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Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd
Tochter des Deutsch-Iraners fordert "rote Linie"

Der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd soll im Iran hingerichtet werden. Seine Tochter wirft der Bundesregierung vor, nicht genug zu tun. Eine "ernsthafte Reaktion" auf das Vorgehen des "Terrrorregimes" sei bisher ausgeblieben.

02.05.2023
Gazelle Sharmahd, Tochter des im Iran zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd, steht im Deutschen Bundestag.
Kämpft für ihren Vater: Gazelle Sharmahd nach einem Termin im Bundestag. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
Gazelle Sharmahd, Tochter des im Iran zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd, hat der Bundesregierung erneut schwere Vorwürfe gemacht und diese eindringlich aufgefordert, mehr für ihren Vater zu tun.

"Wir werden im Stich gelassen"

Die letzten zweieinhalb Jahre sei klar gewesen, dass das iranische Regime ihren Vater töten und zur Schau stellen wolle, sagte sie im Deutschlandfunk. „Das haben wir leider alle vorausgesehen, dass das Regime das vorhat, dass sie meinen Vater umbringen wollen, dass sie ihn zur Schau stellen wollen, dass sie uns allen Angst und Schrecken damit einjagen wollen“, sagte Sharmahd. Das Regime wolle damit zeigen: „Wir können euch im Ausland terrorisieren oder entführen, wir können euch foltern, wir können euch durch Schauprozesse ziehen, die auf Lügen basieren, und dann können wir euch an einem Kran aufhängen und nichts wird geschehen, niemand kann uns aufhalten.“
Der Oberste Gerichtshof im Iran hatte das umstrittene Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd kürzlich bestätigt. Ein Revolutionsgericht hatte den 68-Jährigen im Februar 2023 unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich gemacht. Außerdem legte das Gericht ihm die Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten zur Last. Überprüfen lassen sich die Vorwürfe nicht. Todesstrafen werden im Iran normalerweise durch Erhängen vollstreckt.
Der Bundesregierung wirft Gazelle Sharmahd nun vor, nicht entschieden genug gegen das iranische Regime vorgegangen zu sein. Sie habe lange auf „eine ernsthafte Reaktion“ der Bundesregierung gewartet, doch diese habe es bis jetzt nicht gegeben, so Sharmahd - zumindest keine, „die das Regime auf irgendeine Weise interessieren oder es davon abhalten würde, meinen Vater hinzurichten“. Sie selbst sei nach tausend Tagen „Krieg“ gegen das „Terrorregime“ im Iran erschöpft und habe das Gefühl: „Wir werden im Stich gelassen, da ist keine Regierung, da ist niemand, der hinter einem steht und der einem Schutz bieten kann.“

Nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“

Sie wisse, dass hinter den Kulissen bestimmt viel getan werde. Zugleich zeige Deutschland dem Iran aber keine rote Linie auf. "Warum gab es diese Worte und diese Taten, die es jetzt gibt, nicht vor zweieinhalb Jahren, als ein deutscher Staatsbürger entführt worden ist? Warum war das nicht unsere rote Linie? Und warum haben wir dort nicht schon Konsequenzen gezeigt, damit es nicht erst dazu kommen muss, dass mein Vater jetzt in Lebensgefahr ist?"
Alle Bemühungen, ihren Vater zu retten, seien momentan nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Gazelle Sharmahd. Sie forderte die Bundesregierung auf, ein Notfall-Team einzurichten.
Der in Teheran geborene Jamshid Sharmahd war im Alter von sieben Jahren nach Deutschland gekommen und wuchs in Peine und Hannover auf. Seit 1995 ist er deutscher Staatsbürger mit doppelter Staatsbürgerschaft. 2003 wanderte der Familienvater in die USA aus und baute dort ein Software-Unternehmen auf. Sharmahd engagierte sich in den USA in der Exil-Oppositionsgruppe „Tondar“ (Donner), die sich für eine Rückkehr der Monarchie einsetzt.

Vom iranischen Geheimdienst verschleppt

Berichten zufolge war Sharmahd im Sommer 2020 vom iranischen Geheimdienst in Dubai festgenommen und in den Iran verschleppt worden. Seitdem ist er in Teheran inhaftiert. Die iranische Justiz macht die Organisation für einen Anschlag im Jahr 2008 auf eine Moschee in der Stadt Schiras mit mehreren Toten verantwortlich. Drei Männer wurden in diesem Zusammenhang bereits hingerichtet. Seine Familie und Menschenrechtsgruppen haben die Vorwürfe gegen Sharmahd in der Vergangenheit immer wieder zurückgewiesen.
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Iran, das Todesurteils gegen Jamshid Sharmahd zu bestätigen, hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf Twitter kritisiert: „Wir fordern Iran auf, dieses willkürliche Urteil unverzüglich rückgängig zu machen,“ schrieb sie. Die Bestätigung des Todesurteils sei inakzeptabel: „Jamshid Sharmahd hatte zu keinem Zeitpunkt den Ansatz eines fairen Prozesses.“ Man setze sich mit allen Kräften für Sharmahd und gegen die Vollstreckung des Urteils ein.

Mordversuch in Los Angeles

Nach Angaben von Gazelle Sharmahd hatte ein iranischer Agent bereits 2009 versucht, ihren Vater in Los Angeles zu ermorden. Der Fall ihres Vaters sei eine klare Botschaft des iranischen Regimes an die Diaspora und an Journalisten und Aktivisten weltweit. Jeder, der für Wahrheit kämpfe und zeigen wolle, was wirklich im Iran passiere, sei im Visier des Regimes, sagte sie.
Derzeit sind mehrere europäische Staatsbürger im Iran inhaftiert, viele von ihnen haben auch einen iranischen Pass. Der Iran behandelt Doppelstaatsbürger juristisch wie Iraner. Kritiker werfen Teheran vor, ausländische Staatsbürger als politische Geiseln festzusetzen. Der Iran weist die Vorwürfe zurück und begründet die Festnahmen üblicherweise mit dem Vorwurf der Spionage.

Quellen: Dlf, dpa, ahe, epd