Dienstag, 19. März 2024

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Tino Chrupalla (AfD)
"Eine Impfpflicht würde die Situation noch verschärfen"

AfD-Co-Bundessprecher Tino Chrupalla hat sich im Dlf gegen eine Corona-Impfpflicht in Pflegeheimen und Krankenhäusern ausgesprochen. Er sehe die Gefahr, dass Pflegepersonal nicht mehr zur Arbeit komme, wenn es sich dafür impfen lassen müsse. Deshalb sei mit einer Impfpflicht keine Entlastung erreicht.

Tino Chrupalla im Gespräch mit Nadine Lindner | 21.11.2021
Der AfD-Co-Bundessprecher und Fraktionschef im Bundestag, Tino Chrupalla, hat sich im Interview der Woche im Deutschlandfunk gegen eine Impfpflicht in der Pflege ausgesprochen. Dadurch verschärfe man die Situation sogar, wenn Pflegepersonal deswegen abspringe. Angesichts stark steigender Corona-Infektionszahlen wird derzeit verstärkt über eine allgemeine Impfpflicht und über eine einrichtungsbezogene Impflicht diskutiert. Chrupalla warnte aber vor Panikmache und betonte, ob die prognostizierten "Horrorzahlen" bei den Corona-Infektionen eintreten werden, müsse sich erst noch zeigen. Er kritisierte gleichzeitig, die Impfstoffe wirkten nicht wie erwartet und versprochen.
Berichterstattung über Infektionen
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Bezüglich der angespannten Situation mit Geflüchteten an der Grenze zwischen Polen und Belarus lobte Chrupalla die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dafür, dass sie das Gespräch mit dem belarussischen Machthaber Lukaschenko gesucht hat. Nach Auffassung des AfD-Chefs ist es jetzt wichtig, die Länder zu unterstützen, in denen sich Geflüchtete aufhalten, damit diese wieder zurück in ihre Herkunftsländer gebracht werden. Einen besonderen Dank spricht er Polen und den polnischen Sicherheitskräfte aus, die gegen die Geflüchteten an der Grenze vorgehen. "Für mich sind das keine Migranten, die hier herzlichen willkommen sind, für mich sind das Gewalttäter in großer Anzahl", so Chrupalla.
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Realpolitik kennt keine einfachen Antworten
Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen im kommenden Jahr erklärte Chrupalla, die AfD wolle in alle Landesparlamente wieder einziehen und versuchen, zweistellige Wahlergebnisse zu erreichen. Als Beispiel nannte er Nordrhein-Westfalen. Chrupalla wiederholte zudem den Wunsch, die AfD solle bis 2025 koalitions- beziehungsweise regierungsfähig sein.

Das Interview im Wortlaut:

Nadine Lindner: Es gibt neue rechtliche Grundlagen für die Pandemiebekämpfung und es gibt auf der anderen Seite neue Höchststände bei den Infektionszahlen. Es gibt Krankenhäuser, die zunehmend volllaufen. Vilee Menschen fragen sich: Wie kommen wir denn da eigentlich raus? Herr Chrupalla, welchen Weg beschreitet die AfD, um diese Pandemie zu bekämpfen? Welche Instrumente und Lösungsansätze haben Sie?
Tino Chrupalla: Zu den Lösungsansätzen würde ich gleich kommen. Ich würde erstmal zu den Ursachen natürlich, die man auch nicht wegdiskutieren kann, kommen. Und das habe ich auch am Donnerstag Gesundheitsminister Spahn gefragt: Was ist eigentlich das letzte Jahr passiert in Deutschland? Sicherlich haben wir eine hohe Impfquote von 70 Prozent – da muss man sich als Erstes fragen, warum wirkt die Impfung nicht so wie erhofft? Das Zweite ist, es wurden im gleichen Zeitraum über 4.000 Intensivbetten abgebaut, obwohl man wusste, gerade vor dem Winter, dass die Infektionszahlen wieder steigen werden – grippal, aber auch natürlich durch Covid. In meinem Bundesland über 300 Betten. Krankenhäuser wurden sogar geschlossen. Also, das sind natürlich auch Dinge, die man einfach auch mal beantworten muss. Warum wurde das eigentlich gemacht?

"Kapazitäten in den Krankenhäusern hochfahren"

Lindner: Herr Chrupalla, ich habe Ihre Rede am Donnerstag auch gehört, die Sie gehalten haben zum Infektionsschutzgesetz. Und ich habe mich genau diese Frage gefragt. Sie haben diese Kritik dort ausgebreitet, Sie haben vor allem auch zurückgeblickt, aber in Ihrer Rede war kein einziges Instrument genannt, wie diese Pandemie bekämpft werden kann, das heißt, wie diese Situation gelöst werden kann. Deswegen würde ich jetzt gerne meine erste Frage nochmal stellen: Was ist das Rezept der AfD dafür?
Chrupalla: Gut, dann haben Sie meine Rede wahrscheinlich nicht ganz so genau verfolgt. Denn ich habe durchaus Maßnahmen genannt, die man natürlich auch ergreifen müsste. Also, als Erstes sofortige Aufstockung der Intensivbetten, auch das könnte man tun. Dann habe ich eine Ausbildungsoffensive gefordert, was Pflegepersonal angeht. Auch für die Zukunft muss da was passieren. Und natürlich auch die finanziellen Anreize für das Kranken- und Pflegepersonal. Entlastung bürokratischer Auflagen. Zum Beispiel auch die Bettenpauschale, die immer noch in einigen Bundesländern nicht gezahlt wird, bringt natürlich auch die Krankenhäuser in finanzielle Engpässe, und die muss sofort wieder eingerichtet werden. Also, hier müssen die Kapazitäten als Erstes wirkungsvoll hochgefahren werden.


