Samstag, 27. April 2024

Wettervorhersage
Ohne Frosch und Bauernregeln

Regen oder Sonne? Der Wetterbericht oder die Wetter App liegen manchmal falsch. Woran das liegt und wie KI dabei helfen kann, die Wetterprognose zu verbessern.

23.03.2024
    Ein Mensch steht in der Nacht mit einem Regenschirm im Gegenlicht. Das Licht hat verschiedene Farben. Dazu regnet es.
    Hat es die KI oder der Wetterbericht vorausgesehen? Kleine Wetterereignisse können auch auf die große Lage einen Einfluss haben. (picture alliance / Geisler-Fotopress / Thomas Bartilla)
    In einem Witz über die Bahn heißt es, deren größte Feinde seien Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Dabei wird vor allem auf das unterschiedliche Wetter während der Jahreszeiten angespielt. Doch nicht nur die Bahn ist vom Wetter beeinflusst, wie sich etwa im vergangenen Dezember zum Hochwasser in Norddeutschland gezeigt hat. Umso wichtiger sind genaue Prognosen, die indes von vielen Faktoren abhängig sind.

    Inhalt

    Wie wird das Wetter vorhergesagt?

    Im Allgemeinen werden Wettervorhersagen anhand von Modellen errechnet. Diese Berechnungen beziehen physikalische Gesetze und die aktuellen meteorologischen Daten ein, um das momentane Wetter zu bestimmen und eine Prognose darüber zu geben, wie das Wetter in einer bestimmten Zeit in der Zukunft sein wird. Die Genauigkeit kann dabei abhängig vom Vorhersagezeitraum bei mehr als 90 Prozent liegen.
    Um ausreichend Daten zu haben, gibt es Messstationen. Sie messen am Boden oder in bestimmten Höhen in der Luft die Temperatur, den Niederschlag, den Luftdruck und weitere Werte. Außerdem gibt es Satelliten wie Meteosat. Auch Flugzeuge senden Wetterdaten, während sie in der Luft sind. Diese Menge an Daten wird dann mithilfe von Computern verarbeitet. Der Deutsche Wetterdienst betreibt in Offenbach einen Supercomputer, mit einer Leistung von 20.000 Heimrechnern.

    Warum sind Wetterprognosen ungenau?

    Das Problem bei der Vorhersage des Wetters ist, dass nicht alle Daten vorhanden sind, die notwendig wären, um exakt das derzeitige Wetter auf der ganzen Welt abzubilden. Jonas Späth von der Ludwig-Maximilians-Universität in München erklärt es so: „Das Wetter wird auf einem Netz ausgerechnet, das die ganze Erde umdeckt. Alles, was kleiner ist und durch dieses Netz durchfällt, wird im Wettermodell nur bedingt repräsentiert.“
    Durch das Raster könnten etwa Wolkenbildung oder Windböen in Tälern fallen. Diese kleinen Phänomene hätten auch Auswirkungen auf die großen Wetterlagen. Doch nicht nur auf diese, denn durch solche Ungenauigkeiten der Daten kommt es schließlich auch zu ungenauen Vorhersagen.
    Ein weiteres Problem sind ausbleibende Daten. Das passierte etwa während der Corona-Pandemie als Linienflugzeuge nicht flogen und keine Werte lieferten. Diese Probleme können auch beim Ausfall von Wettersatelliten entstehen.
    Jonas Späth verweist auch auf eine andere Fehlerquelle: Durch die Frequenzen des Mobilfunkstandards 5G oder Satelliten gestütztes Internet wie Starlink könnten die Messdaten für Wasserdampf verfälscht werden. „Das heißt nicht, dass die Vorhersagen in Zukunft deswegen wahnsinnig schlecht werden“, beruhigt der Meteorologe. Aber man müsse auch solche Details bei der Wetterbeobachtung beachten.

    Wie können Wetterprognosen besser werden?

    Das Wetter kann in der traditionellen Weise umso besser vorhergesagt werden, je genauer die Daten sind, die erhoben wurden und mit denen die meteorologischen Modelle die Prognosen berechnen. Damit dies schneller geschieht, werden Rechenleistungen der Supercomputer der Wetterdienste ausgebaut.
    Um bessere Daten zu bekommen, setzt man in Europa unter anderem auf die sechs neuen Meteosat-Satelliten der dritten Generation. Diese können aus 36.000 Metern Höhe genauere und mehr Bilder der Erde machen bzw. auch Infrarotdaten erheben. Damit lassen sich Wolken und Wettersysteme genauer beobachten, zudem können Blitze besser erkannt werden.
    Auch das Mobilfunknetz kann genutzt werden, etwa um den Niederschlag zu messen. Damit kann frühzeitig vor Hochwasser gewarnt werden. Viele der mehr als 100.000 Mobilfunkmasten in Deutschland verfügten über Richtfunk, erklärt Christian Chwala vom Karlsruher Institut für Technologie.

