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Sommer 2022
Mehr Todesfälle während Hitzewellen

Die jüngsten Hitzewellen im Juni und Juli haben vermutlich beide weit über 3.000 Todesopfer in Deutschland gefordert. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes. Fachleute kritisieren, dass Deutschland dabei deutlich mehr tun müsste, um Hitzetote zu vermeiden.

Von Volker Mrasek |
Menschen kühlen sich am 13.07.22 beim Wassertreten in einem Kneipp-Becken im Kurgarten von Bad Kissingen ab.
Besonders ältere Leute und Menschen mit Vorerkrankungen sind gefährdet (Imago )
Die Analyse für den gesamten Juli ist noch nicht fertig. Aber bis zur 29. Kalenderwoche hat das Statistische Bundesamt die Meldungen aller diesjährigen Sterbefälle in Deutschland schon ausgewertet. Damit liegen jetzt erste Daten für die Zeit der jüngsten Hitzewelle vor. Denn die fiel in die Kalenderwoche vom 18. bis 24. Juli. Die Demographin Marieke Smilde-Becker mit den vorläufigen Zahlen:
"In der 29. Kalenderwoche liegen wir aktuell bei 20.600 Todesfällen insgesamt. Und das sind 3800, 3900 Fälle, die wir über dem mittleren Wert der vier Vorjahre liegen."

COVID-19 spielt nur eine Nebenrolle

Man spricht von Übersterblichkeit. In der so brütend heißen vorletzten Juli-Woche war sie damit deutlich erhöht: um 23 Prozent. Die Wiesbadener Wissenschaftlerin weiß es noch nicht genau. Aber sie geht davon aus: Nur etwa 500 der fast 4000 zusätzlichen Todesfälle in der Hitzewoche hatten mit COVID-19 zu tun:
"Im Juni sind wir aktuell - das sind natürlich auch immer noch hochgerechnete Werte, das sind nicht die finalen Werte -, aber im Juni sind wir aktuell bei 78.000, 79.000 Todesfällen. Der Wert liegt 5000 bis 6000 über dem Vergleichswert. Und wir sind da bei 1300 COVID-19-Todesfällen."

Effekt ist aus den Vorjahren bekannt

Der Verdacht, der sich daraus ergibt: Die jüngsten Hitzewellen im Juni und Juli haben vermutlich beide weit über 3000 Todesopfer in Deutschland gefordert – zusammen womöglich 7000 oder mehr:
„Wir kennen diesen Effekt aus Vorjahren. Auch im letzten Jahr 2021 hatten wir in Kalenderwoche 24, das war Mitte Juni, genau solch einen Peak, eine ganz heiße Woche, und die Sterbefallzahlen sind deutlich über den Vergleichswert geschossen.“           

Menschen mit Vorerkrankungen besonders gefährdet

Stefan Muthers arbeitet im Zentrum für Medizinmeteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes in Freiburg. Auch er ist sich sicher:
„Die Erfahrung der Vergangenheit und die Ergebnisse von statistischen Modellen weisen ganz klar darauf hin, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen diesen Hitzewellen und den zusätzlich aufgetretenen Todesfällen.“
Umbringen könne Hitze vor allem Menschen, die gesundheitlich angeschlagen seien, sagt der Biometeorologe:
„Also Menschen mit Vorerkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen. Auch Menschen mit Atemwegserkrankungen sind sehr stark betroffen. Generell ältere Menschen und pflegebedürftige Menschen, eben auch deswegen, weil diese Menschen schon häufiger unter Vorerkrankungen leiden. Wenn wir über die Sterbefälle reden, dann geht’s natürlich vor allem um ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen.“

Hitzewelle 2003 forderte viele Tote

Die meisten Hitzetoten in Deutschland forderte zuletzt der Rekordsommer 2003:
„Da hatten wir eine sehr lange Hitzewelle im August. Da kamen wir im Laufe des Sommers auf ungefähr 10.000 Menschen, die zusätzlich während dieser Hitzewelle verstorben sind.“ 
Heute, fast zwei Jahrzehnte später, gehen die Opferzahlen noch immer in die Tausende. Stefan Muthers findet, wir müssen und sollten das nicht hinnehmen:
„Ich denke schon, dass wir als Gesellschaft in der Lage sind, einen Teil dieser zusätzlichen Todesfälle definitiv zu vermeiden. Indem wir uns besser vorbereiten auf Hitzewellen, indem wir uns im gewissen Maß daran anpassen. Also, da ist definitiv noch Potenzial vorhanden, dass wir besser mit der Hitze umgehen lernen. Also, dass man konkret die Personen und die Bevölkerungsgruppen, die gefährdet sind, dann erreicht, um sie einfach erstmal darauf hinzuweisen, dass es wichtig ist, in den nächsten Tagen ausreichend zu trinken und die Hitze nach Möglichkeit zu vermeiden.“       

Frankreich ist bei der Prävention schon deutlich weiter     

Frankreich hatte im Rekordsommer 2003 rund 15.000 Hitzetote zu beklagen. Die Rathäuser richteten daraufhin Register ein, die Seniorinnen und Senioren erfassen, vor allem alleinstehende. Seither werden sie vor Hitzewellen gewarnt und mit ausreichend Wasser versorgt. Viele Pflege- und Altenheime wurden zudem klimatisiert. An Frankreich sollten wir uns durchaus ein Beispiel nehmen, empfiehlt Stefan Muthers:
„Deutschland ist da meiner Meinung nach eher noch so ein bisschen in den Startlöchern.“