Mittwoch, 24. April 2024

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25 Jahre Dolly
Forschungspionier Eckhard Wolf: "Klonen von Menschen sollte absolut tabu bleiben"

Als die Geburt von Klonschaf Dolly öffentlich wurde, traute man dieser Forschungsdisziplin alles zu. Ihr Pionier Eckhard Wolf arbeitet heute mit geklonten Schweinen - für die Organtransplantation. Er sieht allerdings keinen vernünftigen Grund, um etwa Menschen zu klonen.

Eckhard Wolf im Gespräch mit Ralf Krauter | 22.02.2022
Klonschaf Dolly steht mit ihren drei Lämmern auf der Wiese
Das legendäre Klonschaf Dolly mit seinen im April 1998 geborenen Lämmern (Roslin Institute, Universität Edinburgh / https://www.ed.ac.uk/roslin/about/dolly/media-links/images)
Vor 25 Jahren, am 22. Februar 1997, verkündeten Forscher des Roslin Institute in Schottland eine Sensation: Sie hatten erstmals ein ausgewachsenes Säugetier geklont, das heißt, Nachwuchs mit exakt identischem Erbgut gezeugt. Das Klonschaf Dolly, dessen Bild damals um die Welt ging, entstand aus einer Euterzelle, die die Wissenschaftler seinem genetischen Muttertier entnommen hatten. Den Kern dieser Euterzelle hatten die Forscher in eine entkernte Eizelle verpflanzt. Dort übernahm er dann das Kommando und wuchs zu einem Schaf-Embryo heran, den eine tierische Leihmutter dann austrug.
Eckhard Wolf lehnt an einem Schweinestall mit Ferkeln und Mutter.
Eckhard Wolf von der LMU München bei seinen geklonten Schweinen. Sie sollen schon bald Organe für die Transplantation liefern. (Deutschlandradio / Michael Lange)
Professor Eckhard Wolf vom Lehrstuhl für molekulare Tierzucht und Biotechnologie der Ludwig-Maximilians-Universität München hat die Dolly-Methode kurz nach der Erfolgsmeldung aus Schottland selbst ausprobiert. Sinnvolle Einsatzfelder der Klontechnologie sieht er heute "in erster Linie für die genetische Modifikation von Schweinen. Einerseits um diese Schweine als Spender von Zellen, Geweben oder ganzen Organen für die Xenotransplantation nutzen zu können, zum anderen aber auch, um menschliche Krankheiten in Schweinen nachzuahmen." Das Klonen von Menschen sollte aber absolut tabu bleiben, sagte er im Dlf.

Das Interview im Wortlaut:

Ralf Krauter: Kam die Meldung von der Geburt des Klonschafes Dolly damals, Anfang 1997, überraschend oder lag dieser Durchbruch in der Luft?
Eckard Wolf: Es war nicht völlig überraschend, man hatte vorher auf reproduktionsbiologischen Kongressen schon gehört, dass das Team in Schottland da etwas unterwegs hat, und das war auch der Grund, warum wir in dieser Phase dann schon selbst begonnen haben, auch das Klonen von Rindern zu versuchen. Wir hatten vorher schon mit embryonalen Zellen Kerntransfer gemacht, mit Zellen aus ganz frühen Embryonalstadien, und nachdem bekannt wurde, dass die Schotten eben eine Trächtigkeit beim Schaf unterwegs haben mit Zellen eines erwachsenen Tiers, haben wir das dann auch versucht.
Krauter: Das Faszinierende war ja, dass da aus einer reifen Zelle eines erwachsenen Tieres plötzlich wieder ein Embryo entstand, der dann als komplett neues Jungtier, aber mit identischem Erbgut, heranwuchs.
Wolf: Das hat in der Tat ein Dogma der Biologie so etwas aus den Angeln gehoben, dass Differenzierung von Zellen, Spezialisierung von Zellen eine Art Einbahnstraße ist. Aber Dolly hat eben gezeigt, dass man durch den Kerntransfer diesen Prozess umkehren kann, dass man aus einer spezialisierten Zelle auch wieder eine totipotente Zelle machen kann, aus der sich eben ein komplettes Individuum entwickeln kann.
Klonschaf Dolly (M) am 25.2.1997 im Roslin-Institut in Edinburgh
Klonschaf Dolly (M) am 25.2.1997 im Roslin-Institut in Edinburgh (picture-alliance / dpa)

Spezialisierung von Zellen keine Einbahnstraße

Krauter: Sie waren in Deutschland mit führend bei der Entwicklung dieser Technologie. Anfang 1999 kam das erste Klonkalb namens Uschi zur Welt an der LMU München, wo Sie damals gearbeitet haben, gezeugt mit ganz ähnlichen Methoden wie das Klonschaf Dolly. Sie haben damals, also 1999, gegenüber „Spektrum der Wissenschaft“ gesagt: „Uschi wird sicher ein sehr glückliches Leben haben.“ Wie ist es diesem Kalb denn ergangen?
Wolf: Nun, tatsächlich wurde die Uschi schon Ende 1998 geboren, am 23. Dezember 1998, und es ist ihr gut gegangen, sie ist über zehn Jahre alt geworden. Sie hatte dann leider einen Unfall und musste deswegen eingeschläfert werden. Aber sie hatte mehrere Nachkommen auf ganz normalem Wege und ist sogar Großmutter geworden.

