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Technik für die Energiewende
Kombi-Pipeline für Strom und Wasserstoff

Normalerweise fließt Strom durch Kabel und Gas durch Pipelines. Doch ein Forschungsteam aus Karlsruhe arbeitet daran, beides zu kombinieren. Die Vision: Eine Pipeline die flüssigen Wasserstoff und Strom transportiert. Neuartige Supraleiter machen es möglich.

Von Frank Grotelüschen | 07.04.2022
Wasserstoff-Produktionsanlage der Linde AG, Leuna, Deutschland, Europa
Wasserstoff-Produktionsanlage der Linde AG in Leuna: Künftig könnte durch Pipelines für Flüssigwasserstoff auch Strom fließen. (imago/imageBROKER/Rolf Schulten)
Strom fließt durch Leitungen, Gas strömt durch Pipelines. So ist es bislang, aber so muss es nicht bleiben. Das jedenfalls meint das Team um Tabea Arndt, Physikprofessorin am Karlsruher Institut für Technologie. Allerdings geht es bei dem Stoff, den sie befördern will, nicht um Erdgas, sondern um grünen Wasserstoff, hergestellt mit Hilfe von regenerativen Energien. „Wir müssen natürlich CO2-frei werden“, betont Arndt. „Und Wasserstoff ist die einzige Möglichkeit, tatsächlich ganz ohne das Kohlenstoffatom auszukommen.“

In ihrem Konzept wird der Wasserstoff nicht als Gas durch die Pipeline gepumpt, sondern als Flüssigkeit. Um ihn zu verflüssigen, muss der Wasserstoff auf minus 253 Grad Celsius gekühlt werden. „Und weil der flüssige Wasserstoff mit seiner Kälte eine wunderbare Umgebungsbedingung für die Hochtemperatur-Supraleiter darstellt, ist es sinnvoll, dort den elektrischen Energietransport zu integrieren mit den Hochtemperatur-Supraleitern“, beschreibt Tabea Arndt.

Schlankere Genehmigung, weniger Platzbedarf, höhere Effizienz

 Das Kalkül: Die kalten Supraleiter leiten Strom völlig widerstandsfrei, im Gegensatz zu gewöhnlichen Kabeln gibt es also keine Leitungsverluste. Würde man beides kombinieren, gäbe es statt einer Pipeline für den Wasserstoff und einer Kabeltrasse für den Strom nur noch ein System – eine Röhre, die Wasserstoff und Strom zugleich befördert. Das könnte mehrere Vorteile haben, etwa für die Genehmigung einer Trasse, die sich oft lange hinzieht. „Sie vereinfachen das, sonst hätten Sie doppelte Genehmigungsverfahren“, erläutert die Physikerin. „Sie haben eine größere Trassenbreite für beide. Und die Effizienz beider Systeme wird natürlich auch deutlich gesteigert.“

Doch wie genau soll so ein supraleitendes Pipeline-Kabel aussehen? Um das herauszufinden, baut das Karlsruher Team in seinem Labor eine kleine Test-Pipeline auf. „Die wird einen Durchmesser von maximal 10 bis 20 Zentimetern haben, auf einer Länge von bis zu 20 Metern“, erklärt Tabea Arndt. „Innen ein kleines Rohr, durch das der Flüssigwasserstoff fließt. Dann außen umkleidet mit den Hochtemperatur-Supraleitern, und ganz außen ein Isolationsrohr, damit nach außen wirklich nur Umgebungstemperatur herrscht.“

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Tabea Arndt und ihre Leute wollen aber auch andere Konzepte erproben ­– zum Beispiel eines, bei dem der Supraleiter als dünnes Kabel in der Mitte der Pipeline sitzt und direkt vom Wasserstoff umspült wird. In drei Jahren sollen Resultate vorliegen, danach planen die Fachleute ein größere Pilot-Pipeline, vielleicht schon gemeinsam mit der Industrie. Doch die Physikerin vom KIT denkt schon weiter: Ihr zufolge taugt die Kombination aus Hochtemperatur-Supraleitern und kaltem Wasserstoff auch für eine andere Sache: „Wir haben einen großen CO2-Ausstoß gerade im Schwerlastverkehr und dort auch einen großen Hebel, etwas zu tun“, sagt sie. „Da macht es wirklich Sinn, auf so ein Konzept zu setzen und das zu entwickeln.“

Bislang lautet die Strategie, Schwerlast-LKW, die im Fernverkehr unterwegs sind, mit Brennstoffzellen und Elektromotoren auszustatten und mit Wasserstoff anzutreiben, der in Gastanks gespeichert wird. Tabea Arndt will einen Tank für Flüssigwasserstoff nehmen - er soll über die Brennstoffzelle einen supraleitenden Elektromotor antreiben. Der Clou dabei: Der Wasserstoff soll den Motor nicht nur speisen, sondern auch kühlen. Der Vorteil: „Wenn Sie auf Flüssig-Wasserstoff umschalten und einen hochtemperatur-supraleitenden Motor, haben Sie Effizienzgewinne auf dem LKW alleine von fünf Prozentpunkten“, sagt Arndt. „Und das ist natürlich auf lange Strecken gesehen ein deutlicher Effizienzgewinn.“

Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen, was die Verflüssigung von Wasserstoff angeht – die nämlich kostet einiges an Energie. Und so wird man mit spitzer Feder rechnen müssen, was sich unterm Strich mehr lohnt – die Kombi aus Flüssigwasserstoff und Supraleiter oder doch die eher konventionellen Lösungen mit Wasserstoffgas und gewöhnlichen Stromkabeln und Elektromotoren.