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Mikrobiologie
Forscher: Fast nirgends so optimale Bedingungen für Mikroben wie in Schwämmen

Bis zu 54 Milliarden Bakterien befänden sich pro Kubikzentimeter auf einem Spülschwamm, berichtete der Molekurlarbiologe Markus Egert im Dlf. Sie machten 98 Prozent der Keime auf dem Schwamm aus. Für gesunde Menschen seien sie allerdings nicht krankheitserregend. Hygienischer als ein Schwamm sei die Spülbürste.

Markus Egert im Gespräch mit Britta Fecke | 14.06.2022
Spülschwamm mit blauer Oberfläche und Schaum
"Die Spülbürste ist eigentlich das bessere Mittel als der Schwamm", wenn es um Küchenhygiene geht, sagte der Mikrobiologe Markus Egert im Dlf (imago/Becker&Bredel)
Küchenschwämme befinden sich in fast jeder Haushaltsspüle - und sie bilden dort eine Art Keimzelle für unzählige Bakterien. So ein Schwamm ist das ideale Nährmedium für Mikroben: Es ist feucht, voller Lebensmittelreste und die poröse Oberflächenstruktur bietet Platz für viele Keime. "Als Faustregel kann man sagen, in zwei Kubikzentimetern Schwamm leben mehr Mikroben, als es jemals Menschen auf der Erde gegeben hat", umschrieb der Molekularbiologe Markus Egert von der Hochschule Furtwangen im Dlf die Keimmenge. Genauer: 54 Milliarden Bakterien befänden sich pro Kubikzentimeter auf einem Spülschwamm.
Egert hat zum Thema Mikroben in Schwämmen zwei Studien durchgeführt. Einmal ging es um den bakteriellen Besatz der Spülschwämme, zum anderen - in einer ganz neuen Studie - um die weiteren Mikroben, die neben den Bakterien dort noch Platz finden.
Wie Egert erklärte, ist die überwiegende Menge der Mikroben in Schwämmen für den gesunden Menschen ungefährlich, also nicht krankheitserregend. "Krankheitserreger, also wirklich pathogene Mikroorganismen wie zum Beispiel Salmonellen oder Campylobacter können auch vorkommen, aber in der Regel nicht in so hohen Konzentrationen wie die Umweltbakterien", so der Forscher im Dlf.
Britta Fecke: Was haben Sie auf den gebrauchten Schwämmen aus verschiedenen Haushalten gefunden?
Markus Egert: Wir haben im Prinzip alle Lebensformen, die es auf unserem Planeten so gibt, in unserem fünf Schwämmen - wir hatten in dem Fall nur fünf Schwämme - gefunden. Und zwar waren das Bakterien, Archaeen, Algen, einzellige Tiere, sogenannte Protozoen, Pilze und auch Viren. Viren sind jetzt streng genommen keine Lebewesen, aber werden bei Mikroorganismen so subsumiert.

Innenleben von Schwämmen gleicht dem von Verdauungstrakten

Fecke: Wie viele Mikroorganismen waren denn auf einem Quadratzentimeter Schwamm?
Egert: Das können wir mit dem Ansatz, den wir da gemacht haben, gar nicht sagen.
Fecke: Aber Sie haben ja das bakterielle Mikrobiom schon mal untersucht vor einem Jahr.
Egert: Genau. In einer älteren Studie, die wir hatten, haben wir bis zu 54 Milliarden Bakterien pro Kubikzentimeter Schwamm gefunden – mit einer molekularbiologischen Methode. Das sind schon gigantische Mengen. Als Faustregel kann man sagen, in zwei Kubikzentimetern Schwamm leben mehr Mikroben, als es jemals Menschen auf der Erde gegeben hat. Im Prinzip kann man den Schwamm vergleichen mit dem Innenleben von Menschen, also von Verdauungstrakten von Wirbeltieren wie dem Mensch oder einer Kuh vielleicht. Da kommen Sie auch auf Keimzahlen, die so im Bereich von zehn hoch zwölf, zehn hoch 13 liegen.
Das liegt einfach daran, dass Sie fast nirgendwo auf der Welt so optimale Lebensbedingungen für Mikroben finden wie in einem Schwamm. Im Schwamm ist es im Prinzip feucht, das ist das Allerwichtigste, es hat eine große Oberfläche, es gibt für die Mikroben in der Regel sehr viel zu fressen und es wird auch nicht so häufig gereinigt.

