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Flutkatastrophe in Pakistan
Warum der Monsun so extrem ausfällt

Viermal so viel Regen wie sonst üblich, ganze Provinzen im Süden unter Wasser: Pakistan leidet unter extremen Monsun-Niederschlägen. Neben dem Klimawandel forcieren auch natürliche Ozeanzyklen die Katastrophe. Die Lage kann sich noch zuspitzen und das besorgt auch Forschenden in dem Land.

Mrasek, Volker |
Luftbild von der überschwemmten Stadt Khairpur Nathan Shah in Pakistan
Luftbild von der überschwemmten Stadt Khairpur Nathan Shah in Pakistan. (picture alliance / ZUMAPRESS.com / PPI)
Fahad Saeed wohnt in einem Außenbezirk von Islamabad. Sein Haus steht an einem kleinen Fluss. Eigentlich mehr ein Bach, sagt der pakistanische Klimaforscher.
Doch im Juli wurde er selbst Zeuge, was starker Monsunregen in den Bergen im Norden der Hauptstadt auslösen kann: "Einige Kinder spielten in dem ausgetrockneten Flussbett, als eine Flutwelle heranrauschte. Plötzlich war überall um sie herum Wasser, ihnen blieb nur noch eine kleine Anhöhe. Ein Nachbar von mir sprang in den Fluss, um sie zu retten. Doch er wurde dann selbst von den Fluten mitgerissen. Stunden später fand man seine Leiche."

Mehr als eine Millionen beschädigte Häuser, über 1300 Tote

Pakistan erlebt in diesem Jahr die schwersten, jemals beobachteten Monsun-Niederschläge und Überschwemmungen. Die hätten schon Mitte Juni begonnen, sagt Saeed: "Seitdem gab es immer wieder Episoden mit heftigem Monsunregen. 33 Millionen Menschen und ein Drittel des ganzen Landes sind betroffen, die Provinzen Sindh und Belutschistan im Süden am stärksten. Sie stehen noch heute größtenteils unter Wasser. Dort fiel bisher viermal so viel Niederschlag wie sonst in der ganzen Monsun-Saison."
Über 1.300 Tote, mehr als eine Million Behausungen beschädigt oder zerstört, 800.000 verendete Nutztiere, kollabierte Brücken und gebrochene Dämme. Das sind offizielle Zahlen der pakistanischen Katastrophenschutzbehörden: Klimaforscher Saeed: "2010 gab es schon einmal eine Superflut in Pakistan, wie sie damals genannt wurde. Mit geschätzten Schäden in Höhe von fast zehn Milliarden US-Dollar. In diesem Jahr ist das Ausmaß der Überschwemmungen fast doppelt so stark!" Und die Schäden werden noch zunehmen.

Auch Ernte wird stark unter Überflutungen leiden

Die überfluteten Provinzen im Süden steuern normalerweise rund ein Fünftel der landwirtschaftlichen Erträge Pakistans bei. Reis und Baumwolle seien hier hervorzuheben, sagt die Hydrologin Rike Becker von der Universität Kassel.
Ihre Forschung führte sie schon mehrmals nach Pakistan: "Abgesehen davon, dass es überhaupt schon zerstörerische Überflutungen sind: Auch dass die jetzt gerade Pakistan während der Erntezeit treffen. Die würde nämlich jetzt gerade für wichtige Anbauarten starten. Da wird natürlich die Ernte extrem drunter leiden."

"Doppelschlag" für Pakistan

Klimaforscher Saeed spricht von einem "double whammy" für Pakistan in diesem Jahr, von einem Doppelschlag. Erst eine absolute Rekord-Hitzewelle schon im April und Mai, mit Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius oder sogar knapp darüber. Und ab Juni dann ein Hitzetief über dem Land, das extreme Monsun-Niederschläge hervorbringt.
Saeed war an einer Studie beteilligt, die zeigte: "Durch den Klimawandel ist eine so starke Hitzewelle wie im Frühjahr 30 mal wahrscheinlicher geworden. Wie es bei den Extemniederschlägen ist, untersuchen wir gerade. Seit 15 oder 20 Jahren sind Teile Pakistans jetzt in jeder Saison von Wetterextremen betroffen. Die Situation für den ganzen indischen Subkontinent verschlimmert sich."

Atmosphäre über Südostasien erwärmt sich besonnders schnell

Den Klimaphysiker Kai Kornhuber überrascht diese Entwicklung nicht. Er war früher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, ist jetzt an der Columbia University in New York und verweist auf den Weltklimarat IPCC: "Global kann man sagen, dass extreme Regenfälle sich verstärken. Und insbesondere für diese Region sieht der IPCC eine Verstärkung von Regenfällen voraus."
Die Atmosphäre über Südasien erwärmt sich nämlich schneller als die meisten anderen Weltregionen. Sie kann dadurch mehr Wasser aufnehmen und üppigere Niederschläge produzieren.

Noch kein Ende der Katastrophe in Sicht

Dass die Regenfälle über Pakistan diesmal so extrem sind, liegt aber zum Teil auch an natürlichen Klimaschwankungen. Der Indische Ozean und der tropische Pazifik – beide seien derzeit in einem Modus, der die Meerestemperaturen erhöhe und den Monsun verstärke, sagt Klimaforscher Fahad Saeed.
Die Katastrophe, fürchtet er, ist noch nicht vorbei: "Für die südlichen Provinzen sind auch im September noch hundert Prozent mehr Regen vorhergesagt als normal."