Archiv


Gefahr aus dem Süden?

Biologie. - Im Norden Nigerias ist auf einer Geflügelfarm die Vogelgrippe aufgetaucht, und das zu einer Zeit, zu der sich die Zugvögel wieder aus ihren Winterquartieren in Afrika in Richtung Europa auf den Weg machen. Der Vogelkundler Professor Franz Bairlein, Leiter des Instituts für Vogelforschung " " in Wilhelmshaven, schätzt im Gespräch mit Monika Seynsche die gegenwärtige Situation ein.

    Seynsche: Herr Professor Bairlein, welche Vögel fliegen denn überhaupt über Nigeria nach Europa?

    Bairlein: Aus Nigeria kommen relativ viele verschiedene Arten über einen direkten Weg von Süden gen Norden, so etwa ab Mitte März, teilweise ab Ende Februar so nach Mitteleuropa zurück, die allermeisten allerdings mehr über eine eher westliche Route, wir bezeichnen die als südwestliche Route, nämlich dann über das westlichste Westafrika kommend über Spanien, Südfrankreich und dann nach Mitteleuropa.

    Seynsche: Könnten diese Vögel die Vogelgrippe mitbringen?

    Bairlein: Das Szenario ist ähnlich wie das, was wir in der Vergangenheit für den Südostzug oder auch im Herbst schon für den Zug aus Sibirien hierher diskutiert haben, die entscheidende Frage ist eben, wo kann sich ein solcher Zugvogel anstecken, welche Arten kommen überhaupt in Frage. Und da wird ja besonders diskutiert die Rolle von Vögeln, die in einem weiteren Sinn Wassergeflügel sind, also in feuchtem Lebensraum vorkommen, wie Enten, wie Gänse, wie manche Störche oder Reiher. Und da muss man sagen, dass wir aus dem Bereich Nigeria nur ganz, ganz wenige Arten haben, die dafür überhaupt in Frage kommen.

    Seynsche: Welche sind das?

    Bairlein: Das sind im wesentlichen zwei Entenarten, die von uns aus hier in Afrika südlich der Sahara überwintern, die dann beispielsweise auch Überwinterungsplätze am Tschadsee haben, der ja an der Grenze zwischen Nigeria und der Republik Tschad liegt. Und diese sind speziell eben die Arten Knäckente und Spießente, die in Europa nicht sehr häufig sind, aber immerhin hier in Mitteleuropa vorkommen, und die rein theoretisch durchaus dann, wenn dort die Ausbrüche in Rastgebiete, in die Winterquartiere dieser Vögel hinein geschehen, dann auch rein theoretisch in der Lage sind, das zu transportieren, sofern, und das ist etwas, worauf ich immer wieder hinweise, sofern überhaupt ein infizierter Zugvogel noch ziehen kann. Das wissen wir bis heute nicht wirklich.

    Seynsche: Weil diese Vögel dann selber auch krank werden?

    Bairlein: Also es ist dieses H5N1-Virus ein außerordentlich krankheitserregendes, also pathogenes Virus, hoch pathogenes Virus, und wenn es auch nur einen Teil dieser Pathogenität auch in Wildvögeln hat, dann ist nicht zu erwarten, dass diese Wildvögel selber noch in der Lage sind, größere Strecken zu fliegen, zumal, und das sollten wir uns für diesen Zugweg besonders ins Auge nehmen, diese Vögel die Sahara zu überfliegen haben, wo sie ja in einem langen, vielstündigen Nonstop-Flug die Reise zu bewerkstelligen haben, und dazu muss man einfach fit sein. Und da erwarte ich nicht, dass Vögel, die infiziert sind, diese Leistung noch vollbringen können.

    Seynsche: Warum sind Wasservögel gefährlicher als Singvögel, die ja auch von Afrika nach Europa kommen?

    Bairlein: Das ist ja die große Masse von Singvögeln, die hier zurück kommen, Hunderte von Millionen. Es gibt bis heute keinen verläßlichen Hinweis, dass sich ein Singvogel draußen irgendwo als Wildvogel infiziert, und dass er dann noch in der Lage ist, das noch zu transportieren. In allen Szenarien, die ich heute kenne, geht man im wesentlichen von Wassergeflügel aus. Dazu gehören im weitesten Sinne eben auch Reiherartige und Störche. Und da kommt ein Thema, das wir einfach auch aufmerksam beobachten sollten, denn unsere Weißstörche, die ja auch engen Kontakt zum Menschen zur Brutzeit haben. Und es gibt eben dann auch noch einige Greifvogelarten, die in diesen Regionen überwintern. Und wenn die in den Rastgebieten, Winterquartieren Zugang hätten zu infizierten Hausgeflügel, dann ist ein Transport nie ganz auszuschließen.

    Seynsche: Welche Zugvögel haben direkten Zugang zu Geflügel, oder meiden die das eher?

    Bairlein: Also die meiden eher. Mein Szenario, mit dem ich immer versuche, diese panische Angst zu nehmen: Ein normaler Wildvogel ist so scheu, dass er diesen engsten Kontakt, den es ja braucht zum infizierten Hausgeflügel, freiwillig gar nicht herstellt. Und umgekehrt ist er auch bei uns so scheu, dass er den nennenswerten Kontakt überhaupt nicht herstellt zu unserem Hausgeflügel, denn das bedeutet ja die Rückinfektion in die Hausgeflügel hinein. Das heißt, diese ganz engen Kontaktmöglichkeiten sehe ich bei den meisten Zugvögeln nicht.

    Seynsche: Die Gefahr ist also eher gering. Vielen Dank, Herr Bairlein.