Chrupalla: Ja, aber es sagt auch niemand, warum das geschehen ist.
Lindner: Na ja, gut, es liegt unter anderem an Personalknappheiten. Es liegt daran, das ist ja nicht nur ein Bett ist, das ist ja jetzt nicht nur ein Möbelstück, was in einem Krankenhaus stehen muss.
Chrupalla: Das ist korrekt.

"Wer infiziert ist, ist noch lange nicht erkrankt"

Lindner: Sondern natürlich geht es ja auch darum, dass dort Pflegepersonal anwesend sein muss und auch Pflegepersonal, was jetzt auch über die vergangenen Monate durchaus Belastungen ausgesetzt war. Sie haben auch sozusagen die Vorhaltepauschale angesprochen. Aber das löst ja jetzt nichts kurzfristig. Ich habe ja jetzt darauf hingewiesen, dass man sich ja akut in einer Notlage befindet, auch Lothar Wieler, der Chef des Robert-Koch-Instituts, hat das gerade an diesem Freitagvormittag nochmal in eindringlichen Worten geschildert. Deswegen an Sie die Frage: Wie sollen eigentlich diese Infektionszahlen gesenkt werden? Und ist das überhaupt ein Ziel Ihrer Partei, die Infektionszahlen zu senken?
Chrupalla: Also, wir müssen mal – Frau Lindner, auch das ist schon wieder eine Debatte – Infektionszahlen von Erkrankten und auch von hospitalisierten Personen trennen. Wer infiziert ist, ist noch lange nicht erkrankt. Auch das wird alles in einen Topf geschmissen. Und wir haben immer gesagt, dass wir uns von den Infektionszahlen trennen und auf die Hospitalisierungszahlen gucken.
Kommentar zur Hospitalisierungsrate: Wir hinken der Realität weiter hinterher
Da können wir jetzt darüber reden, wie wir dort in den Krankenhäusern, wie wir das relativ schnell beheben können. Erstens mal, die Intensivstationen waren auch schon vor Corona am Limit. Auch das muss man wissen. Wie gesagt, noch dazu kommt erschwerend dazu, dass Betten abgebaut wurden. Jetzt braucht man als Unterstützung zum Beispiel auch die Bundeswehr. Das wird jetzt in einigen Landkreisen auch vorgenommen, dass die Bundeswehr aktiv mit unterstützt und dort das Pflegepersonal entlastet. Und natürlich, man muss auch schauen, wie man weiteres Pflegepersonal schnell akquirieren kann, ganz klar.

Kritik an "Horrorzahlen und Panikmache"

Lindner: Sie haben auf diesen Unterschied hingewiesen zwischen Infiziertenzahlen und dann zwischen Hospitalisiertenzahlen. Aber eine Zahl beziehungsweise eine Quote hat ja unter anderem Lothar Wieler auch im Gespräch mit dem sächsischen Ministerpräsidenten, Michael Kretschmer von der CDU, genannt: 0,8 Prozent aller derjenigen, die jetzt infiziert sind, werden sterben durch diese Infektion. Und bei 50.000 Menschen, die sich pro Tag im Moment in Deutschland infizieren – teilweise sind es ja sogar mehr –, sind es mehrere hundert Menschen. Das sind 400, das sind vielleicht auch 500 Menschen, die an dieser Infektion sterben werden. Wie wollen Sie denn darauf eigentlich antworten? Und wie soll dieses Sterben beendet werden, wenn es nach der AfD geht? Welchen Instrumentenkasten legt die AfD da eigentlich hin?
Chrupalla: Wissen Sie, ich möchte erstmal ein bisschen zur Vernunft und zur Besonnenheit raten. Diese Horrorzahlen, die ja genannt werden, auch von Herrn Wieler – und er hat in der Vergangenheit schon einige genannt, auch Herr Drosten, der von 100.000 Toten spricht –, das sind wieder diese Horrorzahlen und die Panikmache, die in die Bevölkerung gestreut werden. Hier müssen wir als Politiker – und ich bin Politiker, ich bin kein Arzt, ich bin kein Virologe und Epidemiologie – auf die Besonnenheit erstmal achten, das ist die Grundvoraussetzung. Wir machen hier in diesem Land mittlerweile die Menschen völlig verrückt. Es sieht ja auch niemand mehr durch diese Horrorzahlen. Und wenn die sich bestätigen sollten oder auch nicht, das muss man erstmal abwarten. Also, ich sage mal, hier müssen wir als Erstes die Besonnenheit einbringen.