Klonkalb Uschi wurde Großmutter

Krauter: Das heißt, die anfängliche Befürchtung, dass geklonte Tiere nicht so gesund wären wie natürlich gezeugte, hat sich da schon nicht mehr bewahrheitet?
Wolf: Das hat sich da nicht bewahrheitet. Es gab ja die Theorie, dass geklonte Tiere schneller altern, dass sich die Chromosomenenden, die sogenannten Telomere, verkürzen. Aber in späteren Studien hat sich das nicht bewahrheitet.
Krauter: Allerdings war die Klontechnik ja am Anfang irrsinnig ineffizient. Also ich habe gelesen, als Forscher um Ian Wilmut sich an Dolly versucht hatten, also am Roslin Institute in Schottland, mussten 277 Euterzellen des Muttertiers mit Eizellen fusioniert werden, bevor es einmal geklappt hat. Beim Klonkalb Uschi waren es dann nur noch 147 Versuche, die nötig waren bis zum Erfolg. Wo stehen wir denn heute in puncto Effizienz der Klontechnik?
Wolf: Nun, leider muss man sagen, dass die Effizienz sich nicht wesentlich verbessert hat. Der wichtigste Einflussfaktor ist die jeweils verwendete Zelllinie. Also selbst wenn man Zelllinien vom gleichen Zelltyp, zum Beispiel von Bindegewebszellen oder von Stammzellen, mesenchymalen Stammzellen verwendet, können da sehr große Unterschiede in der Effizienz erkennbar werden. Von manchen Zelllinien gelingt es überhaupt nicht, Nachkommen zu erzeugen, andere funktionieren besser, und es hängt auch von der Tierart ab. So funktioniert in aller Regel das Klonen beim Rind besser als bei allen anderen Tierarten. Da kann man Effizienzen von 10 bis 20 Prozent erreichen, das heißt, geborene Nachkommen bezogen auf die auf Empfängertiere übertragenen geklonten Embryonen.
Drei chinesische Wissenschaftler in Kitteln füttern ihre drei geklonten dunkelbraunen Rinder mit einer Milchflasche.
Der EU-Ministerrat blockiert weiterhin ein Gesetz zum Komplettverbot zum Klonen von Nutztieren (imago stock&people)

Methode immer noch wenig effizient

Krauter: Es gab ja nach Dolly dann eine regelrechte Bonanza beim Klonen von Haus- und Nutztieren, also auf Dolly folgten Mäuse, Kaninchen, Hunde, Ziegen, Mulis, 2001 kam die erste Klonkatze auf die Welt, ihr Name war Copy Cat, 2003 das erste geklonte Pferd. Wie haben Sie diese turbulente Phase der Technologieentwicklung und Verfeinerung erlebt?
Wolf: Nun, natürlich haben viele Arbeitsgruppen versucht, dieses Dolly-Experiment bei anderen Spezies zu reproduzieren, was ja auch wichtig war. Inzwischen wurde die Klontechnologie bei mehr als 20 Tierarten erfolgreich angewendet. Die Effizienzen, wie gesagt, variieren zwischen den Tierarten. Beim Rind funktioniert es nach wie vor am besten. Im Allgemeinen liegen die Effizienzen in der Größenordnung wenige Prozent nachkommenbezogen auf die übertragenen Kerntransferembryonen.

Geklonte Schweine für die Organtransplantation

Krauter: Bei Rindern gibt es ja auch schon klare Einsatzbereiche, also Zuchtbullen zum Beispiel werden heute oft geklont und ihre Samen letztlich über Generationen weiter benutzt. Wo sehen Sie denn in anderen Bereichen heute mit 25 Jahren Abstand sinnvolle Einsatzfelder der Klontechnologie?
Wolf: Nun, wir arbeiten oder wir nutzen diese Technologie in erster Linie für die genetische Modifikation von Schweinen, einerseits um diese Schweine als Spender von Zellen, Geweben oder ganzen Organen für die Xenotransplantation nutzen zu können, zum anderen aber auch, um menschliche Krankheiten in Schweinen nachzuahmen. Hier ist der große Vorteil, dass man die eigentliche genetische Modifikation ohne jeden Tierversuch in Zellkulturen durchführen kann, dass man dann bereits in der Zellkultur feststellen kann, ob alles gut geklappt hat, und erst, wenn das sichergestellt ist, nutzt man einmalig das Klonen, um aus den gezielt genetisch modifizierten Zellen die entsprechenden Tiere zu generieren, in unserem Fall Schweine. Und die können dann in aller Regel ganz normal über Zucht weitervermehrt werden.

