
Am 15.11.2021 gab es in der Erdumlaufbahn ein explosives Ereignis, dass dazu führte, dass an Bord der internationalen Raumstation die Alarmglocken schrillten. Die sieben Astronauten an Bord, darunter seit wenigen Tagen auch der Deutsche Matthias Maurer, mussten sich auf eine Evakuierung vorbereiten, weil eine Wolke von Trümmerteilen die Flugbahn der ISS kreuzte.
Am Ende kam die Besatzung mit dem Schrecken davon, doch die Geschichte zieht weitere Kreise. Die USA werfen Russland vor, der Weltraumschrott sei entstanden, als Russland einen alten Satelliten zu Testzwecken abgeschossen habe.
Russland bestätigt, Frankreich reagiert empört
Russland hat diesen Vorgang jetzt offiziell bestätigt: Der ausgefallene Satellit Kosmos-1408 wurde durch Raketenbeschuss zerstört. Der Satellit wurde noch zu Zeiten der Sowjetunion ins All gebracht, vor fast 40 Jahren.
Bei dem Abschuss sollen über 1.500 Trümmerstücke entstanden sein, die nun um die Erde kreisen, so der General des französischen Weltraumkommandos. Dies sei „kein verantwortliches Verhalten im All“, erklärte das französische Militär. Denn die Trümmerstücke bedrohten alle Satelliten.
Warum war die ISS von den Trümmerteilen so betroffen?
Die Trümmer gerieten auf eine Bahn, die der ISS gefährlich nahe kommt. Am 15. November hat die Raumstation dreimal diese Bahn gekreuzt – zweimal hat sich die Besatzung schnell in den angedockten Raumschiffen in Sicherheit gebracht, um bei einem schweren Treffer der Module umgehend abdocken und zur Erde zurückkehren zu können. Zwischenzeitlich blieben auch viele Module verschlossen.
Die Astronauten durften zum Teil zwischendurch kurz persönliche Sachen holen, etwa ihre Schlafsäcke. Allmählich scheint sich die Situation zu normalisieren.
Kann die ISS solchen Trümmerteilen nicht ausweichen?
Die ISS weicht mehrmals im Jahr Weltraumschrott aus, zuletzt war dies letzte Woche der Fall. Aber um die Bahn der Raumstation zu ändern, braucht man rund einen Tag Vorbereitung. Das ist ein komplexes Manöver. Man kann nicht mal eben mit dem Steuerknüppel die ISS um einen Kilometer anheben. Bei zu kurzer Vorwarnzeit bleibt nur die Flucht in die Kapseln.
Ist die ISS bereits getroffen worden?
Es gibt zigtausende von kleinen Kratern, hervorgerufen durch winzige Trümmerteile. In der Aussichtskuppel klaffte einst ein sieben Millimeter großer Krater, verursacht von einem Trümmerstück, das nicht einmal einen Millimeter groß war. Wenn ein Fünf-Zentimeter-Stück mit 50.000 Kilometern pro Stunde die ISS trifft, entsteht für die Raumstation und die Astronauten eine extrem bedrohliche Situation.
Gegenseitige Vorwürfe der Heuchelei
Jetzt gibt es gegenseitige Vorwürfe der Heuchelei. Das trifft es durchaus, denn es ist nicht das erste Mal, dass Militärs einen eigenen Satelliten abgeschossen haben: die USA, China und Indien haben das auch schon getan. Nun hat sich leider auch das russische Militär eingereiht.
Solche Tests mögen manche Generäle toll finden. Doch sie sind absurd. Die Tausenden von Trümmerteilen kreisen für Jahrzehnte oder Jahrhunderte um die Erde und gefährden die anderen Satelliten – militärische wie zivile, amerikanische, russische, europäische, alle! Schon jetzt ist das Problem des Weltraummülls unglaublich groß. Zivile Agenturen wie die NASA versuchen, die Umlaufbahnen etwas sauberer zu bekommen – da sind solche Rambo-Manöver mancher Militärs nicht hilfreich.
Zeigt dieser Vorfall, dass es im All immer militärischer zugeht?
Satelliten sind für alle Militärs wichtig. Sie beobachten die Vorgänge am Boden, horchen Funkverbindungen ab, sorgen für Navigation etc. Frankreich hat heute die drei Cerise-Satelliten gestartet, die Radarstationen am Boden metergenau lokalisieren können. Das weckt Begehrlichkeiten, Satelliten von Gegnern ausschalten zu können. Aber so ein Abschuss macht Raumfahrt mittelfristig unmöglich, weil sich die Trümmer verteilen und irgendwann andere Satelliten treffen, um die es zunächst gar nicht gegangen ist.
Hoffentlich kapieren die Militärs auf allen Seiten, dass der Abschuss selbst fremder Satelliten allenfalls sehr kurzfristig dienlich sein kann. Die Trümmer sind ganz schnell eine Gefahr für die eigenen Satelliten. Wer Satelliten abschießt, sägt am eigenen Ast.