"Die Impfung wirkt nicht so wie erwartet"

Lindner: Ja, ja, das stimmt schon, das stimmt schon, Herr Chrupalla. Aber ...
Chrupalla: Frau Lindner, die Politiker müssten sich als allererstes mal ehrlich machen. Die Impfung, wie sie versprochen wurde, wirkt nicht so wie erwartet. Das ist Punkt eins. Warum sagt man das nicht einfach? Man hat sich von dieser Impfung mehr erhofft. Und das ist nicht eingetreten. In meinem Wahlkreis – ich nehme hier ein Beispiel – sind 140 Menschen aktuell hospitalisiert. Von diesen 140 Menschen sind 70 vollständig geimpft und 70 nicht. Also, Sie sehen, dass die Quote teilweise in den Krankenhäusern 50:50 ist. Also, hier hat der Impfschutz nicht gewirkt.

Warum sich auch geimpfte Menschen mit dem Coronavirus infizieren
Wer sollte eine Booster-Dosis bekommen?

Lindner: Ja, das mag jetzt auf Ihren Landkreis zutreffen. Nur, wenn man sich das bundesweit anschaut, sieht diese Quote ganz ...
Chrupalla: Auch da gibt es lokale Unterschiede.
Lindner: ... sieht diese Quote, auch der Hospitalisierung, natürlich ganz anders aus. Und daraus dann abzuleiten, dass die Impfung nicht wirkt, das ist ja das, was die AfD betreibt. Aber das ist ja auch nicht das, was ...
Chrupalla: Das ist doch mittlerweile ein Fakt, dass die Impfung nicht so wirkt, wie ... Wir haben mittlerweile Studien von unterschiedlichen Impfstoffen. Einige wirken vier Monate, andere sechs Monate – das ist doch nicht das, was man versprochen hat. Es haben sich Politiker hingestellt und haben gesagt: „Die Impfung ist der Game-Changer, damit ist Schluss mit Corona.“

"Wir müssen die vulnerablen Gruppen schützen"

Lindner: Ja, ja, das stimmt schon. Aber Herr Chrupalla, Sie sind wieder bei diesem Blick in die Vergangenheit. Die Frage und das Unterfangen, was ich die ganze Zeit versuche ist, aus der Kritik an der Vergangenheit rauszukommen. An der Pandemie-Politik der Bundesregierung, auch durchaus der Landesregierungen,da gibt es natürlich einige Punkte, die Sie, die aber auch andere Kritiker zu Recht ja auch bemängelt haben. Aber die Frage ist doch: Wie kommen wir da raus? Wir stehen jetzt im November 2021, viele Menschen fragen sich auch: Wie werden die nächsten Wochen verlaufen, was haben wir zu erwarten? Was erwarten Sie denn eigentlich für die kommenden Wochen, wie die Situation bezüglich der Infektionen, aber auch der Situation bezüglich der Krankenhäuser aussehen wird? Es gab heute nochmal eine eindringliche Wahrung, auch unter anderem von der Landesärztekammer in Sachsen, die sich darum sorgen, auch um die Ungeimpften, die jetzt in den Krankenhäusern liegen und auf einen deutlichen Unterschied zwischen den Impfquoten zwischen ihren Patienten auf der Intensivstation hinweisen. Das können Sie ja jetzt nicht vom Tisch wischen.
Chrupalla: Sie können ja meine Daten auch nicht leugnen, die ich jetzt gerade Ihnen vorgelegt habe. Sicherlich gibt es Unterschiede. Nochmal, ich halte von dieser Panikmache jetzt absolut überhaupt nichts. Damit hilft man den Menschen in keinster Weise. Wir müssen die vulnerablen Gruppen weiterhin schützen. Es sind Krankenhäuser und das sind Altenheime, wo hauptsächlich die gefährdeten Gruppen leben. Also, das heißt, dort muss getestet werden jeden Tag. Jeder, der dort auch zutritt, kommen, soll und möchte, muss getestet werden. Um das vorwegzunehmen.

"Mit einer Impfpflicht erreichen wir keine Entlastung"

