Montag, 29. April 2024

Klimakrise
Wie Hochwasser und Klimawandel zusammenhängen

Starke Regenfälle haben in diesem Winter in weiten Teilen Deutschlands zu Hochwasser geführt. Auch in anderen Weltregionen kam es in den vergangenen Monaten zu schwerwiegenden Überschwemmungen. Was hat der Klimawandel damit zu tun?

11.01.2024
    Ein Bauernhof im Bremer Stadtteil Timmersloh steht im Januar 2024 unter Wasser. Eben solche Hochwasserereignisse werden durch den fortschreitenden Klimawandel zunehmend wahrscheinlicher.
    Ein Bauernhof im Bremer Stadtteil Timmersloh steht im Januar 2024 unter Wasser. Eben solche Hochwasserereignisse werden durch den fortschreitenden Klimawandel zunehmend wahrscheinlicher. (picture alliance / dpa / Sina Schuldt)
    In Niedersachsen, NRW und Sachsen-Anhalt regnete es rund um Weihnachten bis ins neue Jahr hinein fast ununterbrochen. Die Folge: Viele Flüsse traten über die Ufer, es kam zu schweren Überschwemmungen in weiten Teilen des Landes. Inzwischen hat sich die Hochwasserlage wieder entspannt.
    Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit konnte man in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder schwerwiegende Überschwemmungen beobachten, unter anderem in Libyen, in Italien oder am Horn von Afrika. Welchen Einfluss hat dabei der Klimawandel?

    Inhalt

    Wie kam es zu dem Hochwasser im Winter 2023/24?

    Ein entscheidender Grund für den nassen Winter 2023/24 in Deutschland war eine besondere Jetstream-Lage. Der Jetstream ist ein Starkwindband in etwa zehn Kilometern Höhe. Normalerweise bewegt er sich wellenförmig und transportiert Hoch- und Tiefdruckgebiete über die Kontinente.
    In den vergangenen Wochen war der Jetstream allerdings besonders stark und trieb ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen vom Nordatlantik in Richtung Osten – wie auf einem Förderband. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) bezeichnete den Jetstream in diesem Winter daher auch als Schnellstraße für Tiefdruckgebiete. Die Folge war langanhaltender Regen in vielen Teilen Deutschlands. Das Problem: Da es über Tage und Wochen hinweg extrem viel regnete, konnte der Boden irgendwann die Wassermassen nicht mehr richtig aufnehmen. Der Niederschlag ließ die Flusspegel ansteigen, das Wasser trat über die Ufer. Es kam zu weitreichenden Überschwemmungen.
    In einigen Regionen Deutschlands gab es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen noch nie so viel Niederschlag wie in diesem Winter.

    Welche Rolle spielt die Klimakrise bei Überschwemmungen?

    Wissenschaftler haben festgestellt, dass seit den 1950er Jahren schwere Niederschläge in den meisten Teilen der Welt häufiger und intensiver geworden sind – und das ist hauptsächlich auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen.
    Das Prinzip dahinter ist simpel: Je wärmer die Luft, desto mehr Wasser nimmt sie auf. Bei einer Erwärmung von einem Grad sind es rund sieben Prozent mehr Wasser. Und das regnet wieder ab, etwa in Form von Starkregen.
    Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 steigt die durchschnittliche Temperatur in Deutschland stetig an. 2023 war das bislang heißeste Jahr hierzulande: Die durchschnittliche Temperatur für das gesamte Jahr lag laut DWD bei 10,6 Grad. Damit war das Jahr 2023 um 2,4 Grad wärmer als das Temperaturmittel von 1961 bis 1990.

    Ungewöhnlich hohe Temperaturen im Nordatlantik

    Für die Hochwasserlage in Deutschland in den vergangenen Wochen waren auch die ungewöhnlich hohen Oberflächentemperaturen des Nordatlantiks mitverantwortlich. Je wärmer der Nordatlantik, desto mehr Wasser verdunstet. Das bedeutet: Mehr und mehr Wasserdampf steigt in die Atmosphäre auf. Durch den bereits beschriebenen Jetstream wurden die feuchten Luftmassen kontinuierlich nach Europa transportiert. Die Folge: Es regnete und regnete.
    Je mehr sich die Ozeane aufgrund des Klimawandels aufheizen, desto mehr Niederschlag wird es in Zukunft geben. Auch Überschwemmungen an Küstengebieten, vor allem Sturmfluten, werden zunehmen. Das hat aber nichts mit der Entwicklung bei Niederschlägen zu tun, sondern mit dem durch den Klimawandel verursachten ansteigenden Meeresspiegel.

