Es sind immer wieder die gleichen Bilder, wenn der Regen nicht mehr aufhört: Flüsse treten über die Ufer, Menschen müssen von Dächern gerettet werden, Wassermassen reißen Autos mit sich. Marktplätze, Felder und Straßen sind überflutet, Luftaufnahmen zeigen besiedelte Gebiete, die komplett unter Wasser stehen.
Massive Regenfälle haben im Herbst 2024 in Spanien eine Flutkatastrophe ausgelöst. Besonders stark betroffen waren die Regionen Valencia, Murcia und Andalusien, über 200 Menschen starben. Nur wenige Wochen zuvor führten schwere Regenfälle in Österreich, Polen, Rumänien und Tschechien zu Überschwemmungen. Auch in Bayern regnete es Mitte September 2024 heftig, in Brandenburg bedrohte das Hochwasser der Oder viele Gebäude und Ortschaften.
Inhalt
- Warum regnet es manchmal so viel?
- Welche Rolle spielt die Klimakrise bei Überschwemmungen?
- Welche anderen Ursachen führen zu Hochwasser?
- Wird es in Zukunft mehr Hochwasser geben?
- Welche Hochwasserereignisse in anderen Ländern gehen auf den Klimawandel zurück?
- Wie können wir uns vor Überschwemmungen schützen?
Warum regnet es manchmal so viel?
Die Flutkatastrophe in Spanien wurde durch ein Wetterphänomen mit dem Namen „Kaltlufttropfen“ verursacht. Es handelt sich um ein Höhentief, das aus extrem kalter Polarluft besteht. Wenn diese Luft etwa im Herbst über das noch sehr warme Mittelmeer strömt, entstehen Gewitter und Starkregen.
Ein Tiefdruckgebiet, das sich über dem Mittelmeer mit extrem warmer Luft vollgesogen hatte, war laut dem Deutschen Wetterdienst auch der Auslöser der Überschwemmungen in Mittel- und Osteuropa im September 2024. Bereits im Juni 2024 hatte es starke Regenfälle in Süddeutschland gegeben. Grund auch hier ein Tiefdruckgebiet, das über dem Mittelmeer Feuchtigkeit aufgenommen hatte und dann Richtung Norden gezogen war. An mehreren Orten in Süddeutschland fiel so viel Regen wie nur alle 50 bis 100 Jahre.
Im Winter 2023/24 waren für den lang anhaltenden Regen und die Überschwemmungen in Deutschland hingegen Tiefdruckgebiete verantwortlich, die vom Atlantik kamen. Die vom Himmel fallenden Wassermassen führten dazu, dass der Boden keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen konnte. In einigen Regionen gab es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen noch nie so viel Niederschlag wie in dem Winter.
Welche Rolle spielt die Klimakrise bei Überschwemmungen?
Wissenschaftler haben festgestellt, dass seit den 1950er-Jahren schwere Niederschläge in den meisten Teilen der Welt häufiger und heftiger geworden sind. Das ist hauptsächlich auf die Klimaerwärmung zurückzuführen.
Das Prinzip dahinter: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit nimmt sie auf. Bei einer Erwärmung von einem Grad sind es rund sieben Prozent mehr Wasser. Das regnet dann wieder ab.
Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 steigt die durchschnittliche Temperatur in Deutschland stetig an. 2023 war das bislang wärmste Jahr hierzulande: Die Durchschnittstemperatur lag laut DWD bei 10,6 Grad. Damit war das Jahr 2023 um 2,4 Grad wärmer als das Temperaturmittel von 1961 bis 1990.
Mehr Wasserdampf in der Atmosphäre
Hinzu kommt, dass auch die Meere wärmer werden. Dadurch verdunstet mehr Wasser, mehr Wasserdampf steigt in die Atmosphäre auf. Je mehr sich die Ozeane aufgrund des Klimawandels aufheizen, desto mehr Niederschlag wird es in Zukunft geben.