    Mit Funkmasten ein Hochwasser vorhersagen

    Der Richtfunk nutzt Frequenzen, deren Wellenlänge den Durchmesser von Regentropfen entspräche. Bei Regen schwäche sich dann das Funksignal ab, wodurch sich die Menge des Niederschlags errechnen lasse, so Christian Chwala.
    Das habe viele Vorteile, hebt Tanja Winterrath vom Deutschen Wetterdienst hervor. Zum einen seien das bodennahe Daten, zum anderen stünden Mobilfunkmasten auch dort, wo es wie in Gebirgsregionen nur wenige Wettermessstationen gebe. Hinzu komme, dass die Daten „in einer hohen zeitlichen Frequenz und auch sehr zeitnah verfügbar sind“, so Tanja Winterrath.
    Neue Forschungen zeigen zudem, dass es Wetterphänomene gibt, die eine Vorhersage verbessern. Als Beispiel nennt Jonas Späth den Polarwirbel in 15 Kilometer Höhe. Der sei eine gute Quelle für Vorhersagen. „Wenn wir wissen, was der Polarwirbel macht", sagt er, "dann wissen wir, was in der Stratosphäre relativ lang, heißt vier, fünf Wochen lang, passiert.“ Das habe dann wiederum Einfluss auch auf das Wetter hierzulande.

    Kann KI dabei helfen, das Wetter besser vorauszusagen?

    Auch Systeme des maschinellen Lernens, also künstliche Intelligenz, ermöglichen es, Wetterprognosen zu erstellen. Manche sind sogar besser als mit herkömmlichen Modellen berechnete Vorhersagen. Das weckt Hoffnung auf zuverlässigere Prognosen – was auch von den Anbietern versprochen wird.
    Bei der KI handelt es sich um eine Methode der Re-Analyse. Dabei werden die Strukturen und Muster aus bereits verarbeiteten Wetterdaten erkannt. Anschließend leitet der Algorithmus aus diesen ab, wie sich das Wetter wahrscheinlich entwickeln wird. Bei der traditionellen Wetterprognose werden dagegen mittels physikalischer Modelle aktuelle, aber auch fehleranfällige Daten verarbeitet.
    KI kennt die physikalischen Gesetze nicht, sondern nur deren Auswirkungen, erklärt Roland Potthast vom Deutschen Wetterdienst. So könnte die Physik zum Beispiel Extremereignisse berechnen. KI habe damit Probleme. Denn solche extremen Ereignisse können laut Potthast nicht unbedingt aus den Strukturen herausgelesen werden.
    Der Grund für die Schwäche der KI liege darin, dass Extremereignisse selten sind. Somit gebe es wenig historische Daten, aus denen die KI Strukturen erkennen und so Vorhersagen erstellen könnte, so Potthast.

    KI tendiert zum Mittelwert

    Die Meteorologin Irene Schicker von der österreichischen Behörde GeoSphere weist auch noch auf einen anderen Nachteil von KI hin. Der Algorithmus tendiere zum Mittelwert. Dadurch wurde unter anderem die Intensität von Tropenstürmen unterschätzt.
    Der Vorteil der KI sei indes, dass sie viel schneller rechnen könne und weniger Rechenleistung benötige, unterstreicht Peter Düben vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen. Das könnte bedeuten, dass es bessere Vorhersagen auch in Gebieten gibt, wo keine Supercomputer zur Verfügung stehen.
    Viele Meteorologen haben schon Erfahrungen mit maschinellem Lernen gesammelt. Sie gehen davon aus, dass zukünftig traditionelle gemeinsam mit KI-Modellen eingesetzt werden, um das Wetter vorherzusagen.

    Wie beeinflusst der Klimawandel die Wetterprognose?

    Der Klimawandel wird sich auch auf die Wettervorhersage auswirken, unterstreicht der Atmosphärenphysiker Jonas Späth von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Durch den Klimawandel veränderten sich die Klimazonen, es gebe potenziell mehr Hitzewellen, Dürreperioden und extremen Niederschlag.
    Ein Problem sieht Jonas Späth beispielsweise bei der Vorhersage von Stürmen. Diese und ihre Entstehung seien schon heute schwer vorherzusagen, durch den Klimawandel werde dies noch schwieriger, so Späth. Außerdem spielten "noch viele andere Faktoren eine Rolle, zum Beispiel die Zugwege der Stürme in Zukunft".
    Hinzukommen Veränderungen durch Wetterphänomenen wie z. B. den Jetstream (Starkwinde) oder El Niño und La Niña im Pazifischen Ozean. Diese Phänomene beeinflussen das Wetter, werden aber gleichzeitig durch den Klimawandel verändert, da sich Luftströme verlagern. Dies führt beispielsweise zu Veränderungen in den Niederschlagsmustern, was die Vorhersage erschwert.
    Diese Veränderungen können auch für von künstlicher Intelligenz erstellte Wetterprognosen zum Problem werden. Denn diese Modelle kennen, weil sie auf historische Daten zurückgreifen, außergewöhnliche Ereignisse wie in den Jahren 2022 und 2023 nicht, wie die Meteorologin Irene Schicker von GeoSphere unterstreicht.

    rzr