    Welche anderen Ursachen führen zu Hochwasser?

    Nicht allein die Regenmassen sind dafür verantwortlich, ob es zu einer schwerwiegenden Hochwasserlage kommt. Es spielen verschiedene Faktoren mit hinein, darunter auch der Hochwasserschutz. Früher gab es breite Auenlandschaften entlang der Flüsse, auf denen sich das Wasser ausbreiten und versickern konnte. Auch Moore und Wälder wirkten wie Schwämme. Die natürlich sich schlängelnden Flüsse bremsten die Wassermassen.
    Doch die Flächen wurden zunehmend versiegelt, Moore und Auen wurden entwässert, Flüsse begradigt. Bei starken Niederschlägen hat das Wasser damit heute weniger Möglichkeiten, sich auszubreiten und im Boden zu versickern. Es läuft schneller in die Flüsse, tritt über die Ufer und sorgt eher für starke Überschwemmungen. Dadurch, dass weniger Wasser im Boden gehalten wird, werden zudem Dürren verschärft.

    Wird es in Zukunft mehr Hochwasser geben?

    Die Klimawissenschaft ist sich einig: Mit dem voranschreitenden Klimawandel werden auch Extremwetterereignisse wie Dürren, Hitzewellen und Starkregen an den meisten Orten der Welt häufiger und intensiver auftreten. Der Klimawandel sorgt dafür, dass stabile Wetterlagen häufiger vorkommen. Es wird tendenziell mehr trockene Perioden geben, aber auch mehr Perioden, in denen es viel regnet.
    Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes ist es hierzulande insbesondere im Winter bereits signifikant feuchter geworden. Seit Beginn der Aufzeichnungen hat zum Beispiel Niedersachsen im Dezember noch nie so viel Niederschlag erlebt wie 2023: knapp 160 Liter Wasser pro Quadratmeter, mehr als doppelt so viel wie erwartet wurde.
    "Im Zuge des Klimawandels, wo sich die Hochwasser-Prozesse ändern werden, werden wir sicher andere Arten von Hochwässern in Zukunft sehen", sagte Ralf Merz, Hydrologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle (Saale), im Deutschlandfunk. "Solche langen Hochwasser-Ereignisse wird es auch in Zukunft sicher öfter geben."
    Auch das Umweltbundesamt warnt in seiner Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland: "Durch den Klimawandel ist zu erwarten, dass höhere Spitzenabflüsse auftreten und sich das Wiederkehrintervall des derzeitigen Bemessungshochwassers verkürzt." Kurzum: Es wird häufigeres und höher ansteigendes Hochwasser geben. Vor allem in den Mittelgebirgen sowie in Ostdeutschland ist laut Umweltbundesamt in Zukunft mit einer Zunahme von Hochwasser zu rechnen. Besondere Gefahr besteht für Siedlungen, die in einem Tal oder in der Nähe eines Bachs oder Flusses liegen.

    Welche Hochwasserereignisse in anderen Ländern sind dem Klimawandel zuzuordnen?

    Inwieweit ein einzelnes Wetterextrem mit dem menschengemachten Klimawandel zusammenhängt, ermittelt die sogenannte Attributionsforschung. Wissenschaftler berechnen dabei, inwieweit der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit und Intensität eines extremen Wetterereignisses erhöht hat.
    Die Forschenden arbeiten dafür mit Klimamodellen und vergleichen zwei Welten miteinander. In der einen Welt existiert ein menschengemachter Klimawandel, in der anderen nicht. Im ersten Modell analysieren sie die Wahrscheinlichkeit eines realen Extremwetterereignisses unter den Bedingungen seines Auftretens, indem sie Tausende von Simulationen durchführen. Im zweiten Modell werden CO2-Konzentration und andere menschengemachte Klimafaktoren ausgeschlossen, indem die Parameter auf die vorindustrielle Referenzperiode (ca. 1850-1900) angepasst werden. Durch den Vergleich der beiden Verteilungen können sie feststellen, wie sich die Wahrscheinlichkeit für solche Ereignisse durch den Klimawandel verändert hat.
    Die britische Forschungseinrichtung "World Weather Attribution" (WWA) ist in diesem Gebiet führend. So ergab etwa eine Studie, dass sich die Wahrscheinlichkeit für die sintflutartigen Regenfälle in Libyen im September 2023 durch die Erderwärmung um das Fünfzigfache erhöht hat.
    In einer weiteren Studie berechneten die WWA-Wissenschaftler, dass die Überschwemmungen am Horn von Afrika im Jahr 2023 durch den Klimawandel verschärft wurden. Außerdem trug das Klimaphänomen „Dipol des Indischen Ozeans“ (IOD) zu den Überschwemmungen bei. Auch bei anderen Hochwasserlagen konnte man feststellen, dass sie durch den Klimawandel begünstigt wurden, etwa bei den extremen Überschwemmungen in Nigeria im Jahr 2022. Die Wahrscheinlichkeit für das Extremereignis hat sich laut WWA um den Faktor 80 erhöht.

