Dass Medienkonzerne durch Werbung mal mehr, mal weniger einnehmen, ist erst mal nichts Neues. Doch seit einiger Zeit bleiben die Einnahmen kontinuierlich auf einem niedrigeren Niveau. "Das trifft vor allem traditionelle Medien wie wie TV-Sender und Zeitungen. Und im Digitalen sieht es etwas besser aus. Aber auch hier sind längst nicht mehr die Wachstumsraten von früheren Jahren zu holen", sagt Timo Niemeier vom Medienmagazin DWDL.
Laut VauNet – dem Verband Privater Medien – gingen die Werbeumsätze im Segment Bewegtbild- und Audiowerbung im vergangenen Jahr um gute zwei Prozent zurück. Im linearen Fernsehen waren es sogar mehr als sieben Prozent. Das liegt unter anderem daran, dass Unternehmen insgesamt weniger in Werbung investieren, sagt Journalist Timo Niemeier: "Das hat vor allem mit dem Ukraine-Krieg zu tun und den Auswirkungen, die dieser ganze Krieg hatte. Die hohen Energiepreise und die Inflation setzen viele Unternehmen unter Druck und Werbung, Werbeausgaben werden dann oft gerne als Erstes gestrichen, weil die vermeintlich nicht so wichtig sind."
Medienökonom Rimscha: Rundfunk komplizierter für Werber
Doch Unternehmen sind beim Buchen von Werbung nicht nur zurückhaltender, weil ihnen das Geld fehlt. Durch die Digitalisierung haben Firmen mittlerweile viele verschiedene Möglichkeiten, um Werbung auszuspielen. Der klassische Werbespot im Fernsehen ist für viele Werbekunden nicht mehr unbedingt die erste Wahl, sagt der Medienökonom Bjorn von Rimscha.
"TV-Werbung ist immer noch vergleichsweise teure, obwohl es ja sehr viel günstiger geworden ist, Videowerbung zu produzieren als jetzt vor 20 Jahren. Aber sie ist immer noch vergleichsweise teuer, und insofern ist es für kleinere und mittlere Unternehmen häufig einfach günstiger. Online-Werbung kann man relativ gezielt auch in der Nische werben und man kann sein Budget recht frei skalieren. Im Fernsehen hat man schnell ebenso sozusagen eine Einstiegshürde, wie viel man mindestens ausgeben muss."
Außerdem sei es schwieriger, TV- und Radiowerbung genau auf die Konsumentinnen und Konsumenten zuzuschneiden, so von Rimscha. "Fernsehen und Radio wissen zu wenig über ihre Rezipientinnen. Also wenn Sie Online-Werbung machen, dann können Sie über Tracking relativ viel über die potenziellen Kundinnen wissen und die Werbung sehr gezielt ausstrahlen. Bei Fernsehwerbung wissen Sie nicht so viel."
DWDL-Experte Niemeier: Eine Art Teufelskreis entsteht
Die Folgen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine setzen den Werbemarkt seit 2019 besonders unter Druck. Hinzu kommt, dass besonders das private Fernsehen schon seit Jahren mit sinkenden Reichweiten zu kämpfen habe, erklärt Medienexperte Timo Niemeier. Dadurch entstehe jetzt eine Art Teufelskreis.
"Sie wollen natürlich ihr Zuschauer-Publikum halten und auch neue Formate bringen. Dazu brauchen sie Geld von den Werbekunden. Und wenn das fehlt, dann schrauben sie vielleicht auch ihre Projekte zurück. Oder fragen sich, ob sie dieses oder jenes Format so umsetzen können, wie sie es geplant haben. Und dann, wenn sie es streichen oder kleiner fahren, dann kommt vielleicht wieder weniger Zuschauer. Und dann bedeutet das irgendwann auch wieder weniger Werbeeinnahmen."
Erholung erwartet, aber wohl kein Zurück zur Vorkrisenzeit
Der Verband Privater Medien erwartet für das Jahr 2023, dass die Werbeumsätze der Audio- und audiovisuellen Medien wieder leicht steigen. Doch auch wenn sich der Markt erholen und Unternehmen wieder mehr in Werbung investieren sollten – so wie in der Vorkrisenzeit, wird es laut Medienökonom Bjorn von Rimscha wahrscheinlich nicht wieder werden: "Insofern ist es sicher ein schmerzhafter Prozess, weil, wenn man über Jahrzehnte sich eigentlich ja nur Mittel um die Rezipienten gekümmert hat, das Geld immer von der Werbung kam, dann heißt das eine Umorientierung."
Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass sich TV-Anbieter in Zukunft genauer mit ihrem Publikum beschäftigen, um gezielt geschaltete Werbung zu ermöglichen und wieder mehr Werbekunden anzulocken. Eine andere Form der Umorientierung ist laut Timo Niemeier von DWDL allerdings jetzt schon deutlich spürbar: die Medienkonzerne wollen Kosten sparen. "Jetzt haben viele Konzerne ein Stellenabbau angekündigt, darunter auch ProSieben Sat.1 und RTL Deutschland. Hier und da weiß man noch nicht, wie groß der ausfallen wird. Aber es wird definitiv einen Stellenabbau geben."