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Angst vor Eskalation 
Deutschland und der Ukraine-Konflikt

Russlands Politik gegenüber der Ukraine wird immer aggressiver. Trotzdem stehen in der deutschen Politik bislang ausschließlich diplomatische Mittel im Vordergrund. Waffenlieferungen an die Ukraine schließt die Bundesregierung aus. Doch viele fordern jetzt einen Kurswechsel.

Von Thomas Franke | 11.02.2022
Mariupol: Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, geht mit Schutzweste und Helm zu einem gepanzerten Fahrzeug.
Außenministerin Annalena Baerbock bei einem Besuch im ukrainischen Mariupol (dpa/Bernd von Jutrczenka)
Es gilt vielen als ein Tabu deutscher Politik: in Konflikten zu eskalieren oder dies auch nur als eine Möglichkeit einzukalkulieren. Selbst angesichts der immer aggressiveren Politik der russischen Regierung stehen bislang ausschließlich diplomatische Mittel im Vordergrund der deutschen Außenpolitik. Darüber hinaus aktiv zu werden, etwa militärisch oder mit Waffenlieferungen, ist für viele ein Tabu. Doch genau das fordern einige führende Politiker in Deutschland. 

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„Wir müssen uns im Klaren sein, dass unser Entgegenkommen, also unser scheinbar verständnisvoller Umgang mit Russland, nicht zu Gegenleistungen von Russland geführt hat, sondern zu einer Truppenmassierung seit Oktober letzten Jahres, die Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht kennt.“ Das sagt zum Beispiel der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter: „Deswegen muss es doch selbst dem größten Beschwichtiger und dem größten Freund der Diplomatie, zu denen ich mich auch zähle, klar werden, dass unser Verhalten nicht zu einer Verbesserung des russischen Verhaltens geführt hat, sondern im Gegenteil zu einer Eskalation, die wir so nicht vorhergesehen haben. Und deswegen müssen wir in die Vorhand kommen beziehungsweise eine eigene Eskalationsdominanz haben.“
Waffenlieferungen und Sanktionen
Dabei schließt er auch Waffenlieferungen nicht aus: „Und da ist für mich die Frage: Wie nehmen wir Russland die Eskalationsdominanz, also jederzeit einen Konflikt befeuern oder auch wieder dimmen zu können. Nämlich indem wir alle möglichen Antwortvarianten durchdenken. Und indem wir überlegen, wie man Russland auch verblüffend entgegnen kann, ohne dass wir kalkulierbar bleiben.“
Russische Soldaten bei einem Manöver mit Panzer.
Russische Manöver an der Grenze zur Ukraine (dpa/picture alliance/Stanislav Krasilnikov)
Bisher wurden in dem seit 2014 andauernden Krieg im Osten der Ukraine mehr als 13.000 Menschen getötet, die Zahl der Vertriebenen und Geflüchteten von dort und von der Krim geht in die Millionen. Vor Ort beobachtet eine Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa den Konflikt. Der Schweizer Diplomat Alexander Hug war jahrelang der stellvertretende Leiter der OSZE-Mission.
„Man hat vor allem auf der militärischen Seite zumindest die Ansätze gefunden in diesem Dialog, um die militärische Gewalt einzuschränken, mit klaren Resultaten. Die Waffenstillstandsverletzungen 2014, 15, auch 16 waren viel höher als heute. Das hat sich eingependelt um die zwei bis achthundert täglichen Waffenruheverletzungen heute, was anfangs des Konfliktes teilweise Tausende, Zehntausende Verletzungen pro Tag war.“

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Hug führt das auf Verhandlungen zurück: „Ich bin nicht notwendigerweise ein Verfechter der alten Weisheit: ‚Wer Frieden will, muss den Krieg vorbereiten.‘ Es ist für mich klar, dass man die besten Resultate erzielen kann in diesen Verhandlungen, wenn man keine Option im Voraus ausschließt. Das sind militärische, wirtschaftliche, politische Sanktionen.“