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In Schwämmen befinden sich harmlose Wasser- und Hausbakterien

Fecke: Lassen Sie uns doch mal kurz auf dieses Keimzentrum Küchenschwamm schauen. Wie setzt sich denn diese Mikrobiota auf den gebrauchten Spülschwämmen zusammen?
Egert: In unserer letzten Studie konnten wir tatsächlich zeigen, die Masse der Mikroben sind Bakterien. Von den Gensequenzen, die wir gefunden haben, waren um die 98 Prozent Bakterien zuzuordnen. Die zwei Prozent, die wir noch hatten, die entfielen dann auf Eukaryoten, also Lebewesen mit einem echten Zellkern. Pilze haben wir auch ein paar gefunden, aber die Masse waren Bakterien.
Fecke: Sind unter diesen Bakterien auch Krankheitskeime?
Egert: Wir haben jetzt keine gefunden. Die überwiegende Masse der Mikroorganismen, das deckt sich auch mit anderen Studien, sind tatsächlich mehr oder weniger harmlose Wasser- und vielleicht noch Hausbakterien. Die sind für den Menschen, insbesondere für den gesunden Menschen, eigentlich nicht krankheitserregend. Krankheitserreger, also wirklich pathogene Mikroorganismen wie zum Beispiel Salmonellen oder Campylobacter können auch vorkommen, aber in der Regel nicht in so hohen Konzentrationen wie die Umweltbakterien.

Auch Pilze und Viren in Schwämmen

Fecke: Wenn Sie das so schildern, dann scheint ja kaum noch Platz zu sein im Schwamm für andere Mikroben, aber Sie haben ja, wie Sie es gerade auch schon sagten, zwei Prozent nachgewiesen, das sind halt andere Mikroorganismen, die im Schwamm hausen, wie Pilze, Viren oder Algen.
Egert: Genau. Die Masse waren andere eukaryotische Mikroorganismen wie zum Beispiel Pilze, Algen, aber da waren es hauptsächlich auch höhere Organismen, wo wir sagen, das sind wahrscheinlich einfach Lebensmittelreste, die aufgenommen worden sind. An zweiter Stelle standen dann die Viren, und zwar haben wir Viren-DNA gefunden von solchen Viren, die Bakteriophagen sind, das sind Viren, die sich in Bakterien vermehren. Es ist nicht ganz klar, ob diese Viren in den Bakterien steckten oder ob die frei im Schwamm waren, das konnte man mit unserer Analyse nicht zeigen. Aber wo Sie viele Bakterien haben, haben Sie ganz häufig auch viele Viren, die sich in diesen Bakterien vermehren.
Fecke: Wovon leben denn die Organismen, von den Lebensmittelresten, die da im Schwamm sich finden?
Egert: Wahrscheinlich bildet ja so ein Schwamm ein richtiges kleines Ökosystem, das heißt, es gibt dann die Bakterien drin, die würde ich jetzt mal als Primärproduzenten bezeichnen, die ernähren sich im Prinzip von den Lebensmittelresten, die da reinkommen, bilden dann viel Biomasse. Und die werden vielleicht wieder gefressen von, ich sage mal, einzelligen Tieren wie zum Beispiel Protozoen. Die Pilze ernähren sich auch von der organischen Substanz der Lebensmittelreste, vielleicht aber auch von abgestorbenen Bakterien. So ein bisschen ist das ein richtig kleines Ökosystem.