Lindner: Gut. Also, das heißt?
Chrupalla: Eine generelle Impfpflicht, auch für dieses Pflegepersonal, was ja jetzt aktuell beschlossen wurde, halten wir für falsch. Weil es durchaus Personen gibt, die sich einfach nicht impfen lassen möchten. Und damit würde man sogar noch die Situation verschärfen. Wenn Pflegepersonal nämlich sagt: ‚Ich komme nicht mehr auf Arbeit, weil ich mich impfen lassen muss. Auch diese Mitteilungen gibt es ja mittlerweile, die kann man ja nicht verleugnen. Also erreichen wir damit keine Entlastung. Und darüber reden wir ja, Frau Lindner.
Lindner: Herr Chrupalla, das ist ein interessanter Punkt, den Sie ansprechen, „Schutz der vulnerablen Gruppen“. Das ist ja eine Konstante, die sich durch die Corona-Politik der AfD eigentlich von Anfang an, von Frühjahr 2020, mit durchzieht. Was ich Sie seitdem versuche zu fragen oder auch versuche Ihre Partei zu fragen ist: Wen verstehen Sie denn unter „vulnerable Gruppe“, wer zählt für Sie dazu und wie groß ist diese Gruppe, wie viele Menschen umfasst das eigentlich?
Chrupalla: Das wären für mich Altersgruppen ab 60 aufwärts und natürlich Menschen mit chronischen Erkrankungen. Das sind für mich vulnerable Gruppen.
Lindner: Und wie groß ist diese Gruppe, Ihrer Ansicht nach? Vom RKI gibt es Zahlen dazu, aber was sagt die AfD dazu?
Chrupalla: Es gibt natürlich ... wie groß die Zahl ist? Ich sage mal, ab 60 aufwärts, da gibt es eine klare Definition, wie viele Menschen das betrifft.
Lindner: Also, laut RKI sind es 21 Millionen Menschen, die zu dieser Hochrisikogruppe gehören.
Chrupalla: Ja.

"Testen in Krankenhäusern und Altenheimen funktioniert gut"

Lindner: Das ist ein Viertel der deutschen Bevölkerung. Und wie sollen die geschützt werden?
Chrupalla: Auch diese 21 Millionen Menschen haben das freie Recht zu entscheiden, ob sie sich schützen lassen möchten oder nicht. Und das heißt, ob sie sich impfen lassen möchten oder nicht. Das ist ihre persönliche Entscheidung – auch nach Grundgesetzt geschützt.
Lindner: Das stimmt schon, aber Sie haben auch eben gerade gesagt, der Staat muss Dinge unternehmen, um diese Personen zu schützen. Es braucht Schutzkonzepte.
Chrupalla: Ja, das habe ich. Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass die Voraussetzung dafür geschaffen ist für Menschen, die sich impfen lassen wollen, dass Impfstoff zur Verfügung steht, wenn sie das möchten. Das ist schon mal Punkt eins. Und natürlich, dass diese Gruppen in Alten- und Pflege- und Krankenhäusern, wo diese Ausbrüche ja auch verstärkt ausbrechen, dass dort natürlich die Testmaßnahmen eingehalten werden und dass die auch getestet werden. Und das läuft auch gut. Ich habe mich selbst erkundigt in den Krankenhäusern auch meiner Region, dass dort täglich getestet wird, auch in den Altenheimen. Es funktioniert gut. Und das sind Maßnahmen, die natürlich weiterhin auch vorangetrieben werden müssen und auch die bezahlt werden müssen. Zum Beispiel, was kostenlose Tests angeht. Auch das war ja ein absoluter Fehler, dass man das zum Beispiel wieder kostenpflichtig gemacht hat.
Lindner: Gut, da ist korrigiert worden.
Chrupalla: Und wir müssen eins sagen, dass sich auch beim Zutritt dieser Gebäude auch doppelt Geimpfte testen lassen müssen, auch Genesene. Weil die, wie wir mittlerweile wissen, auch Überträger von Corona sein können.
Lindner: Noch einmal die Frage, ist es Ziel der AfD, Infektionszahlen zu senken, Ja oder Nein?
Chrupalla: Ja, die AfD kann keine Infektionszahlen senken, das kann doch kein Politiker.
Lindner: Ist es das politische Ziel der AfD in der Pandemiebekämpfung, Ja oder nein?
Chrupalla: Na ja, natürlich wollen wir das. Wer will denn das nicht?! Aber wir müssen endlich mal auch dahin kommen zu sehen, was die Ursachen auch wirklich sind, der Überbelegung der Intensivstationen. Und das hat die Politik verursacht, die der regierenden Politik vor allen Dingen.