SPD setzt auf Diplomatie

Die Bundesregierung schließt Waffenlieferungen aber bisher kategorisch aus. Das solle auch so bleiben, meint Nils Schmid, Außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Die SPD definiert sich traditionell als Friedenspartei. Aber 2001 etwa begründete SPD-Verteidigungsminister Peter Struck den Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan noch mit der These, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt. Schmid verweist auf das Normandie-Format. Darin versuchen Deutschland und Frankreich seit 2015 erfolglos, mit der Ukraine und Russland auf eine Verhandlungslösung hinzuarbeiten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) trifft US-Präsident Joe Biden im Oval Office des Weißen Hauses.
Setzt bisher auf Diplomatie: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) hier zu Besuch bei US-Präsident Joe Biden im Oval Office des Weißen Hauses (Kay Nietfeld/picture alliance/dpa)
„So langsam gewinnt die Diplomatie an Schwung und es besteht die Chance, es wirklich auch diplomatisch jetzt zu einem guten Ende zu bringen. Gerade die Staaten, die als Vermittler besonders gefordert sind, sollten jetzt nicht zusätzliche Waffen liefern. Das würde nicht zur Deeskalation beitragen. Und deshalb kommt Deutschland diese herausgehobene Verantwortung zur diplomatischen Vermittlung zu. Und das sollte nicht konterkariert werden durch Waffenlieferungen.“
Sergey Lagodinsky, Europaabgeordneter von Bündnis90/Die Grünen und als Jugendlicher aus Russland nach Deutschland gekommen, beklagt genau das: Deutschland gefalle sich in der Rolle des Vermittlers. Wer international ernst genommen werden wolle, müsse Position beziehen, schrieb er kürzlich in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Deeskalation müsse immer das oberste Ziel sein, trotzdem dürfe man manchen Eskalationen nicht mit Flucht in die Deeskalation begegnen, so Lagodinsky.
„Was klar sein muss, ist, dass wir bereit sind, Verteidigungshandlungen vorzunehmen und auch Verteidigungshandlungen von Verbündeten zu unterstützen. Aus meiner Sicht gehört zum Instrumentarium der Außenpolitik auch die Fähigkeit, nicht nur Konflikten aus dem Weg zu gehen, sondern Konflikte zu steuern, zu managen und ja, auch manchmal sich denen zu stellen, weil sonst ist es keine Friedenspolitik, sonst ist das eine Beschwichtigungspolitik, und das ist ein Unterschied. Und an diesem Unterschied müssen wir arbeiten.“

Grüne Vorbehalte gegen Waffenlieferungen und Bundeswehreinsatz

Die Grünen, einst unter anderem aus der Friedensbewegung hervorgegangen, haben ihre Schwierigkeiten mit Waffenlieferungen, auch mit Verweis auf die deutsche Vergangenheit. Dass gerade die jedoch eventuell zu militärischem Handeln zwingt, hat der damalige Außenminister Joschka Fischer schon 1999 durchgefochten, als es darum ging, Bundeswehrsoldaten in einen Kampfeinsatz ins Kosovo zu schicken. 
„Ich stehe auf zwei Grundsätzen: Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Beides gehört bei mir zusammen, liebe Freundinnen und Freunde, und deswegen bin ich in die grüne Partei gegangen. Was wir gemeinsam brauchen, ist die Kraft zu haben, in diesem Widerspruch, in dem wir drin sind, nämlich, dass wir einerseits mit militärischen Mitteln, mit einem Krieg, Milosevic Einhalt gebieten müssen, gleichzeitig alle Möglichkeiten zu nutzen, um eine Friedenslösung zur Rückkehr der Flüchtlinge zu erreichen und zu einem dauerhaften Schweigen der Waffen. Ich danke euch.“
Trotz des Erfolges - das brutale Morden wurde gestoppt, die unterdrückten Kosovoalbaner gründeten einen eigenen Staat - ist der Einsatz auch heute noch umstritten. 
Außenminister Joschka Fischer vor der UNO-Vollversammlung
Joschka Fischer markierte einen Wechsel der Grünen-Außenpolitik - hier spricht er als damaliger Außenminister vor der UNO-Vollversammlung (AP)
Lagodinski: „Ich glaube, man muss die Parallelen zur Kosovo-Situation nicht bemühen, um festzustellen, dass in einer Situation, wo gravierende Menschenrechtsverletzungen oder ein Angriffskrieg bevorstehen, dass wir da einfach in der Pflicht sind, alles Mögliche zu tun, um erstens das zu verhindern, zweitens auch den Opfern zu helfen. In erster Linie geht es natürlich um die Prävention und zivile Krisenprävention ist etwas, was ja auch ein grünes Markenzeichen ist, wenn wir schon über die grüne Partei reden. Es geht darum, auch vorzubauen und solchen Konflikten schon a priori aus dem Weg zu gehen beziehungsweise die zu entschärfen. Zweitens finde ich es wichtig, auch Druck aufzubauen und Druck zu üben auf potenzielle Täter. Also insofern solche Sachen wie Sanktionen, klare Ansagen, auch wirtschaftlicher Druck - das muss natürlich auch im Arsenal eines demokratischen Staates sein.“

