Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Eintauchen wie ein Eisvogel
Verletzungsrisiko beim Sprung ins Wasser

Von einer Klippe ins Meer zu springen oder von einem Sprungturm ins Becken, zählt zu den Freuden des Sommers. Doch wer unglücklich auf dem Wasser aufkommt, kann sich dabei sogar verletzen. Ein Forscher aus den USA hat jetzt untersucht, welche Sprunghöhen noch ungefährlich sind.

Von Lucian Haas | 01.08.2022
zje123 01 06 2019 Freibad Northeimer Ortsteil Sudheim Südniedersachsen Kopfsprung ins Kühle Nass ***
Kopfsprung ins Kühle Nass im Freibad Northeim in Südniedersachsen (imago images / Hubert Jelinek)
Beim sogenannten Todessprung-Wettbewerb in Norwegen springen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom Zehn-Meter-Turm und vollführen waghalsige Drehungen in der Luft. Am Ende tauchen sie mit Händen und Füßen voraus ins Wasser ein. Ordentlich spritzen soll es dabei. Wer es nicht schafft, kurz vor dem Einschlag die schützende Klappmesserhaltung einzunehmen, kann sich ganz schön wehtun, sagt Sunghwan Jung von der Cornell University im US-Bundesstaat New York.

"Ein sehr gefährlicher Moment, bei dem viele Verletzungen passieren."

„Der Unterschied zwischen Luft und Wasser ist gewaltig. Man muss sich das mal vorstellen: Man bewegt sich von einem Medium in ein anderes Medium, aber das andere Medium, das Wasser, hat eine 1000-mal höhere Dichte als die Luft. Da wirken dann enorme, stauchende Kräfte. Das ist ein sehr gefährlicher Moment, bei dem viele Verletzungen passieren.“
Sunghwan Jung hat vor einigen Jahren untersucht, mit welchen Strategien Vögel es schaffen, bei der Jagd nach Fischen aus dem Sturzflug heraus mit bis zu 80 Kilometer pro Stunde ins Wassere einzutauchen, ohne sich dabei zu verletzen. Dann sah er Bilder von menschlichen Klippenspringern - und seine Forschungsneugier war wieder geweckt: „In dieser Studie im Fachmagazin Science Advances schauen wir darauf, wie Menschen mit hoher Geschwindigkeit eintauchen können. Gibt es Analogien oder Ähnlichkeiten zwischen dem Tauchverhalten von Tieren und dem von Menschen?“

Simulation verschiendener Sprunghaltungen

Sunghwan Jung führte dafür eine Reihe von Experimenten und Messungen durch. Im Rahmen seiner Studie ließ er allerdings keine echten Menschen und Tiere ins Wasser springen. Er nutzte nur deren Körperformen, per 3D-Drucker ausgedruckt, um damit drei Standard-Sprunghaltungen zu simulieren. Erstens: ein Kopfsprung mit dem blanken Kopf voraus. Zweitens: ein Kopfsprung mit darüber zugespitzt gehaltenen Armen und Händen. Und Drittens: der aufrechte Sprung, bei dem als erstes die Füße ins Wasser eintauchen.

Parallelen zum Tierreich

„In der Tierwelt gibt es ähnliches. Das Eintauchen von Vögeln, den spitzen Schnabel voraus, ist wie ein Kopfsprung mit vorgestreckten Händen. Es gibt Echsen, die übers Wasser rennen können. Die Dynamik, wie ihre Füße aufs Wasser schlagen, ist vergleichbar mit einem aufrechten Sprung und den Füßen voraus. Und ein blanker Kopfsprung ist wie bei Delfinen oder Walen, die aus dem Wasser springen und dann wieder eintauchen.“
Sunghwan Jung ermittelte und verglich die Kräfte, die beim Eintauchen auf die Tiere wie auch den Menschen in analogen Sprungposen wirken. Daraus leitete er dann ein Verletzungsrisiko ab und eine Sprunghöhe, die noch als sicher gelten kann: „Es kann zum Beispiel zu Verletzungen der Halswirbelsäule kommen, wenn jemand mit dem ungeschützten Kopf voraus ins Wasser springt. Unsere Studie zeigt, dass in diesem Fall nur Sprünge bis maximal acht Meter Höhe noch als sicher gelten können. Springt man mit den Händen voraus, kann man aus bis zu zwölf Meter Höhe verletzungsfrei ins Wasser eintauchen. Mit den Füßen voraus sind es etwa 15 Meter.“

Spitze Schnäbel lassen Vögel leicht ins Wasser eintauchen

Die von Sunghwan Jung als Analogie untersuchten Tiere sind viel besser daran angepasst, die Kräfte des Eintauchens aufzunehmen. Vögel wie Basstölpel oder Eisvögel zum Beispiel haben lange und spitze Schnäbel, die besonders leicht ins Wasser eindringen. Und Delfinen haben eine besonders kurze und versteifte Halswirbelsäule, um die hohen Kräfte auszuhalten.
„Für Tiere ist das Eintauchen ins Wasser ein Mittel oder eine Strategie, um in der Wildnis zu überleben. Entweder um vor Raubtieren zu fliehen oder um Beute zu machen und diese zu fangen. Aber wir Menschen springen zum Spaß ins Wasser. Und unser Körper ist nicht auf das Eintauchen mit hoher Geschwindigkeit ausgelegt. Das ist der Grund, warum wir uns dabei verletzen können,“ sagt Sunghwan Jung.