Lob für den Dialog mit Lukaschenko

Lindner: Herr Chrupalla, ich möchte mit Ihnen zu einem zweiten Thema kommen, das diese Woche dominiert hat in den Nachrichten. Das ist die Situation an der Grenze zwischen Polen und Belarus, wo über Tage mehrere Tausend Menschen festgesessen haben. Meine Frage ist, wie kann denn, Ihrer Ansicht, nach den Menschen dort an der Grenze geholfen werden? Wie können sie aus dieser Gefahr befreit werden?
Chrupalla: Na ja, als Allererstes finde ich es erstmal gut, das muss ich auch sagen, dass die Bundeskanzlerin, die amtierende Bundeskanzlerin, erstmal den Dialog auch noch mit Herrn Lukaschenko aufgenommen hat, um die Situation zu entschärfen. Wir wollen ja auch keinen weiteren Zustrom, vor allen Dingen, auf dieser Route haben. Das ist der erste Punkt, den ich erstmal begrüße. Das haben wir immer gefordert, dass man hier in den Dialog tritt. Dann müssen natürlich unbedingt auch hier die Ursachen bekämpft werden als allererstes. Und das sind zum Beispiel die Anreize, die gerade Deutschland, was das Asylsystem angeht, diesen Menschen bietet, um den Zustrom sofort zu stoppen.
Lindner: Ich habe Sie ja gefragt nach der humanitären Situation an der Grenze. Was sollte da Ihrer Meinung nach geschehen?
Chrupalla: Wir müssen diesen Ländern natürlich die humanitäre Unterstützung geben, was die Versorgung dieser Menschen angeht. Und natürlich diese Menschen, die noch dazu illegal hier einreisen wollen, wieder zurück in ihre Herkunftsländer schicken.
Lindner: Deutschland soll also Belarus direkt unterstützen, habe ich Sie da richtig verstanden?
Chrupalla: Erstmal muss die Unterstützung unseren EU-Staaten und unseren EU-Nachbarn gelten. Und dann müssen wir natürlich in dem Dialog auch mit Weißrussland sehen, ob wir dort die Unterstützung geben können und auch dort die Unterstützung, dass diese Menschen wieder zurückgeführt werden. Natürlich.
Lindner: Die Verbindungen zwischen Weißrussland und Russland sind eng. Aber auch Ihre Verbindungen mit Russland sind eng. Sie waren in den vergangenen zwölf Monaten mindestens zweimal im Moskau, dort beim russischen Außenminister Lawrow. Was muss Russland denn jetzt tun, um diese Situation zu entspannen? Es gab ja heute erste Berichte über Telefonate zwischen Russlands Staatschef Wladimir Putin und dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Das heißt, Russland ist spätestens jetzt kein Zuschauer mehr. Welche Verantwortung hat Russland dort, Ihrer Ansicht nach?
Chrupalla: Ja, ich denke, die Staatengemeinschaft an sich hat hier Verantwortung. Es gab ja auch mehrere Telefonate von Frau Merkel mit Lukaschenko. Also, es sind alle interessiert, diesen Konflikt vor allem unblutig zu lösen. Und das ist natürlich auch unsere Prämisse und auch unsere Forderung, dass wir diesen Konflikt lösen können, Unterstützung geben können, dass sich da so etwas, vor allen Dingen, wie 2015 nicht wiederholt.
Lindner: Das, was ja deutlich geworden ist, an der Position der AfD in diesem Punkt, das ist die große Unterstützung beziehungsweise auch die Solidarität, die sie Polen aussprechen. Ich möchte Sie jetzt gerne danach fragen, wie Sie eigentlich das Agieren Polens direkt in diesem Grenzstreifen bewerten, wo ja zum Beispiel auch Journalisten keinen Zutritt haben, um sich ein eigenes Bild zu machen, um auch unabhängig berichten zu können. Ist das ein Punkt, den Sie akzeptabel finden oder sollten hier auch Journalisten Zugang bekommen?
Chrupalla: Journalisten wissen natürlich genau, wenn sie sich in solche Krisengebiete begeben, was sie zum Teil erwartet, auch mit welchen Gefahren sie rechnen müssen. Natürlich ist die Pressefreiheit ein hohes Gut, auch die muss dort gewährt sein. Ganz klar.

"Für mich sind das keine Migranten, für mich sind das Gewalttäter"

