Dienstag, 23. April 2024

Spitzensportförderung
DOSB-Vorstand Tabor: Veränderung "nicht ohne Investitionen"

Im Dlf-Sportgespräch hat Olaf Tabor, Leistungssport-Vorstand des Deutschen Olympischen Sportbundes, für die Reform der Spitzensportförderung durch Investitionen plädiert. Das aktuelle Fördersystem wollte er aber auch nicht verteufeln.

Olaf Tabor im Gespräch mit Marina Schweizer | 14.05.2023
Eine Leichtathletin hält beim 4x400 Meter Staffellauf den Staffelstab beim Start in der rechten Hand.
Sportlerinnen und Sportler wünschen sich seit einiger Zeit eine Reform der Leistungs- und Spitzensportförderung. Der DOSB plant Veränderungen, die auch Investitionen erfordern. (imago images / Sven Simon / Anke Waelischmiller / Sven Simon via www.imago-images.de)
Wie kann der deutsche Sport in mehr Bereichen international wieder Spitze werden? DOSB-Vorstand Olaf Tabor forderte im Deutschlandfunk-Sportgespräch vor allem eine Investitionsbereitschaft in Sachen Steuergeld: "Wären wir nicht im Sport, sondern zum Beispiel in der Wirtschaft, dann wäre für alle klar: Wenn man etwas neu machen will - dann muss man zunächst einmal eine Investition tätigen."
Tabor, seit Januar 2023 als Nachfolger von Dirk Schimmelpfennig im Amt, fuhr fort: "Das ist hier genau so. Wir haben eine Veränderung vor der Brust, wir wollen Dinge optimieren. Und das wird nicht ohne Investitionen gehen. Erst nach einer gewissen Zeit wird man ein Return of Investment sehen."

Tabor untersucht mit "Bund, Ländern und Sport" das System

Ende 2022 hatten das Bundesinnenministerium (BMI) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ein Grobkonzept für die Neuordnung des Spitzensports in Deutschland vorgestellt. Zentrales Element solle eine unabhängige Agentur sein, die den Spitzensport steuere. DOSB und BMI würden nur strategische Vorgaben machen, die Förderentscheidungen träfe die Agentur selbst, hieß es. Der Verein Athleten Deutschland kritisierte danach mangelnde Transparenz und Mitgestaltungsmöglichkeiten der Sportlerinnen und Sportler im Prozess.
Welche Hebel nun genau im deutschen Leistungs- und Spitzensport in Gang gesetzt werden müssen, sei zu untersuchen. Tabor erklärte: "Meine Aufgabe ist vor allen Dingen, das Leistungssportsystem in Deutschland noch mal unter die Lupe zu nehmen." Dabei sei er nicht alleine gefragt: "Und der aktuelle Prozess mit Bund, Ländern und Sport hat genau das zum Ziel." Dieser Prozess sei "noch nicht fertig".
Olaf Tabor, aufgenommen im Juli 2022, steht mit verschränkten Armen an einem Gelände.
Olaf Tabor, Vorstand Leistungssport des Deutschen Olympischen Sportbundes (picture alliance / dpa / Deutscher Alpenverein DAV / Tobias Hase)
So betonte Tabor: "Wir haben vielleicht auch noch nicht die richtige Vorgehensweise gefunden, um zielgerichteter zu fördern und die Stärken zu stärken, die wir haben. Und im System die Dinge weiterzuentwickeln, die uns international leistungsfähiger werden lassen."

Bestehendes Fördersystem von Tabor nicht verteufelt

Die Spitzen- und Leistungssportförderung gibt es schon seit vielen Jahrzehnten und steht in der Kritik. Athleten Deutschland forderte schon vor Monaten im Dlf die Abschaffung der Fokussierung auf Podestplätze, und dass bei der Geldverteilung auch Leistungssteigerungen belohnt werden sollen, die nicht zu Medaillen führen. Verbände, die viele Medaillen holen, bekommen derzeit mehr Geld als andere.
Tabor räumte ein: "Zumindest haben wir die Ziele, mit denen wir 2016 gestartet sind, nachhaltig nicht erreicht. Dementsprechend haben wir die richtigen Stellschrauben noch nicht gefunden – oder noch nicht hinreichend an ihnen gedreht."
Dennoch sieht er im bestehenden Fördersystem auch Positives: "Wir sind ja auch aufgrund der Förderung in der Welt nach wie vor konkurrenzfähig. Im Winter mehr als im Sommer, also es ist ja nicht ohne Effekt, was im Moment an finanziellem Beitrag geleistet wird. Aber wir wollen besser werden und zurück an eine Stelle, an der wir schon mal gewesen sind. Und dafür wird man vermutlich auch ein Investment machen müssen."
Dabei ist wohl entscheidend, wo genau diese Investments getätigt werden. Athleten Deutschland vertritt die Haltung, dass etwa zehn Prozent mehr Budget nicht automatisch zehn Prozent mehr Medaillen bedeuteten. Wichtig sei vor allem eine nachhaltige Verbesserung der Strukturen.

Kreativität und Flexibilität sollen belohnt werden

Tabor, Ex-Chef des Deutschen Alpenvereins, sieht das ähnlich. Er deutete an, bei der neuen Förderung auch Kreativität und Flexibilität belohnen zu wollen.
"Wir haben während der Pandemie-Zeit erlebt, dass fast niemand mehr in seinen Sportstätten trainieren durfte", erklärte er. "Ich kann aus meinem Bereich, damals der Klettersport, sagen, dass meine Top-Athleten sich gefragt haben: 'Wie können wir fit bleiben?''" Diese hätten "in der heimischen Scheune oder Garage Griffe in die Wand geschraubt" und mit ihrem Trainerteam nach Lösungen gesucht.

"Kreatives Potenzial ist da": Tabor zuversichtlich

Wie sich gezeigt habe, "waren sie dabei offensichtlich so kreativ und erfolgreich, dass sie nach der Pandemie, als wieder Wettkämpfe stattgefunden haben, trotzdem international wieder erfolgreich waren - und zum Teil besser als vorher."
Tabor unterstrich: "Das kreative Pozential ist da. Es ist auch nicht immer viel Geld oder große technische Ausstattung erforderlich. Das kommt auch sehr auf die Sportart an, das gebe ich zu. Aber das ist es, was unser Fördersystem nicht so richtig erlaubt, weil es nach einem Standard fördert, bei dem Flexibilität und Kreativität eben gerade nicht im Vordergrund steht."