Spülmittel helfen nicht wirklich gegen die Bakterien

Fecke: Das klingt zwar ganz positiv, aber das möchte man ja eigentlich nicht in der Spüle haben und glaubt auch nicht, damit irgendetwas zu reinigen. Also man glaubt es schon, aber wenn man das erfährt, kann man eigentlich nicht mehr daran glauben. Sie haben es schon gesagt, es hat eine Hohlstruktur, es gibt eine gute Feuchtigkeit in der Küche, aber dann gibt es ja noch die Tenside aus den Spülmitteln. Warum grenzen die diesen Bewuchs nicht ein?
Egert: Es stimmt, Tenside wirken grundsätzlich antimikrobiell. Nun ist es aber nicht ausgeschlossen, dass es unter den Schwammbakterien auch Spezialisten gibt, die vielleicht auch diese Tenside durchaus auch fressen und abbauen können. Und: Bakterien, das hatte wir in unserer ersten Studie gezeigt, bilden wahrscheinlich Biofilme im Küchenschwamm, das sind so Schleimschichten, in denen die Mikroben dann relativ geschützt sind, da kommen auch die Tenside nicht rein. So können die Bakterien im Schwamm ganz gut überleben, selbst wenn ich da jeden Tag mit einem Spülmittel rangehe.
Eine Hand in rotem Putzhandschuh mit Schwamm auf pinkem und grünem Hintergrund.
"Einen Schwamm im Haushalt tatsächlich steril zu kriegen, ist schwer", sagte der Mikrobiologe Markus Egert im Dlf (imago/Panthermedia/nndanko)
Fecke: Und wenn ich diesen Schwamm mit kochendem Wasser übergieße?
Egert: Es gibt ganz viele Methoden, so einen Küchenschwamm zu reinigen. Die meisten reduzieren auch die Keimzahl total deutlich, zum Beispiel Kochen in heißem Wasser, reduziert mit Sicherheit um acht, neun, zehn Zehnerpotenzen die Keimzahl im Schwamm. Aber gerade durch diesen Biofilm bleiben sehr wahrscheinlich ein paar immer am Leben – und die haben dann natürlich im wahrsten Sinne des Wortes freie Bahn, sich zu vermehren und schießen dann von der Keimzahl her wieder hoch.
So einen Schwamm im Haushalt tatsächlich steril zu kriegen, ist schwer. Klar, wenn ich ihn in einem Dampfkochtopf 20 Minuten brüte, wie ich das im Labor mit einem Autoklaven mache, dann kriege ich ihn vielleicht steril, aber die Energie, die ich dafür einsetzen muss, steht ja in keinerlei Verhältnis zu dem Nutzen, den ich dann davon habe.

Spülbürste trocknet besser aus als Spülschwamm

Fecke: Wie würden Sie denn mit Ihrer Kenntnis in einer fremden Küche einen Teller mit angetrockneten Soßenresten reinigen, wenn Sie keine Spülmaschine zur Verfügung haben?
Egert: Dann würde ich … Besser als der Schwamm, das hat kürzlich eine Studie von Kollegen aus Norwegen und Portugal gezeigt, ist tatsächlich die Bürste. Auf Bürsten finden sich ähnliche Mengen von Keimen wie auf Schwämmen, es sind witzigerweise auch dieselben Arten und Gattungen, die man so findet. Aber die Bürste hat den großen Vorteil, dass sie einfach zwischen der Benutzung viel leichter und intensiver abtrocknet. Und dieses Abtrocknen, das reduziert die Keimzahl sehr deutlich um drei oder vier Zehnerpotenzen, ohne dass ich irgendetwas machen muss. Deswegen ist die Bürste eigentlich das bessere Mittel.
Fecke: Das heißt, deswegen nutzen wir auch Zahnbürsten und keine Zahnschwämme?
Egert: Tatsächlich sind Zahnbürsten auch gut kontaminiert mit Mikroorganismen, Zahnschwämme gibt es bestimmt irgendwo auf der Welt, das weiß ich gar nicht, irgendetwas, wo man drauf herumkauen kann vielleicht. Aber die Bürste ist tatsächlich besser. Wobei es interessant ist, Zahnbürste und Spülbürste können Sie zusammen in die Spülmaschine tun, um sie einigermaßen hygienisch wieder sauber zu bekommen.
//Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.//