Lindner: Ja, Journalisten dürfen da ja aber nicht hin im Moment.
Chrupalla: Punkt zwei ist, wir haben es gesehen in vielen Bildern, wie aggressiv die sogenannten Flüchtlinge – für mich sind das Migranten, die hierher kommen wollen – dort agieren, wie sie Grenzzäune niederreißen wollen, wie sie auch Angriffe auf Polizeibeamte und Grenzsoldaten verüben. Für mich sind das keine Migranten, die hier herzlichen willkommen sind, für mich sind das Gewalttäter in großer Anzahl. Und die muss man natürlich mit der nötigen Rechtsstaatlichkeit, die ja auch in Polen herrscht, zurückweisen. Und natürlich auch dort versuchen, die Grenze zu sichern, das ist die Aufgabe auch Polens. Und dahingehend unterstützen wir als AfD natürlich auch dieses Vorgehen. Vor allen Dingen auch sind wir dankbar Polen, dass sie auch hier ein Stück weit Deutschland, aber auch die europäische Sicherheit schützt an der Grenze.
Lindner: Es gibt ja jetzt zahlreiche Vorwürfe, die erhoben werden, dass Polen an dieser Grenze Pushbacks durchführt, also das heißt, Migranten, die bereits europäischen Boden betreten haben, wieder zurückführt auf belarussisches Gebiet. Das entspricht nicht der Rechtsstaatlichkeit, die Sie eben angesprochen haben. Warum ist das, Ihrer Meinung nach, akzeptabel?
Chrupalla: Wissen Sie, es gibt viele unterschiedliche Berichte. Jedenfalls ist dort, wo der Migrant anlandet, dort ist der Asylantrag zu stellen. Das ist europäisches Recht. Und das wird verletzt, wenn die Migranten ausschließlich in Polen zum Beispiel keinen Asylantrag stellen wollen, auch nicht in Weißrussland, sondern in Deutschland. Und das ist deswegen richtig, dass wir diese Menschen abweisen und zurückweisen. Auch, um diese Pull-Effekte und auch den Sog, wie Sie es ja auch selbst gesagt haben, eben zu vermindern und das zu beenden. Anders sehe ich hier keine Lösung.
Lindner: Also, Sie finden diese Pushbacks akzeptabel, habe ich Sie da richtig verstanden?
Chrupalla: Ich habe nicht gesagt, dass ich die Pushbacks akzeptabel finde. Ich kenne nicht alle Berichte, was dort vorgefallen ist, ich habe mir auch selbst noch kein Bild gemacht. Das werde ich aber in naher Zukunft, Anfang Dezember, tun.
Lindner: Herr Chrupalla, dieses Thema Belarus bringt uns direkt in eine neue Debatte. Denn man konnte in den Bundestagsdebatten der vergangenen Wochen eine interessante Positionierung beobachten. Es gab nämlich auch die CDU/CSU, die einen Antrag zum Thema Belarus gestellt hat, dort auch das Wort „Pull-Faktoren vermeiden“ explizit erwähnt hat, und eine Woche später gab es dann direkt zwei Anträge der AfD, die ein bisschen darüber hinaus gegangen sind, die im Tenor aber ähnlich waren. Und ich habe mich dann gefragt, wie stehen Sie eigentlich dazu, dass die CDU jetzt auch in der Opposition dort ihren Platz sucht im Bundestag? Haben Sie Angst, dort unterzugehen? Dass die CDU Ihnen Themen abnimmt und einfach selber besetzt?
Chrupalla: Also, wir haben keine Angst, dass uns die CDU die Opposition streitig macht. Ich sage, wir sind immer noch die einzig wirksame und wirklich ehrliche Opposition. Daran erkennen Sie es ja – Sie haben es ja selbst gesagt –, wie scheinheilig es doch ist, dass die CDU genau solche Anträge stellt, die vor einem Jahr durchaus die AfD gestellt hat auch und die die CDU abgelehnt hat. Also, ich muss hier sogar ein bisschen schmunzeln, was die CDU gerade für Anträge stellt. Weil, das ist die Unglaublichkeit, denn die hat ja diese Voraussetzung, die wir jetzt auch an der weißrussisch-polnischen Grenze sehen, erst geschaffen. Und das gleiche Problem hatten wir ja zum Beispiel mit der Türkei, auch mit dem Erdoğan-Deal. Also, wir sehen hier im Prinzip, wie die CDU versucht, natürlich auf diesem Terrain wieder Boden gut zu machen, sich vielleicht beim Wähler wieder beliebt zu machen. Aber ich denke, so dumm sind die Wähler nicht, sie sehen ganz genau, was hier für ein Spiel getrieben wird und dass man hier vielleicht auch in die Koalitionsverhandlung, von der CDU aus, Druck ausüben möchte.
Lindner: Was erwarten Sie denn eigentlich von einem möglichen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz? Es ist ja noch nicht klar, aber es gibt ja einige Anzeichen, die durchaus darauf hindeuten, dass Herr Merz künftig die CDU führen wird. Und er ist ja durchaus auch bekannt für eine klare, markige Sprache. Bringt das die AfD nicht in die Defensive?
Chrupalla: Also, Frau Lindner, Herr Merz tritt jetzt zum dritten Mal als Parteivorsitzender an, nachdem er zweimal nicht gewählt wurde. Wir sollten erstmal die Wahl abwarten – noch ist er nicht Parteivorsitzender der CDU. Also, das möchte ich auch erstmal noch abwarten. Und ich bin Parteivorsitzender der AfD, ich mache mir nicht so viele Gedanken, wer welche Partei anführt, sage ich Ihnen ganz ehrlich. Am Ende macht es nicht die Person allein aus, sondern auch die Programmatik der Partei.
Lindner: Ich frage Sie das auch deshalb, weil als Sie als Fraktionsvorsitzender der AfD-Fraktion gewählt wurden – das war Ende September –, haben Sie einen bemerkenswerten Satz gesagt. Sie haben gesagt, Sie wollen, dass die AfD bis 2025 koalitions- und damit auch regierungsfähig wird. Sie haben damals aber nicht verraten, wie genau Sie das eigentlich unternehmen wollen. Weil eine der Parteien, für die Sie dann koalitionsfähig sein müssten, ist ja die CDU.
