Samstag, 27. April 2024

Konflikt im Wintersport
DSV-Sportchef Maier: FIS-Präsident Eliasch hat "keine Ahnung"

Die Saison im alpinen Skizirkus ist beendet. DSV-Sportdirektor Wolfgang Maier zieht Bilanz zu Lena Dürrs starkem Abschneiden im Slalom, zu den vielen schweren Stürzen – und er kritisiert FIS-Präsident Johan Eliasch scharf. Maier befürwortet eine eigene Rennserie der europäischen Verbände.

Wolfgang Maier im Gespräch mit Maximilian Rieger | 16.03.2024
Wolfgang Maier, Sportdirektor des Deutschen Skiverbands, blickt konzentriert drein.
DSV-Sportdirektor Wolfgang Maier kann mit dem Führungsstil von FIS-Präsident Johan Eliasch nichts anfangen. Ein Haupt-Streitpunkt im Machtkampf der europäischen Verbände mit dem Weltverband: die von Eliasch angestrebte Zentralvermarktung. (picture alliance / Wagner / Ulrich Wagner)
Was für ein Winter für Lena Dürr: Die deutsche Skirennläuferin hat die Slalom-Wertung auf dem zweiten Platz hinter US-Star Mikaela Shiffrin abgeschlossen. Und das trotz erheblicher Schwierigkeiten beim letzten Rennen in Saalbach-Hinterglemm (Österreich) am Samstag, dort reichte es gerade so noch zu Platz 15. Dennoch steht nun das beste Gesamtweltcup-Ergebnis einer Deutschen im Slalom seit 2011 zu Buche, damals gewann Maria Höfl-Riesch sogar die kleine Kristallkugel.
Für Wolfgang Maier, Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV), natürlich ein Grund zur Freude. Maier bilanzierte mit Blick auf Dürr, die im Laufe der Saison viermal auf dem Podest stand, im Deutschlandfunk-Interview: "Lena hat mit der Konstanz, mit der sie entweder auf dem Podium oder knapp neben dem Podium war, schon eine für sie persönlich sehr gute Saison gesorgt." Dürr selbst betonte, sie sei mit der gesamten Saison sehr zufrieden: "Platz zwei macht mich schon stolz."

Maier sieht Ski-Stürze als normales Risiko im "Entertainment"

Allerdings waren nicht nur Glanzmomente Teil der Saison, es gab auch heftige Stürze. Die Liste der Unfälle ist lang: Für Marco Schwarz war nach einem Kreuzbandriss in Bormio (Italien) der Winter beendet, Petra Vlhova passierte dasselbe in Jasna (Slowakei). Aleksander Aamodt Kilde erlitt in Wengen (Schweiz) eine Schnittwunde und Nervenverletzung in der Wade, kugelte sich zudem die Schulter aus. Sofia Goggia musste wegen eines Schien- und Wadenbeinbruchs bei einem Trainingslauf Ende Januar die Segel streichen.
Kritik an der Belastung der Athletinnen und Athleten im durchgetakteten Rennkalender wurde laut, so sagte die ehemalige Weltklassefahrerin Höfl-Riesch im Bayerischen Rundfunk: "Speziell in Cortina – ich habe mit dem Abfahrtstrainer der Frauen gesprochen – haben sie für das Spektakel die Wellen heftiger gemacht. Das hält das eine oder andere Kreuzband nicht aus."
DSV-Sportdirektor Maier sieht die Stürze hingegen als normales Risiko im Profi-Skisport. "Wenn man die Emotionalität rausnimmt, dann muss man sagen: Marco Schwarz hat gesagt, er würde alles gleich machen, weil er keinen Schuldigen hat. Sondern es passiert, es ist ein Risiko, das man ein geht. Kilde hat gesagt, es war ein Fehler, krank an den Start zu gehen." Fahrfehler hätten hier und da eine Rolle gespielt.
Sowohl Schwarz als auch Kilde fanden mit ein wenig Abstand aber auch kritische Worte und forderten mehr Sicherheit im alpinen Skisport. Bei "ServusTV" regte Schwarz jüngst "schnittfeste Unterwäsche" an, Kilde selbst wies auf fehlende Regenerationszeit zwischen den Rennen hin – was auch am Rahmenprogramm für die Stars liege.
Maier betonte: "Fakt ist, dass der Skirennsport ein Risikosport ist. Das gehört zum Entertainment. Okay, der Kalender und diese Komprimierung der Rennen war unglücklich. Aber dass man sich als Top-Profi mal einer gewissen Öffentlichkeit stellen muss, weil es dazu gehört, dass sie das Geld verdienen, dass sie gerne haben möchten – da bin ich der Meinung: Als Profi muss ich das aushalten, weil alle anderen Profisportler halten auch hohe Belastungen in der Öffentlichkeit aus."

Maier spricht FIS-Präsident Eliasch Kompetenz ab

Was das Rahmenprogramm und die Rennkalender der Zukunft angeht, tragen ohnehin die europäischen Verbände und der Weltverband (FIS) einen Machtkampf aus. FIS-Präsident Johan Eliasch, ein Multimilliardär, der aufgrund seines Führungsstils von vielen kritisiert wird, möchte eine Zentralvermarktung. Das würde den Einfluss der Nationalverbände stark einschränken.
DSV-Sportdirektor Maier erklärt den Konflikt so: "Der Eliasch versucht, die Rechte der Verbände wegzunehmen. Damit sind Verbände wie der Deutsche Skiverband, der nur gering öffentlich gefördert wird, pleite. Wir haben keine Veranstaltungen im Weltcup mehr, ohne die verdienen wir kein Geld. Schweizer, Franzosen, Norweger, Schweden – alle die haben die ähnliche Konstellation. Wir haben etwas aus der Historie entwickelt. Und jetzt kommt einer und sagt: Ich weiß alles besser."
Maier appellierte im Dlf-Gespräch: "Lasst es uns doch gemeinsam im Sinne des Sports und der Weiterentwicklung gestalten. Aber nicht in der Konfrontation mit jemandem – und Sie können jetzt sagen, das ist frech von mir – der keine Ahnung vom Skisport hat, der sich einfach da drüber setzt und sagt: Wir machen es so, wie ich es meine."

Europäische Rennserie für DSV-Sportchef Maier denkbar

Laut des WDR-Magazins "Sport inside" gibt es deshalb nun Gedankenspiele der großen europäischen Verbände, mit dem Weltverband zu brechen und eine eigene Rennserie zu organisieren.
Eine Idee, die DSV-Sportdirektor Maier unterstützt: "Weil wir sehen, seit wir diesen FIS-Präsidenten haben, geht der Sport in die verkehrte Richtung. Es ist nur schlechte Stimmung, es werden nur Probleme geschaffen, die wir früher nicht hatten. Es ist zurückzuführen auf eine Person." Maier ergänzte: "Ich kritisiere, dass man nicht überlegt hat und das, was man über viele Jahre gut gemacht hat, nicht integriert. Sondern sich einer Kommerzialisierung aussetzt, die man aber nicht umsetzen kann, weil die Natur noch mitspielt."

jti