Auch Überschwemmungen an Küstengebieten, vor allem Sturmfluten, werden zunehmen. Doch das hat nichts mit der Entwicklung bei den Niederschlägen zu tun, sondern mit dem durch den Klimawandel verursachten ansteigenden Meeresspiegel.
Welche anderen Ursachen führen zu Hochwasser?
Nicht nur starker Regen ist für Überschwemmungen verantwortlich. Entscheidend ist auch der Hochwasserschutz. Ehemals gab es breite Auenlandschaften entlang der Flüsse, auf denen sich überlaufendes Wasser ausbreiten und versickern konnte. Auch Moore und Wälder wirkten wie Schwämme. Ein sich schlängelndes Flussbett bremste die Wassermassen.
Doch die Flächen wurden zunehmend versiegelt, Moore und Auen entwässert, Flüsse begradigt. Bei starken Niederschlägen hat das Wasser weniger Möglichkeiten, sich auszubreiten und im Boden zu versickern. Es läuft schneller in die Flüsse, tritt über die Ufer und sorgt eher für große Überschwemmungen.
Wird es in Zukunft mehr Hochwasser geben?
Die Klimawissenschaft ist sich einig: Mit dem voranschreitenden Klimawandel werden auch Extremwetterereignisse wie Dürren, Hitzewellen und Starkregen an den meisten Orten der Welt häufiger und intensiver auftreten. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes ist es in Deutschland insbesondere im Winter bereits deutlich feuchter als früher.
Auch das Umweltbundesamt warnt in seiner Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland: "Durch den Klimawandel ist zu erwarten, dass höhere Spitzenabflüsse auftreten und sich das Wiederkehrintervall des derzeitigen Bemessungshochwassers verkürzt." Soll heißen: Es wird häufigeres und höher ansteigendes Hochwasser geben.
Vor allem in den Mittelgebirgen sowie in Ostdeutschland ist laut Umweltbundesamt in Zukunft mit einer Zunahme zu rechnen. Besondere Gefahr besteht für Siedlungen in einem Tal oder in der Nähe eines Bachs bzw. Flusses.
Welche Hochwasserereignisse in anderen Ländern gehen auf den Klimawandel zurück?
Inwieweit ein einzelnes Wetterextrem mit dem Klimawandel zusammenhängt, ermittelt die sogenannte Attributionsforschung. Wissenschaftler berechnen dabei, inwieweit der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit und Intensität eines extremen Wetterereignisses erhöht hat.
Die Forschenden arbeiten dafür mit Klimamodellen und vergleichen zwei Welten miteinander. In der einen existiert ein menschengemachter Klimawandel, in der anderen nicht. Rückschlüsse ziehen sie dann aus dem Vergleich.
Heftige Regenfälle in Libyen
Die britische Forschungseinrichtung "World Weather Attribution" (WWA) ist auf diesem Gebiet führend. Eine WWA-Studie ergab, dass sich die Wahrscheinlichkeit für starke Regenfälle in Libyen im September 2023 durch die Erderwärmung um das fünfzigfache erhöht hat.
In einer weiteren Studie berechneten die Wissenschaftler, dass die Überschwemmungen am Horn von Afrika 2023 durch den Klimawandel verschärft wurden. Auch bei anderen Hochwassern konnten sie zeigen, dass diese durch den Klimawandel begünstigt worden waren, etwa die extremen Überschwemmungen in Nigeria im Jahr 2022.
Die Ahrtal-Katastrophe und der Klimawandel
Nicht zuletzt war der Klimawandel auch für die Flut im Ahrtal im Juli 2021 mitverantwortlich. Extreme Regenfälle in Westeuropa führten zu Rekordüberschwemmungen, unter anderem entlang der Flüsse Ahr und Erft in Deutschland. Das Risiko eines solchen Ereignisses hat sich laut WWA aufgrund des Klimawandels um das 1,2- bis neunfache erhöht.