Chrupalla: Ja, das sagt ja nicht, dass es bloß die CDU sein muss. Wir strecken allen Parteien im Bundestag die Hand aus, auch in den Landtagen, und machen hier natürlich Oppositionsarbeit. Und das ist genau unser Stil und auch unsere Taktik die nächsten vier Jahre, dass wir natürlich in vier Jahren natürlich auch eine Option sein wollen, um dieses Land endlich in bessere Zukunft zu bringen und auch endlich Probleme anzufassen, die jahrelang liegengeblieben sind, die die Bürger natürlich auch vor allen Dingen endlich angepackt sehen wollen. Was Migration angeht, was Innere Sicherheit angeht, was die sozialen Themen angeht. Wir haben ja so viele Themen und auch Probleme in diesem Land, von daher braucht es die AfD. Und daran werden wir die nächsten vier Jahre auch parlamentarisch arbeiten. Aber warten wir erstmal ab, was wir für eine Regierung bekommen.
Lindner: Dann beschreiben Sie doch mal einen Punkt, Sie müssen ja irgendeine Art von Plan beziehungsweise Strategie im Hinterkopf haben, wenn Sie dieses Ziel formuliert haben. Beschreiben Sie doch mal einen konkreten Schritt, was sich bei der AfD, der AfD-Fraktion ändern wird, um diese Koalitionsfähigkeit zu erreichen.
Chrupalla: Ich finde, wir müssen uns in unseren Anträgen und auch in unserer inneren Arbeit nicht groß ändern. Wir haben intern sicherlich einige Probleme, die werden wir aufarbeiten, die werde ich Ihnen hier aber jetzt nicht hier benennen. Warum soll ich das tun?!
Lindner: Die sind ja auch bekannt, in Teilen.
Chrupalla: In Teilen, richtig. Die werden wir intern für uns diskutieren. Ich denke, auch die anderen Parteien werden sich in der Weise öffnen müssen, um Mehrheit generieren zu können – die von Links-Grün. Wir sehen es ja jetzt, wie die FDP sich verbiegen muss, mit den Linken und den Grünen. Das ist ja nicht die FDP, die man eigentlich als liberale Partei kennt oder für die sie sich selber hält. Ich habe das ja auch die Woche schon im Bundestag gesagt.
Lindner: Sie haben eben die internen Probleme der AfD angesprochen. Eins könnte man jetzt mal konkret besprechen. Da geht es um Hannes Gnauck, Bundestagsabgeordneter aus Brandenburg – er gilt für den Militärischen Abschirmdienst als Extremist. Er hat jetzt angekündigt, seine Kostenpauschale, die er als Bundestagsabgeordneter bekommt, zu spenden an unter anderem, “Ein Prozent“, unter anderem auch an das „Compact-Magazin“ und den Oikos Verlag. Einige Institution davon hat der Verfassungsschutz auf dem Schirm. Ist das für Sie als Fraktionsvorsitzender überhaupt akzeptabel? Und ist es das, was die AfD dann koalitions- und regierungsfähig macht, Unterstützung für potenziell extremistische Organisationen?
Chrupalla: Also, ob das alles extremistische Organisationen sind, das lassen wir mal dahingestellt, das müssen andere beurteilen, vor allen Dingen Gerichte, nicht der Verfassungsschutz – gegen den wir selber klagen, das wissen Sie auch. Und was Herr Gnauck mit seinen Pauschalen macht, das ist seine private Entscheidung und er kann spenden, an wen er möchte.
Lindner: Also, Sie üben daran keine Kritik als Fraktionsvorsitzender?
Chrupalla: Ich kann gar keine Kritik daran üben, weil ich ja auch gar nicht weiß, an welche Organisation konkret er das überhaupt spendet beziehungsweise ob es auch stimmt, dass von diesen Geldern überhaupt gespendet wird. Von daher, wenn Sie da Fragen haben, bitte an Herrn Gnauck selber.
Lindner: Es gibt ja im kommenden Monat eine interessante Entscheidung, die ja auf die AfD als Gesamtpartei zukommt. Das ist die Wahl eines neuen Bundesvorstands, das ist aber auch die Wahl eines neuen Bundessprechers. Sie haben schon verkündet, dass Sie noch einmal antreten werden. Ihr bislang agierender Co-Sprecher, Jörg Meuthen, hat gesagt, er möchte nicht nochmal antreten. Wen hätten Sie denn eigentlich gerne an Ihrer Seite?
Chrupalla: Wissen Sie, wir haben viele gute Politiker in unserer Partei, und die Delegierten haben das zu entscheiden. Die Mitglieder werden das entscheiden, welche Parteimitglieder in den Bundesvorstand gewählt werden. Also, von daher warten wir es mal ab. Warten wir auch mal ab, ob der Bundesparteitag überhaupt stattfinden kann. Jeder, der programmatisch die Partei weiterentwickeln möchte, jeder, der für die Einheit der Partei steht, ist herzlich willkommen, im Bundesvorstand mitzuarbeiten.
Lindner: Es wird ja im Bundeland Hessen im Moment über eine neue Coronaschutzverordnung diskutiert. Und es kann sein, dass an diesem Freitag auch eine 2G-Regelung für Veranstaltungen in Hessen beschlossen wird. Wie gehen Sie denn damit eigentlich um? Haben Sie einen Überblick, wie viele Ihrer Delegierten zum Beispiel geimpft sind? Können Sie den Parteitag dann noch durchführen?
Chrupalla: Für uns ist erstmal wichtig, was in der Verordnung konkret drinsteht. Und das warten wir ab – noch habe ich sie nicht vorliegen – und danach werden wir entscheiden, wie und unter welchen Voraussetzungen wir diesen Parteitag durchführen können. Wir haben ja – das wissen Sie – in der Vergangenheit bewiesen, dass wir auch unter schwierigen, auch unter Corona-Bedingungen, Parteitage durchführen können, wie zum Beispiel in Kalkar, wie zum Beispiel in Dresden. Es hat wunderbar funktioniert. Also, von daher bin ich zuversichtlich, dass wir das noch durchführen können.
Offener Streit beim AfD-Parteitag in Kalkar - Interview mit Tino Chrupalla, Ko-Bundessprecher der AfD