Ukraine: Wollen Waffen nicht zum Angriff gegen Russland einsetzen

Ein Einsatz der Bundeswehr steht heute nicht zur Debatte, allenfalls Waffenlieferungen. „Ich bin der Meinung, dass wir diese lange Tradition der deutschen Bundesregierung eben, wo Waffen und Militärausrüstung nicht in Krisengebiete geschickt wird, mit Verständnis respektieren können. Aber eben das nicht holzschnittartig anwenden müssen. Denn es gibt eben Situationen, wo die Täter-Opfer-Situation ganz klar ist und wo wir auch völkerrechtlich in der Pflicht, jedenfalls in der Option stehen, auch dem bedrohten Opfer zu helfen.“
Das Opfer, in diesem Fall die Ukraine, betont, die Waffen nicht zum Angriff gegen Russland einsetzen zu wollen, sondern allenfalls zur Verteidigung. Doch seien sie nötig, um der Diplomatie den Weg zu ebnen. Dmytro Kuleba, der Außenminister der Ukraine, ist ganz klar in seiner Ansicht: Wer Frieden möchte, muss stark sein.
„Russland ist der Aggressor in der Ukraine. Der einzige verantwortungsvolle Weg voran ist Diplomatie. Und die einzige effektive Strategie, um Russland dazu zu bringen, Diplomatie den Vorzug zu geben, ist Abschreckung.“

Russland und das Spiel mit dem Westen

Auf potenzielle Bündnispartner in Westeuropa angesprochen, sagt der ukrainische Außenminister Kuleba: „Ich verstehe, dass wir mit einer Gruppe von Partnern noch arbeiten müssen, die überzeugt werden müssen, aktiver zu sein. Sie müssen eine einfache Sache verstehen: Eine schwierige Situation kann nicht geklärt werden ohne schwierige Entscheidungen. Was immer der Preis der Abschreckung ist - der Preis, den Krieg zu stoppen, wird viel höher sein. Niemand schuldet der Ukraine irgendetwas, das stimmt. Aber wie ich eingangs sagte: Bei dem, was hier passiert, geht es nicht nur um die Ukraine.“
Karte zeigt die Ostukraine mit dem von Separatisten kontrolliertem Gebiet und der Minsker Sicherheitszone
Ukraine-Russland-Konflikt (dpa-infografik / Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
Das ist auch der großen Mehrheit der westlichen Politiker klar. Spätestens seit die russische Führung einen Forderungskatalog geschickt hat, in dem sie ganz klar die Einflusszonen der untergegangenen Sowjetunion für sich reklamiert. Für den politischen Westen, die NATO und die EU, war dies der Anlass, die eigenen Positionen und das Handeln in Bezug auf Russland besser abzustimmen und die Reihen zu schließen – wenngleich mit Abstrichen. Das ist ein Unterschied gegenüber 2014, als Russland im Handstreich die ukrainische Halbinsel Krim eroberte und anschließend den Osten der Ukraine mit Krieg überzog. 
Damals wirkte der Westen überrumpelt und überfordert. Ernsthafte Sanktionen verhängte die EU erst nach dem Abschuss der malaiischen Passagiermaschine mit der Flugnummer MH 17 über dem Donbas durch eine russische Rakete. Selbst danach sprachen deutsche Politiker noch von „Partnerschaft“ mit Russland beziehungsweise Wladimir Putin. Diese Stimmen werden immer leiser. 
Nils Schmid von der SPD sagt, man dürfe sich keiner Illusion über die Natur der aktuellen russischen Führung hingeben: „Die jetzige russische Führung ist gefangen in einem Kreislauf von innenpolitischer Repression und außenpolitischem Ausgreifen bis Aggression. Die Schwäche im Innern wird kompensiert durch Stärkedemonstration nach außen. Das soll darüber hinwegtäuschen, dass es seit Jahren so eine Art stabile Stagnation in Russland gibt: keine Aussicht auf eine Diversifizierung der Wirtschaft. Keine Entfaltung eines Mittelstandes, aber eben auch keine Entfaltung von politischem Pluralismus, von widerstreitenden Meinungen im Ringen um die beste Lösung für die Zukunft der Gesellschaft, sondern die absolute Priorität wird dem Machterhalt eingeräumt.“

Umgang wie mit einem Mafiastaat?