Doch nicht jedes extreme Wetterereignis kann direkt auf den Klimawandel zurückgeführt werden. Im Mai 2023 kam es in Norditalien in der Region Emilia-Romagna zu schweren Überschwemmungen, die als die schlimmsten seit hundert Jahren bezeichnet wurden.
Nachdem die WWA-Experten die Niederschlagsdaten seit 1960 analysiert hatten, kamen sie in einer Studie zu dem Schluss, dass die Regenfälle in der Emilia-Romagna durch den Klimawandel weder stärker noch schwächer geworden sind.
Die Überschwemmungen wurden vielmehr durch sehr ungewöhnliche Wetterbedingungen ausgelöst, die auf eine einzigartige Abfolge von drei Tiefdruckgebieten im zentralen Mittelmeer zurückzuführen waren.
Wie können wir uns vor Überschwemmungen schützen?
Es gibt zahlreiche Maßnahmen, die vor Hochwasser schützen können. Zentral ist der naturnahe Hochwasserschutz: Moore, Bäche, Feuchtwiesen und Auen müssen renaturiert und Flächen entsiegelt werden. Flüsse brauchen mehr Raum und Überschwemmungsflächen, um sich ausbreiten zu können.
Auch der Katastrophenschutz ist ein wichtiger Faktor, wenn es um die Risiken von Hochwasserereignissen geht. Dazu zählen etwa eine ausreichende finanzielle Ausstattung sowie der Aufbau von Frühwarnsystemen.
Bund und Länder haben 2013 das Nationale Hochwasserschutzprogramm in die Wege geleitet. Es beinhaltet Maßnahmen wie die Rückverlegung von Deichen oder das Anlegen von Flutpoldern. Das sind Flächen, die bei Hochwasser gezielt geflutet werden können.
Umweltministerin Lemke legt Gesetz zum Hochwasserschutz vor
Da Hochwasserereignisse in Deutschland immer häufiger werden, hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in Abstimmung mit den Bundesländern ein neues Gesetz zum Hochwasserschutz erarbeitet. Die Pläne sehen vor, den Bau von Dämmen, Deichen und Rückhaltebecken zu beschleunigen; dafür soll das Vergabeverfahren vereinfacht werden.
Auch für den Bau von Brücken über Flüsse sind neue Regeln angedacht: Sie sollen zum Beispiel mehr Abstand zur Wasseroberfläche haben als bisher, und es sollen für Hochwasser angepasste Materialien verwendet werden.
Nach dem Bruch der Ampelkoalition kann das Gesetz vor der Neuwahl aber nicht mehr umgesetzt werden, sagte Lemke dem Magazin "Der Spiegel". Sie sei aber überzeugt, dass das Hochwasserschutzgesetz in der nächsten Legislaturperiode mit breiter Unterstützung zu Ende gebracht werden könne.
Umweltminister wollen Grundgesetz ändern
Auch ein „Naturgefahrenportal“, das bereits im Sommer 2024 in Betrieb gehen sollte, ist bisher noch nicht fertig. Auf dieser Plattform des Deutschen Wetterdienstes sollen Bürgerinnen und Bürger Informationen über potenzielle Naturgefahren an ihrem Wohnort erhalten.
Handlungsbedarf sehen die Umweltministerinnen und -minister auch bei der Finanzierung von Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Bisher fehlen einheitliche Regelungen zur Entschädigung von Landbesitzern, die ihre Flächen für Hochwasserschutzmaßnahmen bereitstellen. Ein weiteres Problem: Hochwasserschutzprojekte werden von Bund, Ländern und EU immer nur befristet gefördert. Außerdem müssen die Kommunen einen Eigenanteil übernehmen, den nicht alle Städte und Gemeinden aufbringen können.
Damit der Bund den Hochwasserschutz durchgehend finanzieren kann, müsste das Grundgesetz geändert werden. Der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel müssten in der Verfassung als Gemeinschaftsaufgabe definiert werden – ähnlich wie der Agrar- oder der Küstenschutz. Die Umweltministerinnen und -minister wollen die dafür erforderliche Anpassung im Grundgesetz auf den Weg bringen.
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