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50 Jahre Club of Rome"-Bericht
"Die Grenzen des Wachstums“ markiert Startpunkt der modernen Ökobewegung

1968 bildeten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus 30 Ländern den „Club of Rome", um die Zukunftsaussichten der Menschheit auszuloten. Am 2. März 1972 präsentierten sie die Studie "Die Grenzen des Wachstums". Ein Appell zum Umdenken – doch von vielen als apokalyptisches Szenario abgetan.

Von Andrea Westhoff | 02.03.2022
Ein Exemplar von "Die Grenzen des Wachstum" steht vor einem Spiegel auf einem Tisch.
Wurde 1972 präsentiert und veröffentlicht: Den Bericht "Die Grenzen des Wachstums" hatte der Club of Rome in Auftrag gegeben. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
"Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Zukunft klaut!" Seit 2018 gehen weltweit junge Menschen der „Fridays for Future-Bewegung“ auf die Straße – besorgt und wütend, weil sie ihre Lebensgrundlagen unwiederbringlich schwinden sehen.

Solche existenziellen Ängste regten sich in der Bundesrepublik erstmals in den 60er-Jahren: Nach dem rasanten wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit gab es 1966/67 die erste Rezession; Umweltprobleme wurden sichtbar: Smog über dem Ruhrgebiet, der Rhein lebensgefährlich verschmutzt.
Der Umweltexperte Ernst-Ulrich von Weizsäcker erinnert sich: "Wir waren doch alle sehr beunruhigt. Man hatte bis dahin in Industrie- und Technikoptimismus gemacht, und plötzlich merkte man, dass insgesamt die Welt ins Schleudern kommt, wenn das wirtschaftliche Wachstum ungehemmt weitergeht.“

Via Computersimulationen errechnete Szenarien

Der Club of Rome wollte es genau wissen. Das internationale Expertengremium, 1968 gegründet, um über Zukunftsfragen der Menschheit zu diskutieren, beauftragte Dennis Meadows vom Massachusetts Institute of Technology mit einer Studie. Zusammen mit seiner Frau Donella und einem Forscher-Team entwickelte er anhand von komplexen mathematischen Computersimulationen verschiedene Zukunftsszenarien. Die Ergebnisse wurden am 2. März 1972 unter dem Titel "The Limits to Growth“ - „Die Grenzen des Wachstums“ präsentiert. Die Kernbotschaft:
"Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unvermindert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“

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Heftige Kritik an der Methodik

Die von der deutschen Volkswagenstiftung mitfinanzierte Studie wurde in Buchform veröffentlicht, in über 30 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft.

Aber sie löste auch heftige Kontroversen aus. Einige bezweifelten die Methodik und damit Aussagekraft der computergestützten Analysen und Hochrechnungen. Der Zukunftsforscher Robert Jungk nahm damals die Autoren in Schutz:
„Ich vergleiche solche Arbeiten mit den frühen Landkarten, es gab viele weiße Flecken drauf, sie waren falsch sogar zum Teil, aber es waren zumindest Karten. Und man konnte versuchen, sich zu orientieren.“

Armen Ländern Recht auf Entwicklung abgesprochen?

Als falsch erwies sich zum Beispiel die Prognose über begrenzte Erdölvorkommen. Weitere Kritikpunkte: Der Club of Rome sei „elitär“, die Forderung nach Wachstumsbegrenzung behindere vor allem ärmere Länder in ihrer Entwicklung. Und: Meadows und sein Team seien „Untergangspropheten“.

Dagegen meint der Sozialpsychologe Harald Welzer, der Bericht sei eben nicht apokalyptisch, sondern eher ein Aufbruchssignal gewesen: "Der – Neudeutsch – ‚impact‘ der Studie besteht in der Tat darin, dass es im Grunde einer der Startpunkte der modernen Ökologiebewegung gewesen ist.“

 2004 erschien ernüchternde Neuauflage

Tatsächlich veranstalten die Vereinten Nationen seit 1972 Umwelt- und Klimakonferenzen, in vielen Ländern wurden Umweltschutzorganisationen, Behörden und Parteien gegründet, etwa „Die Grünen“ in Deutschland im Jahr 1980.

Aber grundlegende wirtschaftliche, gesellschaftliche und individuelle Verhaltensänderungen hat es nicht gegeben: Die Neuauflage der Studie „Grenzen des Wachstums“ 1992 ebenso wie das 30-Jahres-Update 2004 stützten die früheren Prognosen mit neuen Berechnungen. Und anlässlich des 40. Jahrestages sagte Dennis Meadows in einem Deutschlandfunk-Interview 2011:
"Natürlich ist es bis zum Jahr 2100 noch ein weiter Weg, aber die Entwicklung beschleunigt sich immer weiter. Maßnahmen, die in den 70er-Jahren noch zu einer einigermaßen wünschenswerten Zukunft geführt hätten, können heute nicht mehr ergriffen werden.“
Das ist es, was junge Menschen wütend und traurig macht. Etwa Greta Thunberg, die Initiatorin der Fridays-for-Future-Bewegung: "Menschen leiden! Menschen sterben! Ganze Ökosysteme kollabieren“, sagt sie im September 2019 in ihrer denkwürdigen Rede beim UN-Klimagipfel in New York: "Und Ihr redet nur über Geld und erzählt Märchen vom ewigen wirtschaftlichen Wachstum.“