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Tolle Idee!
Effizienssprung: Solarzellen aus Silizium und Perowskit bringen mehr Leistung

Jedes Jahr erhöht sich der Wirkungsgrad von Solarzellen geringfügig. Die Branche arbeitet aber an einem Effizienzsprung: Tandemzellen aus Silizium und Perowskit sollen mehr als 30 Prozent Lichtenergie in Strom wandeln. Nun plant ein Startup, 2022 Module aus solchen Zellen auf den Markt zu bringen.

Von Ines Rutschmann | 15.03.2022
Solarzellen
Solarzellen (imago images/Shotshop)
Kommerzielle Solarzellen aus Silizium wandeln heute bis zu einem Viertel der Energie des einfallenden Sonnenlichtes in Strom: Ihr Wirkungsgrad beträgt im besten Fall 25 Prozent. Gelänge es, ihn weiter zu steigern, würde das die Energiewende erleichtern, weil weniger Photovoltaikmodule produziert und installiert werden müssten, um etwa ein Kohlekraftwerk zu ersetzen.
“Ein nächster Trend muss kommen. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir ja die Produktion oder die Installation an Solarmodulen fast verzehnfachen. Und das geht mit Silizium allein nicht, allein aus der Produktionskapazität.”

Bei klassischen Silizium-Solarzellen sind die Möglichkeiten zur Steigerung des Wirkungsgrades fast ausgereizt. Amran Al-Ashouri arbeitet am Helmholtz-Zentrum in Berlin deshalb an sogenannten Tandemzellen. Dazu bringen die Wissenschaftler auf eine Solarzelle eine zweite photoaktive Schicht auf. Die untere Zelle besteht häufig aus Silizium, die obere aus Perowskit - einem Material mit Kristallstruktur, das aus verschiedenen Ionen gebildet werden kann. Der Perowskit reagiert stark auf das energiereiche kurzwellige Licht, Silizium auf das langwellige. So nutzen die Tandem-Solarzellen einen breiteren Teil des Lichtspektrums. Der Wirkungsgrad der besten Zelle der Helmholtz-Forscher liegt derzeit bei fast 30 Prozent – das ist weltweiter Rekord und mehr, als mit einer einfachen Silizium-Solarzelle je erreichbar sein wird.

Herausforderung: Lange Lebensdauer der Solarzellen 

Solche hocheffizienten Tandem-Solarzellen herzustellen, reicht aber nicht. Man muss auch sicherstellen, dass sie ihren Rekordwirkungsgrad lange Zeit halten, sagt Gunter Erfurt.

“Aber die Herausforderung bei einem Photovoltaikprodukt ist die lange Lebensdauer. Und das Ganze muss 30 Jahre halten; zuverlässig und dort liegt genau der Hase im Pfeffer – das dauert einfach sehr, sehr lange, bis man die Materialien so aufeinander abgestimmt hat, dass diese Haltbarkeiten ermöglicht werden.” 

Gunter Erfurt ist Chef des Zell- und Modulherstellers Meyer Burger. Die Firma - mit Sitz in der Schweiz und Produktionslinien in Deutschland - arbeitet seit mehreren Jahren an der Massenfertigung von Tandem-Solarzellen aus Silizium und Perowskiten. Abgeschlossen sei die Entwicklung in der Branche längst noch nicht, sagt Erfurt. Vor 2025 erwartet er daher keine größeren Produktionskapazitäten für Module aus Perowskit-Tandemzellen.

Oxford PV will Tandemsolarzellen noch 2022 auf den Markt bringen 

Die ersten sollen dennoch schon Mitte dieses Jahres auf den Markt kommen. Das hat die Firma Oxford PV aus Brandenburg an der Havel angekündigt. 

“Unsere Volumina sind zu Anfang begrenzt. Wir planen mit etwa 100 Megawatt jährlicher Produktionskapazität loszulegen. Und das bedeutet, wir werden anfänglich und so gut wie überwiegend in Europa vertreiben”,
erklärt Geschäftsführer Frank Averdung. Oxford PV wurde 2016 gegründet, um Perowskit-Tandemsolarzellen zur Marktreife zu führen."

Dass sich das Start-Up-Unternehmen im Vertrieb erst einmal auf Europa konzentrieren will, liegt nicht nur an der kleinen Fertigungslinie in Brandenburg, sondern auch an den neuartigen Solarzellen selbst: Ihre Lebensdauer hängt vom Klima ab. Für die gemäßigten Breiten in Mitteleuropa sieht es aber gut aus, hat Helmholtz-Forscher Amran Al-Ashouri festgestellt:

“Also wir haben ein paar Zellen manchmal auf dem Dach gehabt, die ein Jahr lang normal gearbeitet haben und am Ende kaum messbare Verluste gezeigt haben. Das ist hier in diesem relativ milden Klima - das geht ganz gut, also mit verschiedensten Perowskit-Kompositionen. Was mir manchmal Sorgen macht, ist das: Die Forschungsgemeinschaft muss relativ schnell mit Standardtests kommen, die vergleichbar sind auf der ganzen Welt.”

Herausforderung: Fertigung von Perowskit-Solarzellen ohne Blei

Neben der Stabilität der Zellen in unterschiedlichen Regionen der Welt beschäftigt die Solarbranche auch ein Bestandteil der allermeisten Perowskite stärker: Das Schwermetall Blei. Forschungsinstitute und Zellhersteller wollen das giftige Metall durch ein ungefährliches im Perowskit ersetzen. Das ist aber nicht so einfach, weiß Jan Christoph Goldschmidt, Professor für Experimentalphysik an der Universität Marburg.

“Die Perowskite sind sogenannte Ionen-Kristalle. Also so wie das Kochsalz auch, hält der Kristall zusammen, weil die einzelnen Bestandteile unterschiedlich geladen sind. Wenn ich jetzt ein Perowskit bauen möchte, muss ich die Materialien mit den richtigen Ladungen, mit den richtigen Ionen, miteinander kombinieren. Das heißt, ich kann nicht beliebig irgendetwas zusammenschmeißen und dann erwarten, dass sich die richtige Kristallstruktur bildet, sondern ich muss die richtigen Materialien auswählen. Für den Platz, wo das Blei sitzt, ist es eben einmal wichtig, wie groß dieses Ion ist. Es darf nicht zu groß und nicht zu klein sein, damit sich diese besondere Kristallstruktur bilden kann. Und: Es muss die richtige Ladung tragen. Und da kommen eben insgesamt nicht so viele Materialien in Frage.”

Zinn käme zum Beispiel in Frage. Entsprechende Perowskitsolarzellen sind bislang aber weniger stabil und weniger effizient als jene mit Blei. Für die Markteinführung ist der Bleigehalt von Perowskit-Tandem-Solarzellen bislang kein Hindernis – für Photovoltaikmodule gibt es in der EU eine Ausnahmeregelung. Denn auch die bislang am Markt erhältlichen Silizium-Solarmodule enthalten häufig ein wenig Blei.