Dienstag, 23. April 2024

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Ende von Diskriminierung
Neue Regeln bei Blutspenden von Schwulen

Männer, die Sex mit Männern haben, dürfen in Deutschland nur Blut spenden, wenn sie vier Monate lang keine neuen oder mehrere Sexualpartner hatten. Für Heterosexuelle gilt das nicht nicht. Das soll nun geändert werden, trotz Bedenken der Ärztekammer.

25.01.2023
Ein Mitarbeiter befestigt eine Kanüle an dem Arm eines Mannes um eine Blutspende zu entnehmen
Bisher wurden Heterosexuelle und Männer, die Sex mit Männern haben, bei Blutspenden unterschiedlich behandelt (picture alliance / dpa / Frank Molter)
Es herrscht reges Treiben an diesem Morgen im Jakob-Kaiser-Haus im Berliner Regierungsviertel. Die Sitzungswoche im Bundestag ist im vollen Gange. Viele Menschen laufen die langen Flure entlang, finden ihre Wege zu den Büros und Konferenzräumen. Mittendrin, im zweiten Stock, befindet sich auch das Büro von Heike Baehrens. Sie ist die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und steigt direkt ins Thema ein.
Sie sagt: „Ja, wir wollen vor allem die Diskriminierung beenden, die bisher besteht, wo es eben eine Sonderregelung gibt für Männer, die mit Männern Geschlechtsverkehr haben. Und wir sind der Meinung, das ist völlig überholt.“
Die momentanen Richtlinien schließen homosexuelle Männer und Transmenschen vom Blutspenden aus, die in den vergangenen vier Monaten Sexualverkehr mit „einem neuen oder mehr als einem Sexualpartner“ hatten. Heterosexuelle Menschen hingegen werden nur dann nicht zur Blutspende zugelassen, wenn sie in dem Zeitraum mehrere Sexualpartnerinnen oder –partner hatten.
Um diese Diskriminierung von homosexuellen Männern und Transmenschen zu beenden, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach einen Änderungsantrag zum Transfusionsgesetz angekündigt.
Das Entscheidende dabei sei, so Baehrens, „dass es dort die gleichen Regelungen gibt wie für heterosexuelle Blutspender. Denn es geht eigentlich darum, risikobehaftetes Sexualverhalten in den vier Monaten vor der Blutspende auszuschließen. Und da ist es muss es völlig unabhängig davon seien von der sexuellen Orientierung. Es geht lediglich um das individuelle Sexualverhalten.“

Blutspenden werden dringend gebraucht

„Endlich, endlich passiert da mal was“, sagt Karl Beecken. Er sitzt in einem Café, das sich auf dem Charité-Campus in Mitte befindet, unweit des Regierungsviertels. Er ist 18, Schüler eines Gymnasiums im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg und ihn beschäftigt das Thema. Denn als schwuler, volljähriger Mann ist er nun auch selber betroffen von den aktuellen Blutspenderegeln. Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er in der naheliegenden Blutspendestelle auf dem Campus vom Spenden ausgeschlossen wird.
Karl Beecken findet: „Dass es einfach ein Unding ist, dass gerade in einer Zeit, wo Blutspenden unglaublich gefragt sind – durch die Corona-Pandemie war damals ja der Vorrat noch geringer – und dass man einfach so Menschengruppen pauschal von der Blutspende ausschließt aufgrund von irgendwelchen alten Ressentiments, die eigentlich keine wissenschaftliche Grundlage mehr haben.“
Ihm geht es darum, dass bei der Blutspende die Diskriminierung von homosexuellen Männern aufhört, so wie es die Bundesregierung nun auch vorhat. Denn die Wahrscheinlichkeit für eine sexuell übertragbare Krankheit habe nichts mit der Sexualität zu tun, sondern ob der Sexualkontakt geschützt oder ungeschützt stattfindet.
„Und dieser Faktor – ungeschützt  oder nicht – wird halt überhaupt gar nicht beachtet in der Blutspende momentan. Und das finde ich einfach falsch, weil natürlich gibt es ein gewisses Risiko immer, aber dann sollte man da auch nach objektiven Kriterien agieren und nicht nach irgendwelchen alten Vorurteilen, die man da bedient“, so Beecken weiter.
Die Bundesärztekammer erstellt die Blutspenderichtlinien und entscheid somit, wer spenden darf und wer nicht. Und die sieht den Änderungsantrag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kritisch. Da sie die Blutspende-Richtlinie momentan turnusgemäß überprüfen, gibt es kein Interview. Schriftlich erklären sie zum Änderungsantrag, dass „die Frage der Zulassung zur Blutspende eine Risikoabschätzung auf der Basis der jeweils aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen und epidemiologischen Daten darstelle.
„Die Bundesärztekammer spielt ein Spiel mit dem Feuer, weil sie ja immer wieder versuchen, etwas zu entfachen, was eigentlich längst ausgelöscht gehört. Dieses Feuer der Diskriminierung wollen sie ständig aufrechterhalten,“ sagt Alfonso Pantisano. Er ist Bundesvorstand im Lesben- und Schwulenverband in Deutschland.

Diskriminierung müsse aufgelöst werden

Er führt zur Kritik der Bundesärztekammer weiter an, dass diese Diskriminierung aufgelöst werden müsse, denn: „Wir haben weltweit die Erkenntnis, medizinisch, dass Männer, die Sex mit Männern haben, nicht anders gefährdend sind für die Blutspende, wie Männer, die Sex mit zum Beispiel Frauen haben, oder andersrum.“
Außerdem, so Pantisano, würden alle Blutkonserven vor der Weitergabe ohnehin getestet werden – egal ob die von homosexuellen oder heterosexuellen Menschen stammen.
Die Änderung soll zum ersten April im Gesetz verankert werden, so Heike Baehrens, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD. Ab dann wird die Bundesärztekammer beauftragt, innerhalb von vier Monaten zusammen mit dem Paul-Ehrlich-Institut die Blutspende-Richtlinien anzupassen.
Und wie sieht es bei Karl Beecken in Zukunft mit Blutspenden aus? Er sagt: „Also wenn es dann eben von der Risikoabschätzung und auch sonst medizinisch bei mir passt, dann werde ich auf jeden Fall auch Blutspenden wollen.“