrem. Im Umland und jenseits der Rocky Mountains kam es zu schweren Unwettern, und das an vier Tagen hintereinander. Betroffen waren die US-Bundesstaaten Colorado, Wyoming, Nebraska und Süd-Dakota:
"Diese Unwetter waren vor allem am 28. und 29. Juli äußerst stark. Sie produzierten extreme Niederschläge, Überschwemmungen und Hagelkörner so groß wie Tennisbälle. Die Schäden wurden später auf über 100 Millionen US-Dollar geschätzt, was ziemlich viel ist für einzelne solcher Wetterereignisse."
Die Geowissenschaftlerin Jiwan Fan ist überzeugt: Beide Extremereignisse hingen miteinander zusammen. Die Waldbrände an der US-Pazifikküste haben die Gewitterstürme weiter im Osten zwar nicht ausgelöst. Aber ohne die Feuer wären sie ein gutes Stück schwächer ausgefallen, so die gebürtige Chinesin. Das gelte auch für andere Male, bei denen diese Phänomene zuletzt zeitgleich aufgetreten seien:

Hagelkörner so groß wie Tennisbälle

"Diese Waldbrände haben die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Starkregen und von über fünf Zentimeter großen Hagelkörnern spürbar erhöht – um über 30 Prozent! Das habe ich vor Beginn der Studie nicht erwartet: dass der Effekt so groß sein würde!"
Jiwen Fan forscht im staatlichen Pacific North West Laboratory in Richland in den USA. Dort simulierte sie die schweren Unwetter aus dem Juli 2018 im Computer, einmal mit und einmal ohne die Waldbrände in Kalifornien und Oregon.
Gemeinsam mit Fachkollegen untersuchte sie auch die Jahre davor. Demnach war es auch schon 2013 und ‘17 so: Große Flächenbrände in den Pazifikstaaten verstärkten Gewitter mehr als tausend Kilometer weiter landeinwärts. Durch die große Hitze und den anschließenden Ferntransport der Rauchschwaden, so die Forscherin:
"Die Hitze der Waldbrände verstärkt die Westwinde an der US-Pazifikküste. Wir sehen, dass sie dann mehr Feuchtigkeit landeinwärts transportieren und auch den Rauch der Feuer. Dabei geht es um große Mengen Ruß und andere organische Partikel, die nach Osten gelangen. An ihnen kann sich später Wasserdampf anlagern und kondensieren, es bilden sich Wolkentröpfchen. Dabei wird Wärme frei, und diese Energie intensiviert die Unwetter im Landesinneren."

Hitze der Waldbrände verstärkt Westwinde

Dass starke Waldbrände an der Pazifikküste und Gewitter jenseits der Rocky Mountains simultan auftreten, ist bisher noch selten. Aber:
"Waldbrände könnten in Zukunft immer früher im Jahr auftreten und damit vermehrt in der Gewittersaison im Sommer. Der Einfluss der Feuer auf Starkniederschläge weiter im Osten wird sicher zunehmend an Bedeutung gewinnen."
Ferntransportierte Asche aus Waldbränden verstärkt vermutlich nicht nur in den USA Unwetter an ganz anderer Stelle. Pablo Saide kann sich vorstellen, dass ähnliche Prozesse auch auf anderen Kontinenten ablaufen, etwa über dem Amazonas-Regenwald. Saide ist Assistenzprofessor für Atmosphärenforschung an der Universität von Kalifornien in Los Angeles und freut sich über die neue Studie seiner Fachkolleginnen und -kollegen:
"Das Superinteressante an diesem neu entdeckten Mechanismus: wie der Rauch von Waldbränden und zusätzlicher Wasserdampf dorthin gelangen, wo sich Unwetter zusammenbrauen! Und wie sie auf diese Weise verstärkt werden."
Auch Wettervorhersagen könnten davon profitieren, würden sie mögliche Fernwirkungen von Megafeuern berücksichtigen. Bisher ist das nicht der Fall.