Unabhängige russische Journalisten haben Wladimir Putin Verbindungen zur Organisierten Kriminalität nachgewiesen. Nicht nur der inhaftierte russische Oppositionspolitiker Aleksej Nawalny, auch internationale Recherchekonsortien haben – Stichwort Panama Papers – ein Imperium von Schein- und Schattenfirmen um den russischen Präsidenten aufgezeigt. Auf seine Verwurzelung im Geheimdienst zeigt sich Wladimir Putin stolz. Auch die mafiösen Verflechtungen zwischen den politischen Eliten, der Verwaltung, der Exekutive und Judikative und den Reichen sind hinlänglich bekannt. Der ungarische ehemalige Politiker und Buchautor Balint Magyar bezeichnet Russland als einen Mafiastaat. Mit der Mafia geht man anders um als mit gewählten Regierungen.
Der russische Präsident Vladimir Putin umrahmt von Fotografen.
Der russische Präsident Wladimir Putin - Chef eines Mafiastaats? Der ungarische ehemalige Politiker und Buchautor Balint Magyar bezeichnet Russland so. (picture alliance / dpa | Alexei Druginyn / Ria Novosti)
„Was zeichnet Mafia aus? Zunächst ist es natürlich ein extremer Reichtum, der in Händen ist, in denen er nicht sein sollte, Reichtum, der aus legalen wie illegalen Geschäften kommt, das ist ein ganz banales Merkmal von italienischer organisierter Kriminalität, aber ein sehr wichtiges“, sagt Sandro Mattioli, einer der profiliertesten Mafiaexperten in Deutschland. Sein Schwerpunkt liegt auf der italienischen Ndrangheta, der wahrscheinlich mächtigsten Mafiaorganisation in Europa.
„Das nächste ist, dass die Organisationen, vor allem vorne dran die Ndrangheta, sehr strukturiert sind und sehr strategisch agieren, weswegen man sie häufig unterschätzt, weil die Organisation sehr gut kalkuliert, welche Aktionen sie wann wie durchführt.“
Doch ist das auf Wladimir Putins Drohungen und Angriffe auf die Ukraine und NATO-Staaten übertragbar? Nils Schmid redet erst einmal über kriminelle Aktivitäten Russlands im Ausland und die Notwendigkeit, sie zu unterbinden.
„Na ja, mafiös ist also sehr schillernd, aber Tatsache ist, dass eben Rechtsstaatlichkeit in Russland in kleiner Münze gehandelt wird und dass wir eben vor allem in unseren rechtsstaatlich verfassten Gesellschaften alles dafür tun sollten, dass dieses Gebaren nicht auf uns übergreift. Und da haben wir bis hin zum Tiergartenmord und Giftgasanschlägen, da haben wir ja wirklich in den letzten Jahren von Russland einiges gesehen, was so bei uns nicht Einzug halten darf. Das heißt, wir haben eine Aufgabe, bei uns mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen illegale Vorgänge, illegale Immobilienerwerbe, gegen Briefkastenfirmen, gegen Steuerflucht vorzugehen.“
EU-Parlamentarier Sergey Lagodinsky sieht genau bei diesen kriminellen Machenschaften der russischen Elite im Ausland einen Hebel, um diese unter Druck zu setzen und bestenfalls das Verhalten zu ändern: „Ich glaube schon, dass die Taktiken schon aus der Welt der Verbrecher oder aus der Welt der Banden so, die harten Jungs, die was beweisen wollen. Wir wissen ganz genau, dass viele von diesen harten Jungs ihr Vermögen in Europa und den USA haben. Und das ist ein Ansatzpunkt.“