Hoffnung auf zweistelliges Wahlergebnis in NRW

Lindner: Mit Blick auf das kommende Jahr stehen ja mehrere Landtagswahlen an in mehreren Bundesländern – Niedersachsen, Saarland, Schleswig-Holstein und auch Nordrhein-Westfalen. Und wenn man sich die Umfragewerte der AfD dort anschaut, sind das keine Wahlen, die Sie mit allzu großer Freude erfüllen sollten, die AfD ist dort überall einstellig bislang. Wie blicken Sie denn auf diese Wahlen und wohin möchten Sie die Partei führen, sofern Sie wiedergewählt werden als Parteivorsitzender für zwei Jahre? Welche Strategie haben Sie vor Augen?
Chrupalla: Ja, die Strategie für das nächste Jahr, vor allen Dingen für die wichtigen Landtagswahlen, ist natürlich, dass wir in alle Landesparlamente wieder einziehen sollen. Dahingehend geht auch unsere Arbeit aktuell. Gerade aktuell, wie gesagt, unter schwierigen Voraussetzungen, die Aufstellungsversammlung unter diesen Bedingungen zu machen. Und wir werden natürlich auch versuchen, dort einen adäquaten starken Wahlkampf zu machen, der vom Bundesvorstand auch aktiv unterstützt wird, dass wir dort auch sehr gute Ergebnisse, vielleicht sogar in den zweistelligen Bereich, wie zum in Beispiel Nordrhein-Westfalen, erreichen.
Lindner: Ein Punkt, der bezüglich Ihrer Fraktion immer wieder für große Debatten sorgt, ist, dass sich ein Teil – und nicht nur ein kleiner Teil, sondern durchaus ein zweistelliger Teil Ihrer Fraktion – den 3G-Regelungen im Bundestag verweigert, dort auf einer gesonderten Tribüne Platz nimmt. Was ist das denn für ein Signal, Herr Chrupalla, was davon ausgeht, auch an viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich mit 3G-Regeln konfrontiert sehen am Arbeitsplatz? Die Bundestagsabgeordneten haben jederzeit die Möglichkeit, sich kostenlos im Bundestag testen zu lassen. Ist es das Signal, was Sie aussenden wollen – um mich auch jetzt zu wiederholen –, potenziell auch koalitions- und regierungsfähig zu sein? Wie passt das überhaupt zusammen, das ist ein Widerspruch?
Chrupalla: Also, erstmal verweigern sie sich nicht diesen Voraussetzungen des 3Gs. Wie gesagt, wir haben aktuell im Bundestag die Voraussetzung, dass derjenige, der sich nicht testen lasse möchte, seine parlamentarischen Rechte voll in Anspruch nehmen kann, indem er auf der Tribüne Platz nimmt. Und damit ist es sein gutes Recht. Und diese Möglichkeit besteht ja. Also, von daher halten wir im Bundestag jegliche Ansprüche und auch Verordnungen ein.

Vorschlag: Testpflicht für alle im Bundestag

Lindner:  Ja, aber Ihre Abgeordneten feiern sich ja selber dafür. Sie sprechen da von „Oberhaus“, sie inszenieren sich dort.
Chrupalla: Entschuldigung, also, das ist jetzt Ihre Tonalität. Ich habe noch niemanden gesehen, der sich dort feiert. Ich finde es insgesamt natürlich auch schon ein bisschen merkwürdig, dass wir überhaupt im Bundestag diese Debatte so führen müssen. Ich sage auch ganz ehrlich, warum gibt es zum Beispiel nicht eine Testpflicht für alle, auch im Bundestag? Das wäre auch eine Variante. Wir haben es ja gesehen, dass sich auch wahrscheinlich bei der konstituierenden Sitzung Abgeordnete, die zweifach geimpft sind, angesteckt haben. Also auch diese Debatte muss man ja dort mal führen. Dass hier eine Ungleichbehandlung stattfindet, ist de facto sichtbar. Genau an diesem Bundestag sieht man es, dass hier eine Zweiklassengesellschaft eingeführt wurde. Und darauf wollen wir aufmerksam machen – genauso wie im ganzen Land, wo wir sehen, Testpflicht für Bahn und ÖPNV et cetera, das sind ja auch alles Ungleichbehandlungen, die da stattfinden – und darauf wollen wir im Bundestag auch aufmerksam machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.