Erste Transplantation in den USA geglückt

Krauter: Stichwort Xenotransplantation, da ranken sich große Hoffnungen drum, die kürzlich befeuert wurden, weil in den USA erstmals einem todkranken Patienten ein Schweineherz implantiert wurde, das genetisch menschenähnlicher gemacht war. Sie arbeiten selbst auf diesem Gebiet mit solchen humanisierten Schweinen, die dann geklont werden als potenzielle Organspender für Menschen. Wie weit sind wir denn von dieser Vision noch entfernt?
Wolf: Dieser Heilversuch in den USA hat gezeigt, dass das tatsächlich funktionieren kann. Der Patient ist ja nach mehreren Wochen immer noch am Leben und es scheint ihm gut zu gehen. Was man dafür machen muss, ist, die Spenderschweine genetisch zu modifizieren. Das Spenderschwein, das für den Versuch in den USA verwendet wurde, trug zehn genetische Modifikationen, es handelte sich auch um das Herz eines geklonten Schweines. Wir gehen eigentlich davon aus, dass man mit weniger Modifikationen auskommt in der Größenordnung fünf bis sechs. Und hier bietet eben das Klonen den Vorteil, dass man diese Modifikationen in Zellen elegant kombinieren kann, und erst, wenn das gelungen ist, nutzt man einmalig das Klonen, um ein Schwein zu erstellen, würde dann aber für den klinischen Einsatz die Tiere über Zucht generieren, weil man dann ausschließen kann, dass es zu keinen Nebenwirkungen kommt, die eben inhärent in dieser Klontechnologie sein können.
Krauter: Das heißt, man würde Zellen genetisch verändern, menschenähnlicher machen, dann ein Tier klonen und das dann über Zucht so vermehren, dass man wirklich eine ganze Herde hätte, um potenzielle Spendeorgane bereitzustellen, zum Beispiel Herzen?
Wolf: Genauso würde man das machen. Man hat das für das Herz vor Augen, aber theoretisch ginge es auch für Nieren, oder wir arbeiten zum Beispiel auch an Pankreasinseln zur Behandlung von Patienten mit Typ-1-Diabetes.
Krauter: Wie lange sind Sie und Ihre Leute davon entfernt, auch in Deutschland klinische Tests zu machen mit solchen Spendeorganen aus genetisch veränderten, geklonten und dann gezüchteten Schweinen?
Wolf: Nun, derzeit sind wir noch auf der Ebene der präklinischen Tests, das heißt, der Transplantation von solchen mehrfach genetisch modifizierten Schweineherzen in Pavianen. Aber das funktioniert sehr gut, sodass man damit rechnen kann, dass auch innerhalb der nächsten wenigen Jahre in Deutschland eine klinische Studie möglich sein wird.

Eine Herde von Organspendern

Krauter: Springen wir noch mal eine Ebene zurück zur Klontechnik, die ja heute Jubiläum feiert mit der offiziellen Bestätigung der Geburt des Klonschafs Dolly. 2008 haben chinesische Forscher vermeldet, sie hätten Affen mit der Dolly-Methode geklont. Der Weg zum Klon von Menschen ist damit im Prinzip gar nicht mehr so weit. Wo sehen Sie denn persönlich Grenzen der Klontechnik? Gibt es Dinge, die tabu bleiben sollten?
Wolf: Also das Klonen von Menschen sollte absolut tabu bleiben. Es gäbe auch überhaupt keinen vernünftigen Grund, Menschen zu klonen. Und es wäre auch verwerflich, weil man sozusagen einen Menschen damit zu einem bestimmten Zweck erzeugen würde, was absolut ethisch inakzeptabel wäre.
Krauter: Aber bei Tieren, würden Sie sagen, gibt es keine Grenzen?
Wolf: Bei Tieren gibt es natürlich auch Grenzen. Bei uns in Deutschland ist alles, was mit Klonen zu tun hat, ein genehmigungspflichtiger Tierversuch, wobei man in jedem Einzelfall nachweisen muss, dass eben das Vorhaben sinnvoll und ethisch vertretbar ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.