Der Westen schreckt vor konsequenter Härte zurück

Am weitesten geht der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter. Er findet, dass das Gebaren Russlands auf internationaler Bühne durchaus an Organisierte Kriminalität erinnert: „Das ist mehr als mafiös, das ist bewusst fast wie ein asiatischer Kampf. Er nutzt die Energien des Westens, lässt sie ins Leere laufen, um dann den Westen vor völlig neue Tatsachen zu stellen.“
Mafiaexperte Mattioli meint, ein wirksames Mittel gegen mafiöse Erpressung sei konsequentes Handeln. Zumindest bei der Ndrangetha: „Es ist klar, dass man denen klar macht, ihr habt hier keinen keinen Fuß auf den Boden zu kriegen und wenn ihr es probiert, kämpfen wir dagegen. Dazu gehört nicht nur Konsequenz im Ankündigen, sondern auch Konsequenzen im Umsetzen. Bei mafiösen Akteuren ist es so, dass sie tatsächlich, auch wenn es Gewaltorganisationen sind, trotzdem den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Zumindest was die Gebiete außerhalb ihres Stammlandes anbelangt. Und da ist es natürlich so, wenn ein Land die Schutzvorkehrungen hochzieht, sprich, sich entsprechende Gesetze gibt, sodass das mafiöse Handeln schwieriger ist, dann werden sie anderswo hingehen, solange das noch möglich ist. Und das will heißen, man kann mit entsprechenden Gegenmaßnahmen tatsächlich eine präventive Wirkung entfalten.“

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Doch vor konsequenter Härte ist der politische Westen bisher zurückgeschreckt. Alle Maßnahmen, die seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ergriffen wurden, seien es Sanktionen, sei es der Ausschluss Russlands aus der G8-Runde, haben bislang nicht dazu beigetragen, den Konflikt zu beenden. Ob sie dazu beigetragen haben, ihn einzudämmen, darüber streiten die Experten. Cyberangriffe, Einmischung in Wahlen, unter anderem in den USA, Propagandaoffensiven durch Staatsmedien gingen unvermindert weiter. Roderich Kiesewetter von der CDU:
„Die Frage ist, wie viel wollen wir uns noch gefallen lassen und welcher Schaden muss noch entstehen? Und deswegen müssen wir auch schauen, dass wir nicht nur die Auswirkungen eindämmen von Angriffen auf uns, sondern ob wir nicht auch in der Lage sind, was wesentlich besser wäre als eine militärische Eskalation, bestimmte Einrichtungen in Russland zu treffen, wenn die Eskalation zunimmt.“

Forderungen nach Ende von Nord Stream

Immer mehr Beobachter fordern, nicht nur die Gaspipeline durch die Ostsee stillzulegen und Russland aus dem Zahlungssystem Swift auszuschließen. Sie regen an, auf diese sogenannte hybride Kriegsführung aktiv zu reagieren und zum Gegenangriff überzugehen. Auch Kiesewetter:
„Deswegen muss in der Pendeldiplomatie den Russen sehr klar und eindringlich gesagt werden: Auch Nord Stream 1 ist auf dem Tisch, Swift ist auf dem Tisch, die Vermögen sind auf dem Tisch und womöglich auch Cyber-Aktionen, die bestimmte Daten in Russland möglicherweise zerstören oder die bestimmte Einrichtungen in Russland erst einmal lähmen. Also wir sollten auch gezielte Cyber-Operationen nicht ausschließen, wenn wir dazu in der Lage wären. Ich kenne mich aber nicht aus, in welcher Weise wir zu so etwas in der Lage sind. Ich weiß, dass es die Bundesrepublik nicht ist, aber ob es den einen oder anderen NATO-Staat gibt, der in der Lage wäre, hier zu zeigen, dass man Einfluss auf die Stromversorgung oder auf die Steuerung von Pipeline-Systemen Einfluss hat.“
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Damit wäre der seit langem laufende Krieg, wenn auch nicht militärisch, endgültig in der deutschen Gesellschaft angekommen. Kiesewetter: „Es ist weder die deutsche Öffentlichkeit zu so etwas bereit, weil sie überhaupt nicht vorbereitet ist auf sowas, noch überblicken Teile unserer Politik die nötigen Konsequenzen.“
Aktuell geht es um die Sicherheit der Ukraine. Außenminister Dmytro Kuleba betont, dass die Bedrohung weit über die Ukraine hinaus gehe: „Russland zielt darauf, die Sicherheitsarchitektur der Zeit nach dem Kalten Krieg zu zerstören, die allen Europäern Jahrzehnte lang friedliche Entwicklung und Wohlstand gesichert hat. Wenn der Westen in der Ukraine versagt, wird das die Botschaft um den Globus senden, dass der Westen nicht in der Lage ist, seine grundlegenden Prinzipien zu sichern und somit nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen.“