    Das hat die Ahrtal-Katastrophe mit der Klimakrise zu tun

    Nicht zuletzt war der Klimawandel für die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 mitverantwortlich. Extreme Regenfälle in Westeuropa führten im Juli 2021 zu Rekordüberschwemmungen, unter anderem entlang der Flüsse Ahr und Erft in Deutschland. Mehr als 90 Liter Regen fielen pro Quadratmeter.
    Das Risiko eines solchen Ereignisses hat sich laut WWA aufgrund des Klimawandels um das 1,2 bis 9-fache erhöht. Auch die Intensität der Niederschläge in der Sommersaison in der untersuchten Region stieg um etwa drei bis 19 Prozent an, verglichen mit einem globalen Klima, das 1,2 Grad Celsius kühler ist als heute.

    Nicht jedes extreme Wetterereignis ist auf die Klimakrise zurückzuführen

    Doch nicht jedes extreme Wetterereignis kann immer direkt auf die Klimakrise zurückgeführt werden. Ein Beispiel: Im Mai 2023 kam es in Norditalien, genauer gesagt in der Region Emilia-Romagna, zu schwerwiegenden Überschwemmungen, die als die schlimmsten seit 100 Jahren betrachtet wurden.
    Nachdem die Forschenden des WWA die Niederschlagsdaten seit 1960 analysiert haben, kamen sie in einer Studie zu dem Schluss, dass die Regenfälle in der Emilia Romagna durch den Klimawandel weder stärker noch schwächer geworden sind. Die Überschwemmungen wurden vielmehr durch sehr ungewöhnliche Wetterbedingungen ausgelöst, die auf eine einzigartige Abfolge von drei Tiefdruckgebieten im zentralen Mittelmeer zurückzuführen waren. Das Wasser konnte zudem aufgrund von versiegelten Flächen nicht abfließen. Auch das ist ein Teil der Ursache für die Überschwemmungen in Norditalien.

    Wie können wir uns vor Überschwemmungen schützen?

    Es gibt zahlreiche Maßnahmen, die in Zukunft vor Hochwasser schützen können. Zentral ist dabei der naturnahe Hochwasserschutz. Also: Moore, Bäche, Feuchtwiesen und Auen müssen renaturiert werden. Flächen müssen entsiegelt, asphaltierte Straßen vermieden werden. Flüsse brauchen insgesamt mehr Raum und Überschwemmungsflächen, um sich ausbreiten zu können.
    Bund und Länder haben bereits 2013 das Nationale Hochwasserschutzprogramm in die Wege geleitet, um den Hochwasserschutz auszubauen. Im Sommer 2024 soll zudem das "Naturgefahrenportal" des Deutschen Wetterdienstes ins Leben gerufen werden. Auf der Plattform sollen sich Bürgerinnen und Bürger in Zukunft über Naturgefahren informieren, die an ihrem Wohnort in Deutschland auftreten können. Insgesamt muss der Katastrophenschutz besser ausgestattet und Frühwarnsysteme eingerichtet werden.
    Eine Studie aus dem vergangenen Jahr hat gezeigt, dass der Klimawandel Deutschland bis 2050 bis zu 900 Milliarden Euro kosten könnte, etwa durch Ertragsausfälle in der Landwirtschaft, aber auch durch Schäden an der Infrastruktur infolge von Überschwemmungen. Diese Kosten lassen sich aber senken – durch Anpassung und Klimaschutz.
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